Ex-Chef der Kerkerbachbahn weiterhin in Haft:

Konkurseröffnung noch in den (Un-)Sternen

05.10.1984

MANNHEIM (lo) - Im trüben Kapitel Kerkerbachbahn AG werden neue Seiten aufgeschlagen jedoch fällt kaum Licht In das Halbdunkel von Betrug und Vergehen gegen das Aktiengesetz. Seine eigenen Gedanken dazu macht sich Ex-Boß Tom Clark Sieger: Er sitzt weiter unter Verdacht in Untersuchungshaft. Nachdem das Mannheimer Unternehmen am 10. September 1984 beim Amtsgericht in Mannheim Antrag auf Konkurs stellte, ist die Eröffnung des Verfahrens bislang noch nicht abzusehen. Wiewohl zuversichtlich, braucht der als Sequester bestellte Rechtsanwalt Friedrich Irschlinger bis Monatsende Zeit, die Dinge für eine Entscheidung in den Griff zu bekommen

Dazu muß zunächst geklärt sein, ob wenigstens die zur Konkurseröffnung erforderliche runde halbe Million Mark aus dem Vermögen der AG zur Verfügung steht. Nachdem die Kölner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Bachem, Janssen & Mehrhoff das Testat für die Bilanz 1983 bereits schon Tage vor dem Konkursantrag widerrief, ist nicht erkennbar, ob der Bilanzgewinn von etwa 1,5 Millionen Mark bei einem Konzernumsatz von 149,8 Millionen Mark und einem AG-Umsatz von 60 Millionen Mark zutreffend ausgewiesen

Weiter unklar ist, was an tatsächlichen Vermögensresten der Gesellschaft nach dem spektakulären 27 August - dem Tag der Verhaftung des inzwischen abgesetzten Vorstandsmitgliedes Tom C. Sieger - existiert.

Noch nicht beantworten lasse sich ebenfalls die Frage, teilt der Zwangsverwalter mit, in welchem Umfang die Mannheimer AG durch Bürgschaftsübernahmen für Tochtergesellschaften im Bauträger- und Immobiliengeschäft haftet, die an die Datamat GmbH in Pforzheim verkauft wurden. Bisher sei der Kaufpreis allerdings nicht gezahlt worden.

Nach Antwort sucht Irschlinger auch in puncto - fiktiver und tatsächlicher - Beteiligung an Unternehmen wie etwa der Beta Computer AG in Mannheim, der Recycoplast AG in Neukolping oder der General Allied Oil and Gas in Vancouver. Es soll Anzeichen geben, daß die faktisch erworbenen Anteile zuletzt schon nicht mehr von der AG, sondern von Sieger selbst gehalten wurden.

Forderungen der Kreditinstitute an die Kerkerbachbahn AG belaufen sich auf mindestens 25 Millionen Mark. Die Hauptgläubiger stellen die Landesbank Rheinland-Pfalz und die Volksbank Ludwigshafen.

Nächster dunkler Punkt auf der Passivseite des Mannheimer Unternehmens sind fünfjährige Mietübernahmegarantien im Bauträgergeschäft, deren Umfang noch nicht abzugrenzen ist und aus denen eine Sturzflut an Forderungen über die Kerkerbachbahn hereinbrechen könnte.

Die Zahl der geschädigten Aktionäre innerhalb und außerhalb der AG läßt sich noch nicht einmal schätzen. Tom Sieger, einstmals vermutlich in Zusammenhang mit der Schweizer Trissag AG, Zürich, Mehrheitsaktionär, konnte seine Anteile in Anbetracht der ungewöhnlichen Kursentwicklung rechtzeitig abstoßen.

Als Ursache für die Zahlungsunfähigkeit nannte Rechtsanwalt Irschlinger die Tatsache, daß die Mittel aus der letzten - wie anzunehmen ist, geplatzten - Kapitalerhöhung nicht zur Verfügung standen, die Gesellschaft jedoch weitere Manipulationen darauf aufbaute und finanzielle Verpflichtungen einging. So wurden, immer unter dem Deckmantel der Kapitalerhöhung, 50 Prozent Anteile der Consulting AG in Stuttgart erworben. Die Rechnung blieb jedoch, bis auf ein Darlehen von 400 000 Mark, offen. Auf gleiche Weise erwarb man 70 Prozent Anteile an dem inzwischen geschlossenen Hamburger Bankhaus Martin Friedeburg. Die Zahlen beliefen sich in diesem Fall auf 4,2 Millionen Mark. Geld floß allerdings für diesen Erwerb, so Rechtsanwalt Friedrich Irschlinger: Eine Million Schweizer Franken Vermittlungsprovision ging an eine - nicht näher genannte - Luxemburger Gesellschaft.