Komplikationen auf dem Weg zur globalen Kommunikation Nur mit korrekter Adressierung funktioniert TCP/IP-Networking

08.07.1994

MUENCHEN (hi) - Mit dem wachsenden Erfolg des Internets boomt auch das ihm zugrundeliegende TCP/IP-Protokoll. Kaum ein Netz, das zur Zeit nicht um dieses Internetworking-Protokoll erweitert wird. Fuer die meisten Anwender ist ein gewuenschter Internet-Anschluss oder die geplante Verbindung raeumlich getrennter heterogener Netze ein Grund zum Umsatteln.

Glaubt man den Anbietern von TCP/IP-Produkten, so gibt es nichts Einfacheres, als ein bestehendes Netz auf TCP/IP aufzuruesten: Disketten ins PC-Laufwerk schieben, Installationsroutine aufrufen, und schon steht dem globalen Internetworking nichts mehr im Wege.

Schoen waer's, doch auf dem Weg zum globalen Datenverkehr nervt das Installationsprogramm den Anwender erst einmal mit ein paar grundlegenden Fragen. Eine der leichteren Uebungen ist noch die Beantwortung der Frage nach der verwendeten Netzwerkkarte. Doch in der Regel reicht diese Antwort dem wissbegierigen Setup-Programm nicht aus. Der TCP/IP-Neuling soll dem Programm auch noch seine Hausnummer im Netz, die "Stationadress", mitteilen. Hier steht der Anfaenger vor der ersten ernstzunehmenden Huerde: Mit der normalen Ethernet- oder E-Mail-Adresse funktioniert ueberhaupt nichts. Nach mehreren erfolglosen Versuchen mit allen moeglichen alphanumerischen Kombinationen bleibt nur noch der Blick ins Handbuch.

Unter der Rubrik "Netzwerkadressen" oder aehnlichem findet der geplagte Neueinsteiger meist Rat: Eine Adresse in der sogenannten "Dotted Decimal Nota-tion" soll zum Erfolg fuehren. So schlaegt das Handbuch beispielsweise die Adresse 156.27.4.51 vor. Doch wer kann sich solch umstaendliche Hausnummern merken? Einen Versuch mit der memotechnisch guenstigeren Adresse 1.1.1 akzeptiert das Setup auch. Also schnell noch dem zweiten Host die leicht zu merkende Adresse 2.2.2 zugewiesen, und das TCP/IP-Netz funktioniert?

Fehlanzeige, eine Dialog-Box meldet freundlich lapidar, dass der zweite Host nicht erreichbar ist. Nicht erreichbar? Er steht eine Armlaenge entfernt auf dem Schreibtisch des Kollegen.

Des Raetsels Loesung liegt in der Geschichte des TCP/IP-Protokolls. Als es gegen Ende der 60er Jahre als "ARAPAnet" urspruenglich fuer die Militaers konzipiert wurde, war Benutzerfreundlichkeit in der DV noch ein Fremdwort. Zwar sieht das Protokoll einen 32 Bit grossen Adressraum vor, um so genuegend Adressen zu gewaehrleisten, doch die Notation hat in dezimaler, oktaler oder hexadezimaler Form zu erfolgen. Dabei fordert die Definition eine Gliederung des 32-Bit-Adressraumes in vier Oktette, deren Nummern in der dezimalen Darstellung zur besseren Lesbarkeit durch Punkte getrennt werden (vgl. die genannte Adresse aus dem Handbuch).

Die genaue Definition der 32-Bit-Hausnummern ist in dem RFC 1020, Internet Numbers (Request for Comment), festgeschrieben. Gemaess RFC setzt sich eine TCP/IP-Adresse aus drei Kategorien zusammen: Adressenklasse, Netzadresse, Host-Adresse.

Insgesamt gibt es die fuenf Klassen A, B, C, D, E, wobei vereinfachend gilt: A: wenige Netze mit vielen Hosts; C: viele Netze mit wenigen Hosts. Da die Klasse D fuer Multicast-Gruppen und E fuer kuenftige Nutzungen vorgesehen ist, werden im folgenden nur die ersten drei Klassen besprochen.

Allen Adressen der drei Klassen ist gemeinsam, dass die Bits (bis zu drei) im ersten Oktett die Adressenklasse bestimmen. So legt im Format "Class A Internet" das erste Bit die Klasse fest (vgl. Abbildung). Die restlichen sieben Bits werden zur Definition der Netzadresse verwendet, so dass sich 27 Moeglichkeiten, also 128 Adressen, ergeben. Aus den verbleibenden drei Oktetten ergibt sich die Zahl der pro Netz adressierbaren Hosts. In der Klasse A sind dies 224 Rechner, also knapp 16,7 Millionen.

Die Verteilung des Adressraumes in den Klassen B und C erfolgt, wie aus der Grafik ersichtlich ist, aehnlich. Dabei kann es rein rechnerisch mehr als 16000 Netze der zweiten Kategorie mit ueber 65000 Hosts pro Netz geben. In der Klasse C sind dagegen nur bis zu 256 Hosts anschliessbar, dafuer stehen aber fuer die Netzadresse mehr als zwei Millionen Kombinationen zur Verfuegung.

Um den Hosts, die sich innerhalb eines physikalischen Netzes befinden, eine einfache Hierarchie aufzuerlegen, ist die Errichtung von Teilnetzen moeglich. Hierzu werden die ersten Bits der Host-Adresse als Teilnetzadresse verwendet.

Beim Versand eines Datenpaketes vergleicht nun der sendende Host den Netzwerkanteil der Zieladresse mit seiner eigenen Adresse. Falls beide uebereinstimmen, befinden sich Sender und Empfaenger im gleichen Netzwerk, der Versand kann beginnen. Unterscheiden sich dagegen die Zahlen, muss das Paket an einen Router gesendet werden, dessen Adresse der Anwender meistens ebenfalls zu Beginn der TCP/IP-Installation zu definieren hat. Oft hat der Router jedoch nicht nur eine einzige Adresse, sondern gleich mehrere, da fuer jeden Kanal oder Port eine TCP/IP-Adresse zu definieren ist.

Soll das eigene Netz anderen (Kunden, Lieferanten etc.) zugaenglich sein, so kann der Administrator die Netzadressen gemaess obigen Regeln nicht einfach selbst vergeben, sondern muss sich um eine offizielle TCP/IP-Nummer bemuehen. Da die Zahl der moeglichen Kategorie-A-Netze sehr begrenzt ist, wird der Systembetreuer in der Regel eine Adressenkombination aus der B- und C-Klasse bekommen, falls eine einzige Klasse seinen Bedarf nicht deckt. Die Verwaltung dieser international gueltigen Adressen hat mittlerweile das Network Information Center (NIC), Teil der SRI International in Menlo Park, Kalifornien, uebernommen.