Kommunale Verwaltung: DV darf nicht zum Prestigeobjekt werden

07.12.1984

Auch wenn die Gemeinsamen Kommunalen Datenzentralen (GKD) derzeit vielerorts unter Beschuß geraten sind, spricht doch vieles dafür, in der öffentlichen Verwaltung mehrere Kommunen zusammenzuschließen. Eine für alle Rechenzentren passende Patentlösung gibt es allerdings nicht, meint Alfred Trageser von der AKDB in München. Dazu seien die Anforderungen einfach zu verschieden. Die Probleme bei kleineren Gemeinden und Grostadtverwaltungen ließen sich genausowenig über einen Kamm scheren wie die Situation in den einzelnen Bundesländern. Unter keinen Umständen dürfe die eigene DV jedoch zum Selbstzweck werden. Horst Zanker von der Gemeinsamen Kommunalen Datenzentrale Rhein-Sieg-Kreis: "Organisationshoheit kann nicht bedeuten, einen eigenen Computer im Haus zu haben - es sei denn, man braucht ein Prestigeobjekt zum Vorzeigen. " kul

Karl-Herbert Abel

Leiter des EDV-Amtes, Landkreis Harburg Winsen (Luhe)

Nachdem in den letzten Jahren die Frage der autonomen oder zentralen Datenverarbeitung in der Kommunalen Verwaltung mancherorts die Qualität eines "Glaubenskrieges" erreicht hatte ist in der letzten Zeit die Diskussion sehr viel objektiver und sachlicher geworden. In der vergangenen, oft emotionalen Auseinandersetzung wurde von Befürwortern und Gegnern beider Lager da, Gutachten der Kommunalen Gemeinschaftsstelle (KGSt) von 1979 zu Unrecht für ihre jeweiligen Zwecke mißbraucht. Und das obwohl die KGSt nur auf neue Möglichkeiten, die durch die technologische Entwicklung wirtschaftlich wurden, hingewiesen hat, ohne die bestehenden Organisationen generell in Frage zu stellen, noch die rein autonome Lösung zu favorisieren. Es ist der Verdienst der KGSt, daß überhaupt wieder Bewegung in die kommunale Datenverarbeitungslandschaft kam und neue Überlegungen angestellt wurden. Bei den zahlreichen, meist sehr theoretisch geführten Diskussionen blieben die Belange der Praxis oft unberücksichtigt. Folgende Gesichtspunkte spielen in der Kommunalverwaltung eine große Rolle:

- Forderung nach dialogorientierter Datenverarbeitung am Arbeitsplatz

- keine kostspieligen Abhängigkeiten von Hardwareherstellern oder Softwareanbietern

- keine zusätzliche Ebene als "Datenverarbeitungs-Sonderverwaltung"

- wirtschaftliche Lösungen

- Wunsch nach starker Einflußnahme auf Entwicklung der Software

- Verzicht auf eigenes Fachpersonal

- Verzicht auf umfangreiche technische Einrichtungen (beispielsweise Datensicherheit)

- Schwierigkeit, jederzeit auf dem aktuellen Stand der Entwicklung im Datenverarbeitungsbereich zu bleiben

- Abneigung als Antragsteller aufzutreten; vielmehr wird schnelle Erfüllung der Wünsche erwartet:

Die meisten kommunalen Datenzentralen können in ihrem bisherigen Zuschnitt diesen Forderungen nicht gerecht werden. Durch ihre Flächengröße (meist fünf oder mehr Landkreise) ist es ihnen nicht möglich, die Verarbeitungsleistung kostengünstig an die Arbeitsplätze ihrer Anwender bringen, da die Bundespost mit ihrer entfernungsabhängigen Gebührenpolitik im Standleitungsbereich solche Bemühungen sehr erschwert. Hinzu kommt durch die relativ große Zahl der Mitglieder, ein zeitraubender Abstimmungsvorgang und ein erhöhter Selbstverwaltungsaufwand, sodaß eine gewisse Schwerfälligkeit entsteht.

Auch die rein autonome Lösung kann der kommunalen Verwaltung nicht helfen, weil es keine "Knopfdruckmaschine" gibt, also geschultes Personal für die Datenverarabeitung beschäftigt werden muß. Die Einrichtung eines auch noch so kleinen Rechenzentrums ist erstaunlich kostspielig. Auch den Anschluß an die technologische Entwicklung zu halten ist - zumindest für kleinere Verwaltungseinheiten schwierig - aber unerläßlich. Versäumnisse rächen sich hier nach kurzer Zeit.

Zweifellos haben beide Lösungen große Vor- und Nachteile. Die Kombination beider Systeme zum Nutzen des Anwenders bietet sich hier an:

Es ist sinnvoll, den Einzugsbereich von Datenzentralen so zu gestalten (beispielsweise auf Kreisebene), daß wirtschaftliche Leitungsnetze entstehen können.

Wo dies nicht möglich ist können Datenzentralen nicht in jedem Fall an ihrem zentralen Produktionsbetrieb festhalten, sondern müssen sich zunehmend an die Rolle des Softwareproduzenten und des Beraters gewöhnen. Auf der anderen Seite ist es für die Anwender sinnvoll, gewisse Bereiche autonom zu gestalten. Dies sichert ein Stück Selbstverwaltung und ist, was geschlossene Aufgabengebiete angeht (zum Beispiel Haushalts- und Kassenwesen), auch vernünftig. Aufgaben die auch andere Ebenen tangieren (Einwohnermeldewesen) oder solche, die sehr änderungsbedürftig sind (Personalwesen) können sehr gut auch zentral erledigt werden. Kostenvergleiche beweisen dies.

In meinen Augen ist die ideale Form der kommunalen Datenverarbeitung ein abgestimmtes Zusammenspiel von autonomer und zentraler Lösung.

Die Zentrale müßte sich auf Landkreisebene befinden, um so wirtschaftliche Leitungsnetze für den Dialogbetrieb zu ermöglichen.

Die gemeindlichen Anwender können in diesem Konzept

- sofern sie Wert darauf legen

- ihre geschlossenen Anwendungen auf eigenen dialogorientierten Systemen bearbeiten. Daneben müßte eine Unterstützung durch die Zentrale gegebensein, was allerdings eine gewisse Einheitlichkeit von Hard- und Software in ihrem Bereich der Gemeinde hinausgehen oder einen hohen Änderungsaufwand erfordern, sollten in dieser gemischten Lösung zentral verarbeitet werden.

Trotz aller theoretischen Überlegungen wird auch hier die Praxis den Weg bestimmen und damit die Zukunft der kommunalen Datenverarbeitung beeinflussen. Ich hoffe, daß sie sich die Entscheidung nicht leichtmacht.

Horst Zanker

Abt.-Leiter Verfahrensentwicklung und Anwenderbetreuung, Gemeinsame Kommunale Datenzentrale Rhein-Sieg-Kreis/Oberberg. Kreis

In der jüngsten Vergangenheit geraten vielerorts Gemeinsame Kommunale Datenzentralen (GKD) in arge Bedrängnis: Datenzentralen lösen sich auf, andere stehen kurz davor, in vielen gibt es Richtungskämpfe um die Art der künftigen Zusammenarbeit. Und selbst dort, wo die Welt noch in Ordnung scheint, muß die GKD ständig Überzeugungsarbeit leisten, um ihre Mitglieder zusammenzuhalten, die von der Entwicklung in anderen Datenzentralen oder durch Publikationen kommunaler Spitzenverbände und anderer Stellen verunsichert sind.

Bedeutet die ausgebrochene Unruhe, daß das langsame Ende der GKDs eingeläutet wird? Ich bin davon überzeugt, daß das nicht so ist, weil es wieder alle Vernunft wäre. Die GKD wird auch in Zukunft weiter notwendig sein, wenn sich auch langfristig das Schwergewicht ihrer Aufgaben verlagern wird.

Für den Austritt aus der GKD werden hauptsächlich zwei Gründe aufgeführt: Wiedergewinn der gemeindlichen Organisationshoheit und Kostenvorteile gegenüber gemeinsamer DV. Beide Aussagen sind falsch und beruhen auf einer einseitig hardwareorientierten Betrachtungsweise; sie vernachlässigen den personellen Bereich.

Organisationshoheit kann doch nicht bedeuten, einen eigenen Computer im Haus zu haben es sei denn, man benötigt ein Prestigeobjekt zum Vorzeigen. Bei den heute auch in der GKD zunehmend anzutreffenden arbeitsplatzorientierten Dialogverfahren (in der hiesigen GKD für alle wesentlichen Bereiche eingeführt) ist es für den Sachbearbeiter gleichgültig, ob sein Terminal mit dem Computer im Hause oder - akzeptable Antwortzeiten vorausgesetzt - mit dem zentralen Rechner der GKD verbunden ist. Wenn damit auch noch die Möglichkeit zur eigenständigen Programmierung eröffnet wird, gibt es überhaupt keinen vernünftigen Grund für einen Computer im eigenen Haus.

Maßgebend für die Organisationshoheit ist doch der Einfluß auf die Gestaltung der automatisierten Arbeitsabläufe, und nicht die Verfügungsgewalt über einen Computer.

Im Rahmen der GKD ist der Einfluß in den verschiedensten Entscheidungsprozessen gewährleistet.

Die autarke Gemeinde kann die Softwareprobleme allein meistern. Sie ist auf den Hardwarelieferanten angewiesen und muß sich neue Partner suchen. Wenn schon die GKD mit ihrer größeren personellen Kapazität in vielen Bereichen Entwicklungsgemeinschaften angehört, gilt dies erst recht für die einzelne Gemeinde. Die notwendigen Kompromisse bei der gemeinschaftlichen Softwareentwicklung mit den neuen Partnern können dann empfindlicher treffen als die im Rahmen der GKD notwendige, Abstimmung zwischen Kommunen des gleichen Kreises.

Die Kosten steigen mit dem Grad der Selbständigkeit. Je mehr Unabhängigkeit die autarke Gemeinde vom Hersteller oder von Entwicklungsgemeinschaften erreichen will, um so mehr ist sie auf eigene Systemspezialisten und Anwendungsprogrammierer angewiesen. Der Personalaufwand steigt dann schnell in unvorhergesehene Größen.

Das wird mittlerweile auch von den Stellen gesehen, die in der Vergangenheit die Fahne der Autonomie hochgehalten haben. Die neue Devise lautet: autonome Hardwareentscheidung und die GKD als "kommunale Softwarezentale". Verschwiegen wird dabei allerdings, daß gemeinsame Softwareentwicklung und -pflege nur bei Software-kompatibler Hardware wirtschaftlich möglich ist und die gibt es heute - vom Mikro-Markt abgesehen - nur vom selben Hersteller.

Die Installation von dezentralen Rechnern in den Gemeinden kann im Rahmen eines Organisationskonzeptes für die GKD sinnvoll sein . Es sind verschiedene Abstufungen der verteilten Verarbeitung denkbar von der Vorverarbeitung und Datenerfassung über die autonome Bearbeitung von Teilgebieten einschließlich Textverarbeitung bis zur Auslagerung kompletter Sachgebiete. Wichtig ist für die Gemeinde, daß sie risikolos dabei Erfahrung sammeln, Mitarbeiter heranbinden und im Notfall immer auf die Datenzentrale zurückgreifen kann. In diesm Modell kann die KGD Software- und Beratungszentrum sein.

Überfordert ist die einzelne Gemeinde auch mit der Untersuchung und Einführung "Neuer Informationstechniken". Dieses weite Spektrum aus der Verbindung von Text- und Datenverarbeitung, Einsatz von Mikrocomputern, Teletext, Grafik, Sprachverarbeitung und nicht zuletzt Bildschirmtext kann nur in einer Gemeinschaft bewältigt werden, die für alle Beteiligten Marktuntersuchung, Einsatzvorbereitung, Beratung und Schulung leisten kann. Es ist naheliegend, diese Aufgabe der GKD zu übertragen.

Alfred Trageser

Leiter für Verkaufs- und Vertriebsförderung, Anstalt für Kommunale

Datenverarbeitung in Bayern (AKDB), München

Datentechnik und darüber hinaus sämtliche Technologien, die im Rahmen der Büroautomatisation und -kommunikation eingesetzt werden, sind kein Selbszweck, sondern Werkzeuge, um eine höhere "Produktivität" in der Kommunalverwaltung zu erreichen.

Diese "Produktivitätssteigerung" kann sich auf ein oder mehrere Unterziele beziehen:

- Steigerung der Leistungsfähigkeit der Kommunalverwaltung

- weniger Verwaltungsaufwand/geringere Kosten

- mehr Bürgerfreundlichkeit (beispielsweise mehr Service)

- mehr Benutzerfreundlichkeit (beispielsweise humane Arbeitsplatzgestaltung).

Dabei ist es durchaus möglich, daß es zu Zielkonflikten zwischen den einzelnen Unterzielen kommt, da zum Berspiel mehr Bürger- und Benutzerfreundlichkeit zu höheren Kosten führen können.

Ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt bei der Konzeption eines DV-Dienstleistungsangebot ist: Welche Infrastruktur hat der tatsächliche und mögliche Nutzerkries? Für die Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB) beantwortet sich diese Frage völlig anders als beispielsweise für ein kommunales Gebietsrechenzentrum in Nordreihn-Westfalen oder gar die DV-Abteilung einer Großstadtverwaltung.

Ferner spielt bei der Konzeption und Organisation zentraler und/oder dezentraler Datenverarbeitung das rechtliche Verhältnis der beteiligten Partner untereinander eine nicht zu unterschätzende Rolle: Läßt sich eine bestimmte Organisationsform der Datenverarbeitung rechtlich und tatsächlich gegenüber allen Beteiligten durchsetzen oder muß sich ein Konzept auf einem sich ständig wandelnden Markt in Konkurrenz zu anderen Produkten behaupten?

Schließlich darf nicht übersehen werden, daß vielfältigste automatisierbare Aufgaben in der "Kommunalverwaltung" zu erledigen sind, die aufgrund ihres Umfangs und ihrer Bedeutung im Einzelfall sinnvoller als Stapel- oder als Dialogverfahren zu organisieren sind. Dabei besteht die Alternative eben nicht, wie vielfach falsch argumentiert wird, entweder nur in einer zentralen Stapelverarbeitung oder in einer dezentralen Dialogverarbeitung, sondern in einer Mischform von zentraler Dialog- und Stapelverarbeitung und/oder dezentraler Dialog- und Stapelverarbeitung.

Diese Aussage bezieht sich in jedem Fall auf die Gesamtheit des Verfahrensangebots, kann sich aber auch auf bestimmte Verfahrensteile eines komplexen Einzelverfahrens beziehen.

Ein Beispiel:

In Bayern wird das Verfahren "landeseinheitliches Einwohnerwesen" im AKDB-Verbund in folgenden Alternativen angewendet:

- als zentrales Dialogverfahren, wobei im Stapelbetrieb Mitteilungsdienste und Massenauswertungen durchgeführt werden

- als zentrales Stapelverfahren mit zusätzlicher dezentraler Speicherung des Bestandes für folgende Dialogzwecke

- Direktänderung

- Einzelauswertungen.

Ein kommunales DV-Dienstleistungsunternehmen wie die AKDB, das etwa 4000 Kunden hat, keinen Anschlußzwang kennt und berechtigten Forderungen seiner Kunden von den kleinen Gemeinden über die Landkreise und größeren Städte bis hin zu kleinen und großen Krankenhäusern, Stadtwerken und den Bezirken und ihren Einrichtungen, gerecht werden will, muß notwendigerweise sein Verfahrensangebot so gestalten, da die vorher erwähnten, unterschiedlichen Betriebsformen durch die einzelnen Verwaltungen genutzt werden können. Das führte inzwischen dazu, daß alternativ mehrere Produkte für dasselbe Aufgabengebiet durch die AKDB vorgehalten werden (siehe Beispiel Einwohnerwesen). Dabei ermöglicht die eingesetzte Hardware innerhalb des AKDB-Verbundes eine reibungslose Nutzung unterschiedlicher Betriebsformen

- zentrale Stapelverarbeitung und Dialogabfrage zentraler Bestände

- teildezentrale Dialogverarbeitung

- dezentral/autonome Dialog- und Stapelverarbeitung.

Die Leitlinien der AKDB bei der Entwicklung neuer Produkte ist dabei: "Soviel dezentral wie möglich und so zentral wie nötig".

Es stellt sich demnach im AKDB-Verbund nicht die Alternative: "Entweder zentrale (Stapel-) oder dezentrale (Dialog-) Datenverarbeitung." Vielmehr entscheidet der Kunde selbst, ob er innerhalb des AKDB-Verbundes ausschließlich zentral, ausschließlich dezentral/autonom verarbeitet oder eine Mischform davon wählt.