Kommunale Datenverarbeitung: Wirtschaftlicher dezentral?\

16.06.1978

"Eine zentrale Datenerfassung und -verarbeitung im engsten Sinne sowie eine ausschließlich zentrale Ergebnisproduktion im Bereich der kommunalen Verwaltungsautomation ist heutzutage zum Scheitern verurteilt." Dieser Meinung von Jürgen Griebel, Geschäftsführer der Kommunalen Datenverarbeitungszentrale Borken/Steinfurth schließen sich auch die meisten seiner Kollegen einstimmig an. Der Trend zum "Distributed Processing" hat gerade in der kommunalen Verwaltung heftige Diskussionen ausgelöst, nicht zuletzt durch die Kritik der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGST), die "grundsätzliche Bedenken gegen die Gebietsrechenzentren bestehender Art" geltend macht. CW befragte vier Leiter von kommunalen Rechenzentren nach ihren Konzepten für die Zukunft. hö

Helmut Coenen

Geschäftsführer Kommunales Gebiets-Rechenzentrum Niederrhein, Moers

Die Frage nach Dezentralisierung stellt sich in letzter Zeit häufig. Nicht zuletzt wurde die Diskussion ausgelöst durch namhafte Personen und Institutionen, wie etwa durch die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KG-ST), die grundsätzliche Bedenken gegen die Gebietsrechenzentren bestehender Art geltend gemacht hat.

Ich bin der Meinung, daß der dort erkennbare Trend - hin zu noch mehr Rechenzentren - nicht realisierbar ist. Die Hardware- und insbesondere Softwarekosten würden dadurch noch mehr steigen.

Im Rahmen eines Datenfernverarbeitungsnetzes - in unserem Fall ein flächendeckendes Rechnernetz für unsere 42 Anwender - ist die Dezentralisierung realisierbar. Wir haben uns sehr intensiv mit diesen Fragen beschäftigt und sind zu dem Ergebnis gekommen, durch den Einsatz von Kommunikationssystemen künftig drei Verfahren zu verwirklichen:

- Eine dezentrale Dateneingabe für alle Aufgabengebiete, die entweder vom Arbeitsplatz des Sachbearbeiters aus erfolgt oder - abhängig von personellen und räumlichen Verhältnissen - an einer vom Anwender bestimmten Datenerfassungsstelle;

- des weiteren ist geplant, für bestimmte Aufgabengebiete ein Auskunftsverfahren einzurichten.

-Als drittes Verfahren soll eine Vorgangsverarbeitung, also ein Online-Update möglich werden.

Diese Verfahren sind von vornherein zu begrüßen, da dann die Verantwortung für die Dateneingabe, die ja bis heute noch bei uns, dem Kommunalen Rechenzentrum, liegt, wieder zurück an den Ursprungsort - nämlich zum Anwender - zurückverlagert wird.

Gefährlich wäre es jedoch, die Dezentralisierung weiter auszudehnen und jedem Anwender seine eigenen Datenbestände verwalten und ändern zu lassen. Denn dann sind diese Informationen für das Rechenzentrum wertlos, etwa bei Wahlen oder beim Anfertigen von Lohnsteuerkarten. Der nächste Schritt wäre dann nämlich, daß alle Anwender auch auf unser zentrales System zugreifen können mit der Konsequenz, daß wir unseren Betrieb stillegen müssen.

Einer Dezentralisierung ist nur dann zuzustimmen, wenn Ansprachen und Schnittstellen exaktdefiniert werden.

Jürgen Griebel

Geschäftsführer Kommunale Datenverarbeitungszentrale Borken/Steinfurth

Wir haben 43 Gebietskörperschaften, verteilt auf 3200 Quadratkilometer, mit

Datenverarbeitungsleistungen zu versorgen. Bedingt durch die Anzahl unserer Anwender und unter Berücksichtigung des verhältnismäßigen großen Gebietes ist eine zentrale Datenerfassung und -verarbeitung im engsten Sinne sowie eine ausschließlich zentrale Ergebnisproduktion in diesen Raum zum Scheitern verurteilt. Aus diesem Grunde haben wir vor etwa eineinhalb Jahren ein Konzept aufgebaut mit der Zielsetzung, die gesamte Datenerfassung zu dezentralisieren und - gleichzeitig durch die Auswahl geeigneter Systeme - zu verbessern. Das erreichen wir, indem wir unseren Anwender intelligente Datenerfassungssysteme zur Verfügung stellen, die parallel zur reinen Erfassung eine Datenprüfung vornehmen. Auf diese intelligenten DE-Systeme wollen wir zudem in manchen Fällen eine Datenvorverarbeitung auslagern und - bei ganz bestimmten Anwendungen - sogar eine von uns abgesetzte Aufgabenbearbeitung. Dieses Konzept wird - nach einer entsprechenden Ausschreibung für die Geräte - seit Beginn dieses Jahres bereits realisiert. Im Bereich der technischen Verwaltung werden bestimmte mathematische Berechnungen völlig isoliert vom zentralen Rechner durchgeführt. In diesen Anwendungsbereichen steht der Computer selbst am Arbeitsplatz.

Allerdings wird die mehr und mehr zunehmende Dezentralisierung nicht dazu führen, daß die angeschlossenen Gemeinden eine vollkommen eigenständige Verarbeitung anstreben und damit eine koordinierte Verwaltungsautomation unmöglich wird. Ich bin der Ansicht, daß qualifiziertes Personal und sehr spezialisiertes Wissen im Rechenzentrum eine zentrale Organisation und Steuerung der dezentralen Verarbeitung auch weiterhin erfordern. Eine noch etwas weitergehende Dezentralisierungsmöglichkeit sollte man jedoch nicht aus den Augen lassen: Der Einsatz von Subsystemen im Sinne des IBM-3790-Konzeptes. Allerdings wären hierfür Standleitungsnetze erforderlich, die ich derzeit für den automatisierten Verwaltungsvollzug nicht für wirtschaftlich halte.

Klaus Meyer

Geschäftsführer des Kommunalen Rechenzentrums Minden-Ravensberg/Lippe, Lemgo

Bereits Ende der sechziger Jahre begann der Einsatz der Datenverarbeitung bei den Kommunalverwaltungen. Sowohl bei Großstadt- als auch bei Gebietsrechenzentren ist man vielerorts mittlerweile bei der Installation von Großrechenanlagen angelangt. Parallel dazu wurden natürlich entsprechende Programmkonzeptionen entwickelt. Die bis heute vorliegenden Erfahrungen bestätigen, daß dieser Weg für eine Vielzahl von Anwendungsgebieten richtig war und bleiben wird. Infolge ständiger technischer Verbesserung bei gleichzeitigem Hardware-Preisverfall konnten und können den Anwendern beim Einschluß an das kommunale Rechenzentrum Minden/Ravensberg/Lippe in Lemgo wesentlich günstigere Konditionen geboten werden. Mit dem Einsatz intelligenter Terminals sowie der Datenfernübertragung ist eine deutlich höhere Effizienz der Datenerfassung und -ausgabe gegeben. Das kommunale Rechenzentrum Lemgo sieht die heute technisch und wirtschaftlich gebotenen Möglichkeiten nicht als Widerspruch zum bisher eingeschlagenen Weg, sondern vielmehr als sinnvolle Ergänzung zur Rechnerkapazität in der Datenverarbeitungszentrale. Wir können mit der beim Anwender verfügbaren Intelligenz vor Ort Kapazität für Aufgaben gewinnen, für die eine zentrale Verarbeitung aus verschiedenen Gründen zumindest vorläufig nicht in Betracht kommt. Ich halte es jedoch aus sachlichen Gründen sowie unter Berücksichtigung des ADV-Organisationsgesetzes NW für unbedingt erforderlich, daß auch die beim Anwender eingesetzten Verfahren gemeinsam von den Anwendern und der Datenverarbeitungszentrale konzipiert und realisiert werden.

Dieter Renford

Geschäftsführer Kommunale Datenverarbeitungszentrale Hellwig/Sauerland, Iserlohn

Bereits seit einigen Jahren haben wir die Datenerfassung dezentralisiert. Unsere Anwender sind mit Datenstationen ausgestattet, die über Wählleitung mit unserem Rechner verbunden sind. Ebenfalls dezentralisiert wurden bestimmte Teile der Datenausgabe, etwa im Kassen-, Personal- und Sozialwesen.

Unser Ziel ist nun, Anfang der 80er Jahre das Auskunftsverfahren zu realisieren. Für Ende der 80er Jahre planen wir eine Art "individuelle Datenverarbeitung" für unsere Anwender, bei der ad hoc zu Planungszwecken aus bestimmten Dateien Informationen gewonnen werden können, ohne daß hierbei das zentrale Rechenzentrum tätig wird.

Ab 1982 denken wir an die Implementierung von Subsystemen: Zunächst Auslagerung der Datenerfassung und Benutzung des Subsystems als "Durchschaukelmaschine" für Auskunftsverfahren und Online-Verarbeitung. Hierbei ist allerdings noch offen, inwieweit bestimmte Datenbestände auf die vor Ort installierten Subsysteme ausgelagert werden können. Bei der Realisierung unserer Pläne muß jedoch gewährleistet sein, daß auch für die unterschiedlichsten Verarbeitungsformen die gleiche Hardware eingesetzt werden kann.

Zu erwähnen bleibt noch, daß wir bereits seit dem vorigen Jahr unseren größten Anwender, die Stadt Iserlohn, über Standleitung mit Bildschirmen ausgestattet haben, die direkt mit unserem Großrechner verbunden sind. Ab 1. Januar 1979 folgen weitere Städte und Gemeinden sowie teilweise auch die Stadtwerke und Krankenhäuser. Es ist allerdings unmöglich, den gesamten Einzugsbereich der KDVZ mit einer reinen Bildschirmlösung zu bedienen, dazu reicht die Rechner-Kapazität nicht aus. Wenn wir jedoch Subsysteme dezentral einsetzen und nur unser Datenerfassungsgeschäft darüber abwickeln würden, so halten wir diese Transaktionen von unserem Großrechner fern. In diesem Fall wäre unser Rechner tagsüber um mindestens 50 Prozent der Transaktionen reduziert, und wir können das Auskunftsverfahren sowie das Online-Update darüber laufen lassen.