Kolumne/Nachlaßverwalter der eigenen Basis

02.08.1996

Es hätte schlimmer kommen können. Diesen Satz nahmen sich offenbar die New Yorker Börsianer zu Herzen, als sie das Quartalsergebnis der IBM (siehe Seite 3) trotz eines Gewinneinbruchs von 400 Millionen Dollar bei bescheidenem Umsatzzuwachs feierten. Geschicktem Timing und einer - von Atlanta einmal abgesehen - glänzenden Öffentlichkeitsarbeit haben die Armonker diese Reaktion zu verdanken. Die Resultate veröffentlichte IBM erst, nachdem Motorola und Hewlett-Packard mit ihren Zahlen Ernüchterung hervorgerufen hatten. Sonst hätte vermutlich das IBM-Ergebnis die Kurse der Technologiewerte in den Keller geschickt, nicht die HP-Warnungen vor Umsatzverlust im dritten Quartal.

Freuen dürfen sich die Armonker über das zweite Quartal nicht. Sie sind noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen. Das Argument, kurzfristige Effekte wie Währungsschwankungen und Preisverfall bei Speicherbausteinen hätten das Ergebnis negativ beeinflußt, schluckte die Finanzgemeinde, ohne nach weiteren Ursachen zu fahnden. Dabei schlägt sich die IBM immer noch mit dem sattsam bekannten Problem herum, die erodierenden Einnahmen im Mainframe-Geschäft durch neue Produkte aufzufangen. Die wachsenden Umsätze mit AS/400- und RS/6000-Systemen sowie die "solide Leistung" im PC-Bereich reichen dafür offenbar nicht aus, schließlich sind die Hardwareverkäufe der Armonker im zweiten Quartal um ein Prozent gesunken. Selbst die gestiegenen Serviceeinnahmen stützen eher die These, daß die IBM noch zu stark im Mainframe-Geschäft verhaftet ist. Schließlich geben geschickte Anwender ihre Altlasten inzwischen per Outsourcing an die IBM zurück - auch um sich neuen DV-Technologien widmen zu können.

IBM-Chef Louis Gerstner sieht die langfristige Strategie durch "viele Anzeichen" bestätigt, auch weil sich die traditionellen Geschäftsfelder weiterhin "neu erfinden" (O-Ton: re-invent themselves). Ob das allerdings für die Zukunft reicht, ist fraglich. Schließlich könnte diese Strategie - wie das Outsourcing-Beispiel zeigt - die IBM zum Nachlaßverwalter ihrer eigenen installierten Basis machen.