Know-how made in Germany zählt zum Weltbesten

04.01.1985

Die Debatte über Schwachstellen der deutschen Wirtschaft ist sicherlich sinnvoll und berechtigt. Wir sollten uns aber nicht durch Modestimmungen zu übereilten Schritten hinreißen lassen. In der Förderung sogenannter zukunftsträchtiger Industrien scheint manchem der alleinige Schlüssel zur Lösung sämtlicher wirtschaftlicher Probleme zu liegen. Ich halte diese Tendenz - die ja keineswegs nur bei uns besteht - für ausgesprochen bedenklich.

Im übrigen sollte man sich davor hüten, die mit High-tech verbundenen Chancen überzubewerten. Ein Blick in die USA, die uns in diese Hinsicht bekanntlich um einiges voraus sind, wirkt da durchaus ernüchternd. Was etwa die Schaffung neuer Arbeitsplätze betrifft, so waren die USA in den letzten 10 bis 15 Jahren ausgesprochen erfolgreich. Von den rund 30 Millionen Arbeitsplätzen, die seit Anfang der 70er Jahre neu entstanden, entfiel aber höchstens ein Sechstel auf sogenannte Hightech-Unternehmen.

High-tech mag zwar die Phantasie mehr beflügeln - doch ohne die anderen Bereiche können wir für das tägliche Brot nicht sorgen. Diese Erkenntnis sollte die übersteigerten Erwartungen, die bei uns zur Zeit auf Technologieorientierte Unternehmensgründungen jeglicher Art gesetzt werden, etwas dämpfen.

Damit man mich nicht falsch versteht: Wir brauchen dringend mehr Neugründungen. Nur sollten wir uns hüten vor einer einseitigen Glorifizierung der Technologie-orientierten Neugründungen. Innovationen beschränken sich nicht auf völlig neue Produkte; sie sind in jedem Bereich von Wirtschaft und Industrie die Quelle des Fortschritts.

Der Unternehmenserfolg bleibt trotz aller Innovationen aus, wenn die nationalen und internationalen Rahmenbedingungen nicht für ein entsprechendes Umfeld sorgen.

Nur in einem geeigneten Umfeld können Unternehmenserfolge erzielt werden, nur so kann die dringend erwünschte und auch dringend erforderliche Kraft zur Anpassung unserer Wirtschaft gestärkt werden - das gilt für bestehende wie für neu zu gründende Unternehmen. Unternehmertum sollte daher generell wieder stärker ermutigt werden.

Was heißt das nun konkret für unsere Wirtschaft? Was bedeutet es, "innovativ" zu sein? Was braucht man dazu?

Erstens braucht man eine Erfindung, eine Idee für ein marktfähiges Produkt. Zweitens braucht man unternehmerische Risikofreude, und drittens braucht man entsprechende Rahmenbedingungen.

Erstens: Wie stellt es bei uns mit den Erfindungen? Kurz gesagt: gut. Sämtliche Untersuchungen über Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik zeigen, daß es an Ergebnissen in der Grundlagenforschung keineswegs mangelt. In diesem Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, daß der erste Mikroprozessor nicht in Yokohama, sondern in Braunschweig hergestellt wurde, und daß die patente für Videorecorder und Bildplatte bei Telefunken lagen.

Schwieriger wird es aber offensichtlich dann im nächsten Schritt - nämlich der Umsetzung dieser Erfindung in marktgängige Produkte. So stammen heute in der Unterhaltungselektronik 93 Prozent aller mikroelektronischen Bauelemente aus den USA oder Japan. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen, die weitgehend im Bereich des Marketing liegen.

Ein weiterer Grund für fehlende, Umsetzung ist ein gewisser Mangel an Risikofreude - womit ich zum zweiten Punkt komme.

Während die unternehmerischen Risiken aufgrund des rasanten Tempos der technischen Entwicklung tendenziell wachsen, ist gleichzeitig der Mut zum Risiko generell gesunken, vielleicht weil Risikobereitschaft oft nicht mehr ausreichend honoriert wird.

International hat diese Absicherungsmentalität zu einem Anwachsen des Protektionismus geführt, der unsere Weltwirtschaft ernsthaft gefährdet. Der vermeintliche Schutz nationaler Wirtschaftszweige führt zwangsläufig zu entsprechenden Gegenreaktionen und damit zu einer Beeinträchtigung des Welthandels, die auch auf das schutzsuchende Land zurückschlägt. Nur am Rande sei dabei bemerkt, daß die beabsichtigte Sicherung nationaler Arbeitsplätze dadurch letztlich die gegenteilige Wirkung erzielt. Jedenfalls beeinträchtigen Subventionen eine innovative Entwicklung, die neue Arbeitsplätze schaffen kann.

Damit, komme ich zu meinem dritten Punkt: Innovatives Verhalten setzt entsprechende Rahmenbedingungen voraus. Dabei handelt es sich zwar nicht nur, aber doch in erster Linie um rechtliche Rahmenbedingungen. Ich will es mir hier versagen, näher auf wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen einzugehen, die seit langem in der öffentlichen Diskussion stehen: Ich meine vor allem Steuerfragen und die Tatsache, daß unsere Wirtschaft sowohl in der Ertragsbesteuerung als auch vor allem bei den gewinnunabhängigen Steuern international stark benachteiligt ist. Aber ich möchte unterstreichen, daß jede nationale Gesetzgebung sich international orientieren, also sicherstellen muß, daß die Wirtschaft des eigenen Landes keine nachhaltigen Wettbewerbsnachteile erleidet. Das scheint mir bei der zunehmenden internationalen Verflechtung, in der wir leben, besonders wichtig zu sein.

Auszug aus einer Rede bei der Hanns-Martin-Schleyer-Stiftung, Berlin.