Kleiner, einfacher, teurer

30.11.2004
Das Konzept der Blade-Server hat zwar für großes Aufsehen gesorgt. Doch im Rechenzentrum ziehen die kompakten Systeme nur langsam ein. Die Nachfrage bleibt verhalten.

Die Bausteine der IT werden immer kleiner. Seit es diese Technik gibt, arbeiten die Entwickler daran, mehr Leistung in immer kompaktere Formen zu gießen. Füllten die ersten Rechenanlagen noch ganze Zimmer, können aktuelle Server - je nach Bauart - von wenigen Menschen bewegt werden. Erst mit den heute üblichen Rackmount- und Deskside-Systemen sind die Server-Dichten möglich, die in der Zeit digitaler Geschäftsprozesse notwendig sind. Denn mit der immer umfassenderen IT-Nutzung muss auch immer mehr Rechenleistung zur Verfügung stehen.

In der Hype-Phase des Dotcom-Booms waren es besonders die Rackmount-Maschinen, die die akut werdende Platznot im Rechenzentrum beheben konnten: Eine Standardbreite von 19 Zoll machte es möglich, die Server verschiedener Hersteller in einen Schrank zu montieren. Und da viele Produkte darin nur eine Höheneinheit (rund 44 Millimeter) belegten, konnten viele Server auf kleinstem Raum konsolidiert werden. Diese Bauform ist heute noch der Standard. Vor allem die Edge-Server, die zum Beispiel als Firewall dienen, oder Anwendungs-Server entsprechen diesem Formfaktor.

Revolutionäres Konzept

Der nächste Schritt auf dem Weg zu kleineren Servern erfolgte vor rund drei Jahren: Mit den Blade-Servern wurde ein revolutionäres Konzept vorgestellt, bei dem kleine Commodity-Server auf Basis preiswerter x86-Prozessoren wie Steckkarten in ein gemeinsames Rack montiert werden. Die Vorteile, die die Hersteller dabei den Kunden in Aussicht stellen, sind geringerer Platzbedarf, einfachere Administration und niedrigerer Energieverbrauch - und damit auch weniger Abwärme. Die gesamten Betriebskosten (Total Cost of Ownership) sollen deutlich unter denen herkömmlicher Intel-basierender Server liegen. Blades eignen sich für alle Einsatzgebiete, in denen viele dedizierte Server benötigt werden - zum Beispiel bei Web-Hosting-Anbietern - und für den Aufbau von Clustern und Grids.

Höhere Preise

Die kompakte Bauweise spiegelt sich jedoch auch im Preis der Blades wieder. Sie sind deutlich teurer als vergleichbare herkömmliche Server: Die Marktforscher von Gartner stellen in einer Studie vom Mai dieses Jahres fest, dass 2003 ein durchschnittlicher Blade-Server 3224 Dollar gekostet habe, ein durchschnittlicher Rackmount-Server mit einer Höheneinheit dagegen nur 2899 Dollar. Zudem existieren keine Standards für diese Technologie. Anwender, die sich zum Beispiel für IBM als Lieferanten entscheiden, können auch nur IBM-Blades in das zugehörige Chassis installieren. Zudem benötigen sie die Management-Lösung desselben Anbieters, um alle Funktionen sinnvoll nutzen zu können. Will ein Unternehmen also den Anbieter wechseln, drohen hohe Investitionen.

Die Basishardware kann nur bei wenigen Anbietern als Unterscheidungsmerkmal herhalten.

Die meisten Hersteller haben sich auf Intel-Prozessoren eingeschossen. Pentium III und Xeon dominieren das Feld. Versuche, Blades auf Basis von stromsparenden Transmeta-CPUs am Markt zu etablieren, nahmen die Kunden nicht an. Auch AMD-Prozessoren werden nur sehr vereinzelt eingesetzt. Ganz ähnlich ist es um 64-Bit-Computing bestellt: Nur IBM und Sun haben 64-Bit-Blades mit den jeweils hauseigenen Risc-Prozessoren im Programm. Und auch Intels 64-Bit-Gegenpart Itanium findet sich in der Roadmap nur weniger Hersteller.

Obwohl das Blade-Konzept von kleinen, jungen Hardwareschmieden stammt, haben inzwischen die Branchengrößen den Markt in der Hand. Von den Blade-Pionieren der ersten Stunden sind nur die Firmen Egenera und RLX übrig geblieben. RLX konnte laut Gartner im vergangenen Jahr einen Marktanteil von knapp über einem Prozent nach Stückzahlen für sich reklamieren, Egenera spielt eine untergeordnete Rolle. Laut Gartner ist der dickste Fisch im Teich Hewlett-Packard mit 39 Prozent Marktanteil im Jahr 2003. IBM folgt mit über 31 Prozent auf dem zweiten Platz. Und auch Dell mischte 2003 in diesem Markt gut mit: 13 Prozent aller Blades stammten von den Texanern.

Dell meldet sich zurück

Wer in den vergangenen Monaten allerdings Dell-Blades kaufen wollte, konnte lange suchen. Der Hersteller hatte die Rechner von seiner Website verbannt. Die Suche nach dem "Poweredge 1655 MC" bringt keine Ergebnisse, das Produkt ist sang- und klanglos verschwunden. Erst Mitte November dieses Jahres haben sich die Texaner zurückgemeldet und mit dem "Poweredge 1855" ein neues Modell vorgelegt.

Betrachtet man die Marktanteile nach Umsatz, ergibt sich ein leicht anderes Bild: Hier führt laut Gartner Dataquest HP mit über 50 Prozent, IBM kommt auf 20 Prozent. Platz drei nimmt Sun Microsystems mit einem Zehntel ein, Dell folgt dicht dahinter. Viel zu verteilen gab es indes nicht. Die rund 170000 Blades, die laut Gartner im vergangenen Jahr über den Tisch gingen, ergaben einen weltweiten Gesamtumsatz von gerade einmal 545 Millionen Dollar. Für das laufende Jahr erwarten die Gartner-Auguren fast 340000 verkaufte Einheiten und einen Gesamtumsatz von über einer Milliarde Dollar.

Blades haben sich nicht so in den Rechenzentren etabliert, wie es manche Experten noch vor einem Jahr erwartet hatten. Einige Marktforscher prognostizieren den schlanken Servern dennoch eine rosige Zukunft. So erwartet zum Beispiel IDC laut einer Vorhersage vom Juni dieses Jahres, dass der Blade-Anteil am Server-Markt bis 2008 auf fast 29 Prozent steigen werde.

Verhaltene Prognose

Deutlich zurückhaltender ist Gartner: Hier prognostizieren die Analysten einen Anteil von knapp 16 Prozent bis 2008. Und laut einer Umfrage von Forrester Research, bei der 129 IT-Entscheider in Nordamerika befragt wurden, besitzen 44 Prozent aller Unternehmen bereits Blade-Server. Forrester empfiehlt den Anwendern, Blade-Server als Designbasis für künftige Server-Farmen und Cluster heranzuziehen.

Etwas skeptischer zeigt sich die Meta Group. Acht bis zehn Prozent Anteil am Server-Markt haben die Blades laut Phil Dawson, Analyst des Marktforschungsunternehmens. Die Gründe für die noch schwache Nachfrage sieht er vor allem in der allgemein kompakter werdenden Technik: "Das Platzproblem ist heute kein großes Thema mehr, die Rechenleistung der Server benötigt immer weniger Raum." Zudem kritisiert er die hohen Anschaffungskosten. "Gegenüber herkömmlichen Intel-basierenden Servern sind Blades rund 20 Prozent teurer", so der Analyst. Die drei Vorteile der Blade-Architektur sind aus Dawsons Sicht nicht so gravierend, wie man vor gut einem Jahr noch dachte: Die gute Administrierbarkeit zum Beispiel sei auch mit herkömmlichen Servern zu erzielen.

Nachteile

Die Nachteile der Blade-Architekturen - Beschaffungskosten, Bindung an die Management-Software eines Herstellers und fehlende Standards - sind aus Sicht des Meta-Group-Analysten nicht zu unterschätzen. Sein Rat: "Nehmen Sie die Prinzipien der Blades und nutzen Sie diese mit normalen Servern." (wh)