Klassenkrampf

09.05.1986

Nichts ist dehnbarer als ein DV-Begriff von gestern. Der Arbeitskreis "Anwendungen im Bereich Marketinginformationssysteme für den EDV-Vertrieb" (welch ein Bandwurmtitel!) kennt das Problem.

Schaut man sich an, was das Würzburger Uni-Team unter Professor Rainer Thome als Katalog für die Klassifizierung von Computersystemen herausgebracht hat (CW Nr. 18 vom 2. Mai 1986, Seite 1), muß man sich indes fragen: Woher der Eifer? Sind die Informatiker etwa entschlossen, die DV-Industrie und die Marktforschung Mores zu lehren?

Gewiß, der Definitionsbedarf im Computermarkt ist hoch. Schlagworte, die nur verschwommen sind - wir denken da an Personal Computer", "Supercomputer" und "Expertensystem" -, haben Karriere gemacht. Der schicke transatlantische Jargon ist gefragt in bundesdeutschen DV-Spezialistenkreisen. Dagegen scheint kein Kraut gewachsen.

Daß etwa die potentiellen Benutzer, die Endanwender also, mit dem PC-Begriff nichts anzufangen wissen, steht auf einem anderen Blatt. Mit diesem Problem müssen sich diejenigen Hersteller herumschlagen, die den terminus mysticus importiert haben.

Wohl aber sollte man sich Gedanken machen, wie das Rechnerangebot sinnvoll klassifiziert werden kann. Es geht um Vergleichbarkeit, mit der Branchenbeobachter, Berater, Marktforscher und die Hersteller selbst leben können.

Doch fragen wir die Leute aus dem Arbeitskreis: Wollt ihr uns ein Wort-Ungetüm wie "Very Small Computers - Low End Systems", kurz: VSC-L, wirklich zumuten? Und ist das Klassifizierungsmerkmal "Multi- User-/Single-User-Fähigkeit" im Sinne des Erfinders?

Etliche Mikroanbieter, darunter Apple, Commodore und Compaq, sind dem Projekt ferngeblieben, ebenso die Marktforschungsgesellschaften Diebold und IDC - auch eine Antwort.