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EU-Pläne in der Kritik

EU will Whatsapp & Co. kontrollieren

12.05.2022
Von 
Beate Wöhe leitete als Director Experts Network das IDG Experten-Netzwerk für alle Online-Portale der IDG Tech Media GmbH. Sie hatte diese Position nach über zehnjähriger Tätigkeit als Redakteurin und leitende Redakteurin des IDG-Titels ChannelPartner im Juli 2014 übernommen. 
Die EU-Kommission will die Betreiber von Social-Media-Plattformen und Messenger-Diensten verpflichten, zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch eine Chatkontrolle einzuführen. Datenschützer laufen Sturm.
Die EU-Kommission will Kindesmissbrauch im Internet stärker bekämpfen. Die Pläne zur Chatkontrolle werfen allerdings die Frage der Verhältnismäßigkeit auf.
Die EU-Kommission will Kindesmissbrauch im Internet stärker bekämpfen. Die Pläne zur Chatkontrolle werfen allerdings die Frage der Verhältnismäßigkeit auf.
Foto: SB Arts Media - shutterstock.com

Mindestens eines von fünf Kindern wird Opfer sexueller Gewalt, mehr als einer von drei Befragten wurde in seiner Kindheit aufgefordert, sexuelle Handlungen im Internet auszuführen und über die Hälfte hat im Internet sexuellen Kindesmissbrauch erfahren.

Diese Zahlen gehen aus Studien hervor und stehen gleich am Anfang eines 134-seitigen Entwurfs der EU-Kommission zur Festlegung von Vorschriften zur Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern. "Es ist klar, dass die EU noch immer nicht in der Lage ist, Kinder davor zu schützen, Opfer von sexuellem Missbrauch zu werden und dass das Internet dabei eine große Herausforderung darstellt", lautet eine der Begründungen der EU für die Einführung der umstrittenen Chatkontrolle. Ylva Johansson, Kommissarin für Inneres in der EU-Kommission, spricht von 85 Millionen einschlägigen Bildern und Videos, die von Internetunternehmen im Jahr 2021 gemeldet worden seien.

Messenger-Dienste sollen Kommunikation durchleuchten

Facebook, Google & Co. haben bisher in einer freiwilligen Selbsverpflichtung die Privatnachrichten ihrer Nutzer nach Missbrauchsdarstellungen durchsucht und im Verdachtsfall an das NCMEC zur Prüfung gegeben. Das Zentrum leitete bestätigte Fälle an die zuständigen Strafermittlungsbehörden weiter. Eine durchgängige klare Verpflichtung für die Plattform- und Netzwerkbetreiber gab es bislang nicht.

Um an die Verbreiter von strafrechtlich relevanten Inhalten im Netz heranzukommen, will die EU nun stärker durchgreifen. Die Plattformbetreiber sollen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln und künstlicher Intelligenz die Kommunikation ihrer Mitglieder überwachen und Verdachtsfälle an eine neu geschaffene EU-Behörde melden. Als nächsten Schritt soll diese neue Behörde die gemeldeten Inhalte - sofern strafrechtlich relevant - an die entsprechenden nationalen Behörden zur weiteren Verfolgung weiterleiten.

Kritikern geht die Überwachung zu weit

Was sich auf der einen Seite nach einer sinnvollen EU-Initiative anhört, stößt bei Datenschützern und Bürgerrechtlern auf heftige Kritik. Moniert wird die "anlasslose Überwachung von Chat-Unterhaltungen". Der Bürgerrechtler und Europaabgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer spricht gar von "Folterwerkzeugen":

Sogar der deutsche Kinderschutzbund sieht den EU-Vorstoß kritisch. Grundsätzlich begrüßt er die Pläne, hält sie allerdings in der momentanen Lage für übertrieben. "Verschlüsselte Kommunikation spielt bei der Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen kaum eine Rolle. Wir halten deshalb anlassloses Scans von verschlüsselter Kommunikation für unverhältnismäßig und nicht zielführend", sagte Joachim Türk, Mitglied des Bundesvorstandes des Kinderschutzbundes gegenüber der Nachrichtenagentur DPA. Der Großteil der Darstellungen werde über Plattformen und Foren geteilt.