"Kienzle schlüpft unter Kapitaldecke" hieß es lapidar auf Seite 1 der COMPUTERWOCHE vom 27. Februar 1981. Vor zwei Jahren waren es Nixdorf und Triumph-Adler, die ähnliche Schlagzeilen machten, wobei es den Paderbornern noch gelang, den Fremdeinfluß in G

06.03.1981

"Kienzle schlüpft unter Kapitaldecke" hieß es lapidar auf Seite 1 der COMPUTERWOCHE vom 27. Februar 1981. Vor zwei Jahren waren es Nixdorf und Triumph-Adler, die ähnliche Schlagzeilen machten, wobei es den Paderbornern noch gelang, den Fremdeinfluß in Grenzen zu halten.

Die Brautwerber Deutsche Bank, VW und Mannesmann ließen sich bei ihren Beteiligungsgesprächen nach offizieller Lesart jeweils von Diversifikationsgelüsten leiten. Und jeweils kommentierten die betroffenen Computerbauer die Anlage-Begehren der Outsider sinngemäß mit dem Spruch: "Uns kann's nur recht sein, weil wir jetzt unsere Position auf dem Datenverarbeitungssektor ausbauen können."

In der Tat ist es für den Beobachter des Computermarktes relativ uninteressant, ob nun ein "kleiner" deutscher Stahlkonzern 49 oder 51 Prozent Anteile an einem Schwarzwälder Bürocomputer- und Fahrtenschreiber-Hersteller hält.

Viel wichtiger ist, ob dieser heute leistungsfähige Kleincomputer liefert und auch morgen wettbewerbsfähige Kompaktrechner wird anbieten können. Mit anderen Worten: Es geht um Machtpolitik, im engeren Sinne um Marktpolitik im Erstanwenderbereich.

Nicht von ungefähr waren auf Interessentenseite keine großen Namen im Spiel, als kleinere und mittlere Anbieter der "Mittleren Datentechnik" - sprich "MDT" - auf der Kippe standen. Branchenzwerge wie Hohner, Ruf, Compudata, Wagner oder Walther hielten dem Wettbewerbsdruck nicht stand - daß sie heute teilweise unter neuer Flagge weiterwerkeln, macht die MDT-Misere nicht kleiner.

Mit ihnen starb auch eine Idee: den DV-untrainierten und also hilflosen Einsteiger "rundum" zu betreuen. Ein Trugschluß war, zu glauben, am Erstanwender ginge die hardware- und softwaretechnische Entwicklung vorbei, nach dem Motto: Wer keine Fragen stellt, genießt bei uns als MDT-Kunde das größte Ansehen. Das konnte nicht gut gehen.

Den ersten Warnschuß feuerte Anfang der siebziger Jahre MAI ab. Der US-Hersteller setzte auf die "einfache" Programmiersprache "Business Basic" und ging von der Philosophie des "Alles-aus-einer-Hand" ab. Das heißt: Hardware und Anwendungssoftware wurden nicht mehr zusammen als Komplettlösung angeboten. Ergebnis: Gegenüber der "Mittleren Datentechnik" wurden Preisdifferenzen sichtbar. Noch bedeutete dies keine ernsthafte Gefahr für die etablierten MDT-Hersteller, denn mit der Selbstprogrammierung der Anwender in Basic klappte es anfangs nicht.

Die Gefahr kam aus einer ganz anderen Ecke. Zunächst von den Universalrechner-Anbietern, die mit ihren komfortablen Platten-Betriebssystemen etwa ab 1974 auch abgemagerte Sparversionen unterstützten. Diese Entwicklung wurde von den "mittleren Datentechnikern" regelrecht verschlafen. So hielt beispielsweise Kienzle noch am Magnetkonto fest, als Floppies und Harddisks an Bürocomputern längst gang und gäbe waren. Vor einem vorzeitigen Ableben schützte indes der Preisschirm der Mainframer.

Haarig wurde es erst, als 1975 die ersten Mikrocomputer mit sensationell niedrigen Preisen auf den Markt kamen. Dabei taten sich Lücken in der Technologie auf, die nicht mehr in Monaten zu messen waren.

Zwar gelang es den MDT-Produzenten eine Zeit lang noch, das "Radar" der Personal Computer-Anbieter dank ihrer Software-Überlegenheit zu unterfliegen, doch nun haben die Apple, Tandy, Commodore & Co. auch auf der Anwendungsseite gleichgezogen. Der Kreis schließt sich: Mit der MDT-Herrlichkeit ist es vorbei - ein für alle Mal.