Keine Augenschäden durch Bildschirmarbeit

03.04.1978

Nach neuesten Schätzungen des Bundesministeriums für Arbeit arbeiten in der Bundesrepublik Deutschland etwa 40 000 Menschen an Bildschirmgeräten. Zur Zeit wird eine - nicht immer leidenschaftsfreie - Diskussion über die Frage geführt, ob die Arbeit am Bildschirm für den Menschen zu psychischer Überbeanspruchung oder gar zu Gesundheitsschäden, insbesondere zu Augenschäden, führen kann. Vorläufiges Fazit: Bildschirmarbeit führt nicht ursächlich zu Augenschäden, wenn bestimmte Grundsätze der Informationsdarstellung auf dem Schirm beachtet werden.

Psychische Überbeanspruchung kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, wenn bei der Arbeitsorganisation, bei der Gestaltung des Sichtgerätes und der Tastatur, des gesamten Arbeitsplatzes und der Umgebungsbedingungen bestimmte ergonomische Grundsätze und Empfehlungen beachtet werden. Soweit Sehschwierigkeiten im Zusammenhang mit der Bildschirmarbeit auftreten, läßt sich nahezu immer nachweisen, daß nicht die Bildschirmarbeit zu Augenschäden geführt hat, sondern daß nur bereits vorhandene, nicht korrigierte Sehfehler bei der Bildschirmarbeit besonders deutlich bemerkbar wurden. Durch eine richtig angepaßte Sehhilfe lassen sich die Probleme beim einzelnen Mitarbeiter fast immer völlig lösen.

Beschwerden durch Kopfschmerzen, Schmerzen im Nacken- und Rückenbereich sowie durch Schmerzen in der Unterarmmuskulatur, die nicht selten im Zusammenhang mit der Arbeit am Bildschirm geäußert werden, gehen meist auf ungünstige Arbeitsplatzabmessungen, ungünstige Aufstellung des Gerätes im Sehfeld und auf unzweckmäßige Büromöbel zurück.

Bildschirmgerät, Tastatur, Arbeitstisch und Arbeitsstuhl sollten deshalb als zusammengehörige Einheit gesehen und in Abstimmung aufeinander bei der Einrichtung des Bildschirmarbeitsplatzes beschafft werden. Von einigen Computerherstellern werden schon heute in Zusammenarbeit mit der Büromöbelindustrie spezielle Lösungen mit höhenverstellbaren Tischen und physiologisch angepaßten Stühlen, reflexionsfreieren Oberflächen im Sehfeld und praktischen, funktionell günstigen Ablageflächen angeboten. Auch möglichst flache Tastaturen bei welchen zwischenzeitlich auch die Auflage der Handballen zur Vermeidung von Muskelermüdung möglich ist, tragen wesentlich zur Vermeidung von Zwangshaltungen bei der Arbeit bei und stellen lohnende Investitionen dar.

Besonders wichtig ist die Beleuchtung am Bildschirmarbeitsplatz. Unbedingt zu vermeiden ist eine Reflexion von Leuchten und Lichtquellen auf dem Bildschirm. Empfehlenswert ist eine für den Arbeitsplatz individuell regelbare blendfreie Beleuchtung. Wegen der technisch bedingten verhältnismäßig geringen Leuchtdichte der Zeichen auf dem Bildschirm sollte ein zu großer Helligkeitskontrast zwischen Bildschirm und Umgebung vermieden werden. Nach Möglichkeit sollen Bildschirmgeräte nicht mit dem Blick auf das Fenster aufgestellt werden und eine angemessen große verstellbare Blende haben. Wichtig sind auch Maßnahmen zur Verringerung von Spiegelungen auf der Bildschirmoberfläche.

Arbeitsunterbrechungen sind keine Erholungspausen

Belüftung und Klimatisierung im Arbeitsraum müssen unter Berücksichtigung der technisch bedingten Wärmeabgabe der Geräte auf die Bedürfnisse des Menschen abgestimmt sein. Ungünstige Raumklimabedinaungen führen nämlich zu einem starken Anstieg der psychischen Arbeitsbeanspruchung, was sich durch Rück gang der Leistung und durch Zunahme von Fehlern bemerkbar macht.

Die Arbeitszeit- und Pausenorganisation ist bei der Arbeit am Bildschirm ebenfalls besonders wichtig Erholungspausen sind grundsätzlich erforderlich, ihre Länge und ihre günstigste Lage innerhalb der Arbeitszeit kann jedoch nicht allgemein verbindlich festgelegt werden, sondern hängt von der Art und Schwierigkeit der Arbeit am Bildschirm ab. Im allgemeinen sind mehrere kürzere Pausen wirksamer als nur eine oder wenige längere Pausen innerhalb der Arbeitszeit. Es sollte schließlich beachtet werden, daß die durch den Tätigkeitsablauf bedingten Arbeitsunterbrechungen oft keinen Erholungswert für den betreffenden Mitarbeiter haben: Ergeben sich nämlich Wartezeiten infolge der Verarbeitungszeit durch den Rechner, so wartet der Mitarbeiter meist mit großer innerer Anspannung und kann sich nicht auf Ruhe oder Entlastung einstellen.

Entlastung von Routinearbeit

Schließlich ist zu berücksichtigen daß Äußerungen von Mitarbeitern über zu hohe Belastung oder über gesundheitliche Beschwerden bei der Bildschirmarbeit häufig ihre Ursache darin haben, daß der Betreffende unzufrieden mit seiner Arbeit ist. Dies ist gerade für den mittleren und kleinen Betrieb ein außerordentlich wichtiger Faktor: Die Leistungsfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit des Kleinund Mittelbetriebes hängt schließlich davon ab, daß alle Mitarbeiter mit hoher Motivation an für den einzelnen noch überschaubaren und in den Zusammenhängen transparenten Aufgaben tätig sind, daß gut zusammengearbeitet wird und daß der einzelne bewußt die Verantwortung für seinen Teilbeitrag im Unternehmen trägt Durch Entlastung von Routinearbeit und durch einen die sozialen Bedürfnisse des Mitarbeiters befriedigenden Einsatz von Computern ist der Ausbau dieser Positiva des mittleren und des kleinen Betriebes möglich. Wird jedoch versäumt, bei der Einführung von Computereinsatz und Bildschirmarbeit auch die psychologischen, menschlichen Seiten gebührend zu berücksichtigen, so kann sich dies über Arbeitsunzufriedenheit und verringerte Arbeitsmotivation nicht nur in Form von Verschlechterungen des Betriebsklimas, sondern auch in einer Verringerung der Leistungsfähigkeit des Unternehmens bemerkbar machen.

Es ist deshalb wichtig, die Mitarbeiter möglichst frühzeitig und umfassend über die Einführung von Computern und Bildschirmarbeit zu informieren und sie bei Entscheidungen bezüglich Arbeitsorganisation und Arbeitsplatzgestaltung zu beteiligen. Er fahrungsgemäß werden Neuerungen im Betrieb um so eher und problemloser von den Mitarbeitern akzeptiert, je stärker die Mitarbeiter in der Einführungsphase an der Gestaltung der Neuerung beteiligt werden.

Bei der Gestaltung von Bildschirm arbeitsplätzen soll die räumliche (und damit soziale) Isolierung des einzelnen Mitarbeiters vermieden werden. Lösungen, bei denen sich beispielsweise zur Verringerung des Helligkeitskontrastes zwischen Bildschirm und Umgebung das Gerät in einer Art Kammer oder Zelle befindet, wären abzulehnen. Gut sind Lösungen, bei denen der Blickkontakt zu anderen Mitarbeitern und zum Fenster nach draußen möglich ist.

Computereinsatz und Bildschirmarbeit dürfen nicht zu einer Einengung der Arbeitsinhalte führen. Bei der Personalplanung sollte deshalb nicht die Spezialisierung nur eines einzigen oder einiger weniger Mitarbeiter für die Aufgaben am Computer angestrebt werden, vielmehr sollte durch die Ausbildung möglichst vieler Mitarbeiter für die Arbeit am Computer die Nutzung der Vorteile mit der Flexibilität des mittleren und kleineren Betriebes kombiniert werden. Ein Fernziel ist das Bildschirmterminal, das so selbstverständlich wie heute das Telefon an jedem Arbeitsplatz steht und das durch benutzergerechte ergonomische Gestaltung auch ebenso leicht zu bedienen ist wie ein Telefonapparat.

Es ist erfreulich, daß sich seitens der Hersteller ein Problembewußtsein für die "dem Menschen zugewandte" Seite bei der Gestaltung der Schnittstelle Mensch/Computer feststellen läßt und daß die aus arbeitswissenschaftlichen Forschungs- und Erprobungsuntersuchungen abgeleiteten Empfehlungen zunehmend beachtet werden.

* Dr. Gerald W. Radl ist wissenschaftlicher Mitarbeiter beim TÜV Rheinland für ergonomische Fragen und Lehrbeauftragter für angewandte Psychologie an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen.