Kolumne

"Kein Rückfall in alte Zeiten"

03.07.1998

Rezentralisierung: Das riecht stark nach zentraler DV alter Prägung, nach wassergekühlten Mainframes und Massenspeichern in klimatisierten und abgesperrten Räumen. Langgediente DV-Profis erinnert der Begriff an kaum zu bändigende Altlasten, an IBM-Vertriebsbeauftragte, die die Großrechner nicht verkauften, sondern verlosten, weil die Nachfrage viel größer war als das Angebot. Fachabteilungsleiter fühlen sich wahrscheinlich mit Grauen an ihre Opferrolle gemahnt, die sie in den Zeiten zentraler DV mit wochenlangem Warten auf Auswertungen, Reports und Listen ausfüllten. Vor allem aber werfen die vielfältigen Bemühungen zur Rezentralisierung bei einigen IT-Managern - zumindest aber bei ihren Chefs - die Frage auf, ob die Investitionen in die verteilte Datenverarbeitung, in Client-Server-Lösungen und Personal-Productivity-Produkte richtig waren. Die Antwort lautet: Ja!

Ohne die IT-Entwicklungen der vergangenen Jahre, die Innovationen, die der Mikroprozessor, der PC und vor allem auch das Internet ausgelöst haben, gäbe es die heutige Fähigkeit zur Informationsverarbeitung (statt bloßer Datenverarbeitung) gar nicht und damit keine Rezentralisierungsdebatte. Außerdem bedeutet Rezentralisierung keinen Rückfall in die alte Mainframe-Ordnung, die mit ihren hierarchischen und zentralistischen Strukturen die damals vorherrschende Unternehmensorganisation widerspiegelte.

Wenn heute von zentraler IT gesprochen wird, dann handelt es sich weniger um zentrale Rechner und Server-Farmen oder die Rückkehr der Anwendungslogik auf den oder die Server. Vielmehr geht es um unternehmensweite Planung, Management, Koordination und letztlich wohl auch darum, zu kontrollieren, ob IT tatsächlich die Geschäftsprozesse kosteneffektiv unterstützt.

In Zeiten internationaler Geschäfte und des Heraufdämmerns von E-Commerce oder Network Computing müssen Entscheidungen getroffen werden, von denen die gesamte Firmenorganisation berührt ist. Man denke nur an Sicherheitsstrategien, Backbone-Netze und integrierte Anwendungspakete.

Eines darf Rezentralisierung allerdings in keinem Fall bedeuten: Die Wiederkehr arroganter DV-Abteilungen, die keine Rücksicht auf die Belange des Unternehmens oder der Endanwender genommen haben.