"Kein Ergebnis ist auch ein Ergebnis"

19.12.2003
Martin Bayer Redakteur CW

Der erste Weltinformationsgipfel war eine UNO-Konferenz wie jede andere auch. Tausende von Delegierten trafen sich im vorweihnachtlichen Genf, diskutierten und berieten drei Tage über die künftige Informationsgesellschaft. Dem Prinzipienpapier und Aktionsplan ist anzumerken, dass die Diplomaten bis zum Schluss um einen Kompromiss gefeilscht haben, der an Unverbindlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Ein Scheitern wollte wohl niemand eingestehen - zumindest ehrlicher wäre es gewesen.

Die westlichen Industrienationen haben die Kontrolle des Internets verteidigt und sich auf keine finanziellen Verpflichtungen eingelassen. Die Staaten der Dritten Welt können darauf pochen, zumindest ihre Forderungen vehement vertreten zu haben. Und notorische Menschenrechtsverletzer können sich damit herausreden, dass in der Abschlusserklärung zwar elementare Grundrechte wie Menschenwürde und Meinungsfreiheit als Basis jeder Informationsgesellschaft gepredigt werden, das aber "unter Berücksichtigung nationaler Gegebenheiten".

Alle strittigen Punkte, die sich im Vorfeld des Gipfels nicht ausräumen ließen, wurden in bester Diplomatenmanier vertagt. Arbeitskreise sollen nun bis zum nächsten großen Palaver 2005 in Tunis die Einrichtung eines Solidaritätsfonds der Industrienationen für die IT-Ausstattung der Dritten Welt sowie die Regulierung des Internets prüfen und bewerten, hieß es zum Abschluss des Gipfels. Aber machen wir uns nichts vor: Missliebige Angelegenheiten wurden auf die lange Bank geschoben, um sie am Ende ganz herunterfallen zu lassen.

Vielleicht wäre das sogar die beste Lösung. Mit der Absicht, die Entwicklungsländer ins Informationszeitalter des 21. Jahrhunderts zu hieven, haben sich die Vereinten Nationen eine wahre Herkulesaufgabe aufgebürdet. Es geht letztendlich nicht darum, Länder wie Senegal, Bangladesch oder Peru mit ein paar tausend Computern und Internet-Verbindungen auszustatten. Man muss den Menschen auch zeigen, wie sie volkswirtschaftlichen Nutzen aus den Segnungen der modernen IT- und Telekommunikationsinfrastruktur ziehen können. Um zu gewährleisten, dass die Bevölkerung von der modernen Technik profitiert, müssen politische, gesellschaftliche und soziale Rahmenbedingungen stimmen. In einem von Bürgerkriegen zerrissenen Land Schwarzafrikas erscheint es wenig sinnvoll, Telefonleitungen aufzubauen, die nur kurze Zeit später im Hagel der Granaten in Fetzen gerissen werden.

Die UNO-Pläne gehen an den realen Bedürfnissen vieler Menschen in der Dritten Welt vorbei. Wenn Frauen auf offener Straße gesteinigt werden, weil sie keinen Schleier tragen, wenn 842 Millionen Menschen weltweit Hunger leiden, dann sollten Diskussionen um breitbandige Internet-Zugänge und Mobilfunkinfrastrukturen in den Hintergrund treten.