Bewerbungsstrategien und Karriereplanung (Teil 8)

Kaum Chancen auf neuen Job mit schlechtem Arbeitszeugnis

08.10.1993

Arbeitszeugnisse eignen sich immer fuer eine handfeste Auseinandersetzung: Der scheidende Mitarbeiter vermutet hinter jeder fehlenden oder vorhandenen Redewendung einen Rachefeldzug des Vorgesetzten oder der Personalabteilung. Nicht ganz zu Unrecht, denn die verklausulierten Formulierungen stiften eher Verwirrung, als dass sie dem Betroffenen weiterhelfen, meint Bernd Andersch*.

Der Vorgesetzte unterschreibt das Zeugnis des scheidenden Mitarbeiters, das ihm der Personalreferent vorlegt. Da ihm selbst die Fallstricke unbekannt sind, weiss er manchmal gar nicht, was er unterschreibt. Manch ein Mitarbeiter wundert sich dann, weshalb ein vor wenigen Wochen ausgestelltes Zwischenzeugnis ploetzlich einen etwas anderen Wortlaut zeigt als das abschliessende Arbeitszeugnis.

Der Leser der Zeugnisse, der in den seltensten Faellen mit den geheimen Signalen der Personalexperten etwas anfangen kann oder will, nimmt seine eigenen Interpretationen vor. Zum Schluss entsteht ein Arbeitszeugnis und eine daraus abgeleitete Beurteilung, die alles Moegliche wiedergibt, nur nicht das, was der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz und fuer das Unternehmen geleistet hat.

Ueber Sinn und Unsinn der Geheimniskraemerei in deutschen Arbeitszeugnissen laesst sich lange diskutieren. An dieser Stelle ist kein Platz, um auf alle Fallstricke eingehen zu koennen. Dennoch, wer ein Arbeitgeberzeugnis erhaelt, sollte darauf achten, dass einige wichtige Passagen und Aussagen nicht fehlen.

Grundsaetzlich sollten zunaechst aus jedem Zeugnis folgende Informationen hervorgehen: Vor- und Zuname, Geburtstag, Beschaeftigungsdauer von ... bis ..., Abteilungen, in denen der Arbeitnehmer beschaeftigt war, in welcher Funktion oder Position er arbeitete sowie Taetigkeiten, die wahrgenommen wurden. Die Taetigkeiten sollten aussagekraeftig und ausfuehrlich beschrieben werden.

Im Zeugnis eines Organisationsprogrammierers finden sich die Worte: "... und war fuer die Bereiche Materialwirtschaft, Kostenrechnung und Controlling zustaendig." Diese Auskuenfte sind sehr allgemein gehalten und geben in keinster Weise das Engagement des Kandidaten wieder.

Tatsaechlich hatte der Kandidat eine voellig neue DV-gestuetzte Kostenstellenrechnung und Kalkulation aufgebaut. Fuer die Kalkulation war die Stuecklistenverwaltung per DV Voraussetzung. Auch diese wurde von dem Programmierer realisiert. Zusaetzlich legte er gemeinsam mit dem Produktionsleiter die Ablauforganisation fuer die Stuecklistenanlage und -pflege in der Produktion fest. Mit der Stuecklistenanlage war auch erstmals eine detaillierte Materialverbrauchsermittlung, Lagerbestandfuehrung und -bewertung moeglich. Auch diese wurden von dem Beurteilten konzipiert und realisiert. Die Zahlen aus den Systemen fliessen heute in das Programm "Kostencontrolling" ein, das der Organisationsprogrammierer ebenfalls entwickelte. Die aufgefuehrten Informationen sollten in dieser Laenge und nicht kuerzer aus dem Arbeitszeugnis hervorgehen!

Wer Umsatz-, Budget-, Mitarbeiter-, Projektverantwortung oder Zeichnungsbefugnisse hatte, sollte sich das bescheinigen lassen. Aber auch Aussagen ueber Mitarbeit in Projektteams, die Ausuebung eines teamorientierten Fuehrungs- oder Arbeitsstils koennen heute Vorteile bringen.

Eine weitere wichtige Passage ist die Beurteilung der Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber. Aber auch der Tag des Ausscheidens und der Kuendigungsgrund sollten nicht fehlen. Wer in der Rezession aus wirtschaftlichen Gruenden entlassen werden muss, sollte sich dies im Zeugnis dokumentieren lassen.

Zudem sollten drei uebliche Floskeln im Arbeitszeugnis auftauchen: "Das Verhaeltnis zu Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern war stets einwandfrei." "Wir bedauern sein/ihr Ausscheiden", "Wir wuenschen ihm/ihr fuer die Zukunft alles Gute und viel Erfolg". Fehlt einer dieser Hinweise, kann sich jeder seinen Reim darauf machen. Wird etwa das Ausscheiden aus dem Unternehmen nicht bedauert, spricht dies Baende. In der Rezession sind gute Arbeitszeugnisse in der Bewerbungsmappe wichtig, um in die naechste Runde vorruecken zu koennen. Um gute Arbeitszeugnisse sollte daher gekaempft werden. Nicht selten versucht der eine oder andere Arbeitgeber, dem scheidenden Mitarbeiter noch ein bleibendes "Andenken" im Arbeitszeugnis unterzujubeln. In Unwissenheit, gekraenkt oder aus Bequemlichkeit akzeptiert der Arbeitnehmer. Gerade, wenn es um das Arbeitszeugnis geht, sollten Arbeitnehmer mehr Kampfgeist zeigen.

Sie koennen dabei mit den Arbeitgebern in den Clinch gehen. Gemeint ist dabei nicht gleich der Arbeitsgerichtsprozess, eine Liaison mit den Gewerkschaften oder dem Betriebsrat. Damit es erst gar nicht zu Streitigkeiten kommt, sollten Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen vorgefertigten Zeugnisentwurf praesentieren. Manchen Arbeitgebern kommt es gerade recht, wenn ein abwandernder Mitarbeiter aus freien Stuecken einen Zeugnisentwurf vorlegt.

Zum einen spart der Vorgesetzte selbst die Arbeit, ein Zeugnis abfassen zu muessen. Andererseits lassen sich heute viele Arbeitnehmer nicht mehr alles unbesehen in ihre Zeugnisse hineinschreiben. Legt der Arbeitgbeber ein Zeugnis vor, kommt es nicht selten zu umfangreichen Diskussionen und im Extremfall zu Rechtsstreitigkeiten.

Bis das endgueltige Zeugnis dann akzeptabel ist, muessen beide Seiten viel Zeit und Aufwand investieren. Und diese Investition bringt dem Arbeitgeber nichts. Was ist unwichtiger als der ausscheidende Mitarbeiter?

* Bernd Andersch hat in Fach- und Fuehrungsfunktionen Org./DV gearbeitet und ist heute selbstaendiger Karriere- und Unternehmensberater sowie Management-Trainer in Detmold.

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Informationen: Fachhochschule Niederrhein, Fachbereich Wirtschaft, Webschulstrasse 41-43, 4050 Moenchengladbach,

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"Zu unserer vollen Zufriendenheit..."

Zur Beurteilung der Arbeitsleistungen hat bereits jeder einmal etwas gehoert. Dennoch hier die vollstaendige Auflistung der Moeglichkeiten, die die Arbeitsgemeinschaft fuer selbstaendige Unternehmer in Bonn empfohlen hat. Beurteilungen fuer die Arbeitsleistungen koennen demnach wie folgt verklausuliert werden:

-"... hat die ihm (ihr) uebertragenen Arbeiten staendig zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt" = sehr gut,

-"... stets zu unserer vollsten Zufriedenheit erledigt" = gut,

-"... zu unserer vollen Zufriedenheit erledigt" = befriedigend,

-"... zu unserer Zufriedenheit erledigt" = ausreichend,

-"... im grossen und ganzen zu unserer Zufriedenheit erledigt" = mangelhaft.