Application on Demand/Mercateo.com mietet R/3- und Siebel-Module

Kaufen wie die Großen durch Pool-Buying

03.11.2000
MÜNCHEN (CW) - Die Metro-Tochter Mercateo.com entwickelt sich zu einer B-to-B-Einkaufsplattform im Internet. Ein Großteil der dazu eingeführten IT-Infrastruktur wird von einem Application-Software-Provider gemietet - zu 60 Prozent unter dem üblichen Preis für Lizenzen, Implementierung und Betrieb.

Mehr als 30000 Kunden nutzen inzwischen Mercateo.com als Internet-Einkaufspartner für kleine und mittelständische Unternehmen und kaufen dort Waren ein. Die Angebotspalette des im vergangenen Jahr gegründeten Münchner Internet-Startups reicht von Produkt- und Dienstleistungsanfragen über Katalogbestellungen und Online-Auktionen bis hin zum Kernstück des Unternehmens, dem so genannten Pool-Buying. Damit sollen Kaufinteressen gebündelt und in Preisvorteile für die Kunden umgesetzt werden. Das Ziel ist, über den Zusammenschluss der Nachfrage kleinen und mittelständischen Betrieben die Wettbewerbsnachteile zu nehmen, die sie gegenüber den Massenbestellungen großer Firmen haben. Bei Mercateo.com können Betriebe unter rund 40000 Produkten auswählen, die beispielsweise den gesamten Bedarf an Büroausstattung einschließlich Hard- und Software sowie Telekommunikationsgeräte decken können.

Die vier Vorstände stellten sich in der Gründungsphase die Frage, wie die benötigten IT-Ressourcen für den Aufbau der Online-Plattform am effektivsten in das Geschäftskonzept integriert werden können. Soviel war klar: Da E-Commerce eine Frage der Geschwindigkeit ist, blieb nicht viel Zeit, um eine Infrastruktur bereitzustellen, mit der man den Markt hätte aufbauen und Investoren überzeugen können. Die Lösung des IT-Problems lautete deshalb: Software mieten statt kaufen. Der Einsatz gemieteter Softwareapplikationen aus dem Internet bedeutete für Mercateo. com in der ersten Phase eine wichtige strategische Option mit zwei Vorteilen. Zum einen ersparte das ASP-Mietmodell den Gründern viel Geld, das für Projektimplementierung, Lizenzgebühren für Software und kostenintensive Systemeinführung beziehungsweise -wartung hätte bezahlt werden müssen.

Zum anderen konnte man sich auf das Kerngeschäft und die Anpassung des Produkt- und Dienstleistungsportfolios auf den Kundenbedarf konzentrieren. Den Ausschlag zugunsten von Hostlogic als Anbieter eines ASP-Komplettservice gab dessen Kombination aus SAP R/3 und den CRM-Lösungen von Siebel. Mercateo.com nutzt von den R/3-Modulen derzeit die Funktionen aus dem Vertriebssystem und Material-Management. Für das Zielgruppen-Marketing, insbesondere für Kampagnen-Mailings, kommt die CRM-Software von Siebel zum Einsatz. Das Konzept eines "Managed Application-Providing" bringe für die Kunden eine Verlagerung von der "starren Benutzerkommissionierung" hin zu einer "transaktionsorientierten Nutzerorientierung", heißt es bei Hostlogic.

Die schlüsselfertige vorkonfigurierte Branchenlösung "Smart Enterprise" ging nach zweiwöchiger Projektevaluation schon knapp drei Monate später "live" und startete im Mai dieses Jahres. Das von Mercateo.com gewünschte All-inclusive-Paket beinhaltet zusätzliche Hilfestellungen wie Implementierung von Unternehmensdaten, firmenspezifische Softwareanpassungen, Datenbankaktualisierung, Einrichtung eines Helpdesks und die Mitarbeiterschulung.

Ein wichtiges Entscheidungskriterium für Mercateo.com war auch das Zusammenspiel der Systemkomponenten, denn die im Unternehmen selbst vorgehaltene Shopping-Lösung und der Katalog-Manager sollten als eigenständige Kernbereiche bestehen bleiben. Deren Kombination mit dem Transaktions- und Kunden-Management-System übernahm der Dienstleister.

ASP bedeutet für Sebastian Wieser, einen der Mercateo.com-Vorstände, eine wichtige technische Prozessvereinfachung: "Wir haben mit dem technischen Ablauf so gut wie nichts zu tun. Das PSI-Net-Rechenzentrum, über das wir uns einloggen, steht in Amsterdam, wir benötigen lediglich die übliche Client-Browser-Software, um auf die Daten zuzugreifen." Via Extensible Markup Language (XML) fließen die ERP-Daten der Zulieferpartner direkt in den "Catalogue-Import-Manager", der dem Intershop-System "Enfinity" vorgeschaltet ist. Bislang habe es noch keinen Systemausfall gegeben, die Sicherheit und Verfügbarkeit der Daten sei vom Provider garantiert, beugt Wieser typischen Bedenken gegen das ASP-Modell vor.

Zentraler Schlüssel und oberstes Entscheidungskriterium bei der ASP-Implementierung sei auch für ein mittelständisches Unternehmen der Sicherheitsaspekt. Hostlogic arbeitet hier mit einer 168-Bit-Verschlüssellungstechnik und bietet mit einer separaten Hardwarebox in einem Operation-Center in Budapest einen "Single Point of Security" in Verbindung mit einem Virtual Private Network (VPN) an. Der Nutzer verfügt dadurch über eine geschützte und speziell für ihn eingerichtete Verbindung. Ein spezieller PIN-Code garantiert die Sicherheit des separaten User-Zugangs.

Neben der Box beim ASP befindet sich eine weitere Hardwarebox beim Anwender, der zudem optional auf eine doppelte Sicherheitslösung zurückgreifen kann. Sollte ein technischer Defekt an einer der Boxen auftreten, kann die zweite aktiviert werden, die dann die Prozesssteuerung übernimmt. Diese Konfiguration bedeutet für das Unternehmen zwar einen gewissen Verlust an Bandbreite, schließt aber die laut Anbieter noch letzte verbliebene Sicherheitslücke im System. Eine ausreichende Netzwerk-Performance soll eine Gigabit-Ethernet-Verbindung gewährleisten. Kommt es trotz aller Sicherheitsvorkehrungen zu einem unberechtigten Log-in, treten nach Auskunft des Providers "innerhalb von Sekunden" neue Sicherheitscodes in Kraft. Insgesamt garantiert man im Hinblick auf die Datenleitung eine Verfügbarkeit von 99,5 Prozent.

Die monatliche Nutzungsgebühr für die R/3-Module beträgt rund 500 Euro, hinzu kommt ein Aufpreis von etwa 50 Prozent für die Nutzung der CRM-Software. Für Wieser ist die Zusammenarbeit mit einem ASP auch deshalb wichtig, weil sie in technischer Hinsicht ein enormes Potenzial für Kapazitätserweiterungen verspricht: "Wir nutzen von den Möglichkeiten, die R/3 für uns bietet, erst fünf Prozent. Für uns ist wichtig, dass sich die Lösung technisch problemlos erweitern lässt, denn unsere Expansion darf nicht durch solche Grenzen blockiert werden."

Abb.1: Internet-Hosting

Ein stetiges Wachstum prognostiziert die Yankee Group dem Markt für Internet-Hosting. Mehr als 14 Milliarden Dollar sollen dort im Jahr 2003 umgesetzt werden. Der Löwenanteil entfällt dabei auf Front- und Back-Office-Produkte. Quelle: Yankee Group/Hostlogic

Abb.2: ASP-Markt

Ein sprunghaftes Wachstum im ASP-Markt setzt nach Einschätzung von Forrester Research in den Jahren 2000 und 2001 ein. Bei Yankee prognostizieren die Analysten für 2001 Umsätze von mehr als sechs Milliarden Dollar. Quelle: Forrester/Hostlogic