Lesepistolen am Point of Sale in der Schuhfiliale:

Kassiererin beidhändig arbeiten lassen

18.04.1980

Die Methoden der Datenerfassung gehören zu den Anachronismen in der EDV. Auf der Höhe der Entwicklung stehen praktisch nur Spontan-Eingabe im Bildschirmdialog und Direkteinlesung. Ein paar Fragen und Anworten aber sind nicht das, woran man beim Stichwort "Erfassung" primär denkt: Es geht um die Mengen. OCR ist so schnell wie der Computer. An den Singer-Kassenterminals arbeiten die Kassiererinnen in den Filialen des Schuhhauses Görtz beidhändig. Rechts halten sie die Lesepistole, mit links bedienen sie die Kassentastatur.

Das Schuhhaus Görtz setzt Lesepistolen von Recognition Equipment, Offenbach, als Betriebsinstrument zur Verkaufsunterstützung ein. Der Beitrag zur Rationalisierung in der Verwaltung ist ein Nebeneffekt.

Das Schuhhaus hat 48 Filialen in der Bundesrepublik und 27 in den USA. Sitz des Unternehmens ist Hamburg.

Die Mehrzahl der für das Marketing entscheidenden

Informationen fallen am Point of Sale an, dort, wo die Ware ausgewählt und bezahlt wird. Bislang konnten die meisten Informationen nur stichprobenartig gesammelt werden. Die Tastatur-Kasse ist der hundert Jahre alte Schritt in die begrenzte Point-of-Sales-Erfassung. Das Anachronistische an der Tastatur-Methode im Vergleich zu den Vorgängen innerhalb des Computers wird hier deutlich: Die Erfassung kann immer nur so schnell sein wie die Finger der Erfasserin - an der Kasse immer zu langsam für eine umfassende Informationsaufnahme. Erst die Verbindung mit der Lesepistole - oder einer anderen Form des optischen Direkteinlesens, von denen OCR die schnellste ist - schafft den Anschluß an den Stand der Technik.

Die praktisch unbegrenzte Möglichkeit zur Informationsaufnahme nutzt das Schuhhaus, seine Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Taktisch formuliert heißt die Maßnahme, die Verkaufsbereitschaft zu erhöhen. Sie hängt davon ab, ob immer gerade die Artikel am Lager der Filiale sind, die vom Publikum verlangt werden. Naturgemäß muß hier durch Regelung eingegriffen werden: Ohne gezielte Ein wirkung wären gerade immer die Artikel knapp, die am häufigsten verlangt werden. Die tägliche Statistik, welche Waren wo nachgefragt werden, liefern heute die Verkaufsbelege an der Ladenkasse.

Vor Einführung der Lesepistole war es unter günstigen Umständen möglich, die Ware, die zum Beispiel am Montag wegging, am Samstag wieder zu ersetzen. Häufig dauerte es noch einen Arbeitstag länger. Heute steht der Artikel normalerweise Mittwochs wieder in der Menge zur Verfügung, die dem aktuellen Absatztrend entspricht. Die Zeit, in der, ein Bedarf registriert wird und zu einer Bestellung führt, verkürzt sich über die OCR-Erfassung.

Die Lesepistole gibt bei Görtz ein anschauliches Beispiel dafür, wie Tastatur und OCR-Eingabe scheinbar synchron erfolgen können. Zu Zeiten, wo sehr schnell abverkauft wird, kommt man manchmal mit dem Erstellen der kleinen Klebeetiketten für Sonderverkäufe wie Schnürsenkel und Schuhcreme nicht nach. Dann schreibt man die Preise mit der Hand in ein dafür vorgesehenes Feld auf dem Verkaufsbeleg. Diese Karte von 7,5 mal 13 Zentimeter, im Hauptfeld vom Computer OCR-beschriftet, liegt dem Karton bei. Die Singer-Kassen erfordern das Ablesen eines Kenncodes vor Registrierung eines Sonderverkaufs. So fährt die Kassiererin mit der Rechten über die Kenn-Zeile "U 500", und das Lesesystem gibt ein Lautsignal. Als ob es gleichzeitig geschähe, tippt sie mit der Linken in die Tastatur ein. Normalerweise allerdings hebt die Verkäuferin nur die winzigen Klebeetiketten, im Lager vorher mit der Metozange erstellt, von der Ware ab und klebt sie ohne besondere Anforderung an die Positionierung, also auch einmal schief, auf den Beleg aus dem Schuhkarton. Die Pistole liest auch das mühelos.

Die Prüfungen erfolgen auf verschiedenen Ebenen: Zuerst prüft das Lesesystem selbst und gibt ein Lautsignal, falls Zweifel an der Lesbarkeit des Zeichens oder an der richtigen Führung des Instrumentes bestehen. Dann prüft die Kasse anhand der mitgelesenen Prüfziffern. Schließlich führt das zentrale Computersystem ebenfalls anhand mitgelesener Vergleichsnummern Kontrollen durch. Diese Prüfmöglichkeiten, von denen in der OCR sehr exzessiv Gebrauch gemacht wird, ergeben sich aus der relativ großen Zahl von Daten, die man mit Hilfe der Lesepistole am Point-of-Sales aufnehmen kann.

Derzeit werden noch Datenträger, nämlich Magnetbandkassetten, physisch von den Filialen an die Zentrale geschickt. In absehbarer Zeit beabsichtigt Görtz zur Fernübertragung überzugehen - im Verkehr mit Amerika via Satelliten. Später wird das Schuhhaus Görtz Distributed Processing praktizieren: Dann können die Filialleiter Statistiken über ihren Verkaufsbereich direkt in der neuen Generation von Ladenkassen-Computern berechnen lassen.

*Dieter Bülow ist freier Journalist