Freiheit ist gut, Kontrolle ist besser

Kaspersky: Anonymität im Internet ist ein Auslaufmodell

07.12.2007
Eugene Kaspersky tritt für mehr Regulierung im "anarchischen" Internet ein – der Internet-Führerschein ist nur ein Beispiel.

Die Tage des anonymen Surfens im Internet sind nach Einschätzung des russischen Security-Experten Eugene Kaspersky gezählt. "Früher oder später wird es keine anonymen Nutzer im Netz mehr geben", sagte der Chef des russischen Antiviren-Software-Herstellers Kaspersky Labs am Freitag der Deutschen Presse-Agentur dpa in Moskau. Schon heute existiere eine Privatsphäre im Netz eigentlich nicht mehr. "Wenn die Polizei es wirklich will, erfährt sie auch, wer hinter einer Aktion steckt." Bei der rasant wachsenden Internet-Kriminalität komme es bei der Bekämpfung aber auch immer mehr auf eine internationale Zusammenarbeit an. Erforderlich wäre dafür eine Art Internet-Interpol, so der Sicherheitsspezialist.

Alle Netzwerke eines Landes wie Straßennetze, Strom- oder Kommunikationsleitungen gelten in der Regel als sensible Infrastruktur und würden reguliert. "Nur das Internet ist noch anarchisch." Dass die Sicherheit des Datenverkehrs auch in der Verantwortung der jeweiligen Regierungen liege, zeige zudem der jüngste Trend zu politisch motivierten Angriffen. So sei zuletzt mit massiven Attacken auf Internetseiten aus Estland der dortige Datenverkehr lahm gelegt worden. Und mit gezielten Angriffen über Netzwerke (Peer to Peer) sei ein Kollaps des lokalen Internet in zwei russischen Städten verursacht worden. Die Sicherheit des Datenverkehrs entwickle sich zunehmend zur Sache der Regierungen, sagt Kaspersky. In Europa, den USA und Russland sei dafür bereits ein Bewusstsein entstanden.

Für eine erfolgreiche Bekämpfung der immer gerisseneren Internet-Angriffe sind nach Meinung von Kaspersky neben einer Internet-Interpol für die Länder übergreifende Strafverfolgung auch ein Internet-Führerschein nötig. "Stellen Sie sich vor, ein Auto fährt auf den Straßen mit abgedunkelten Scheiben, ohne zugelassene Reifen und ohne jegliches Kennzeichen." Im Straßenverkehr sei so etwas undenkbar, im Internet aber nach wie vor Realität. Netz-Nutzer bräuchten deshalb eine Art eindeutiger Identifikation, die sie bei allen Aktionen im Netz ausweist.

Während noch vor ein paar Jahren meist junge Leute zur Selbstbestätigung Computerviren programmiert und in Umlauf gebracht haben, werden heutige Schadcodes meist nur noch aus krimineller Absicht verbreitet. Zur Programmierung stünden immer mehr Werkzeuge zur Verfügung. Selbst der Handel mit diesen Werkzeugen inklusive Service-Angeboten ist zu einem offenen und lukrativen Geschäft geworden. Die Bekämpfung werde derzeit auch dadurch erschwert, dass immer mehr Varianten eines Schadcodes existieren. So werden zum Beispiel die in Umlauf gebrachten Spionage-Programme (Spyware, Trojanische Pferde) so programmiert, dass sie sich laufend verändern und dadurch eine Identifizierung erschweren. (dpa/ajf)