Web

Kartellprozess: Microsoft will ganz bleiben

11.05.2000

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Microsoft hat gestern termingerecht seine offizielle Erwiderung auf den Bestrafungsvorschlag der Kläger (CW Infonet berichtete) vorgelegt. Erwartungsgemäß ist der Softwareriese mit einer Zerschlagung des Unternehmens nicht einverstanden. Das Konzept des DOJ (Department of Justice = Justizministerium) sei angesichts der Sachlage unangemessen und viel zu radikal.

Statt dessen schlägt Microsoft eine Reihe von Maßnahmen vor, die teilweise schon vorab durchgesickert waren (CW Infonet berichtete). Unter anderem wäre die Gates-Company bereit,

zentrale APIs (Application Programming Interfaces = Programmierschnittstellen) von Windows für externe Entwickler offen zu legen,

auf Exklusivverträge zu verzichten, die Hersteller daran hindern, auch konkurrierende Software mit ihren Produkten zu vertreiben,

die Preise für ältere Windows-Versionen nach dem Erscheinen neuer Varianten nicht zu erhöhen,

OEMs zu erlauben, den Startbildschirm von Windows für den ersten Systemstart zu verändern, und

eine Windows-Version mit "verstecktem" Internet Explorer auszuliefern. Ganz ausbauen will man den Browser nicht, da Teile der Funktionalität für das Betriebssystem unverzichtbar seien.

Diese Maßnahmen könnten binnen 45 Tagen in Kraft treten. Microsoft würde sich in den kommenden vier Jahren freiwillig der Kontrolle des Justizministeriums unterwerfen und auch die Gerichtskosten für die 19 am Verfahren beteiligten US-Bundesstaaten übernehmen. Falls Richter Jackson sich statt dessen für die Aufspaltung des Konzerns entscheidet - seine Entscheidung will er am 24. Mai bekannt geben -, fordert Microsoft eine Vertagung der abschließenden Anhörungen auf den 4. Dezember dieses Jahres. Man brauche mindestens sechs Monate, um sich entsprechend vorzubereiten.

Beobachter sind allgemein der Ansicht, dass der Konzern es mit den sich selbst auferlegten "Strafen" allzu gut gemeint hat. "Mir scheint Microsofts Vorschlag sehr moderat. Er entspricht in keiner Weise den Vergehen, die der Richter bislang festgestellt hat", meint etwa Daniel Rubenfeld, Rechtsprofessor an der Universität Berkeley. "Microsofts Problem ist, dass das Gericht ihnen unter den gegebenen Umständen nicht vertraut", ergänzt Rob Enderle von der Giga Group. "Im Vergleich zu den Feststellungen des Gerichts hat sich das Unternehmen eine sehr milde Strafe erteilt." "Microsoft bietet weniger als nichts", findet gar Ken Wasch vom Softwareverband SIIA (Software and Information Industry Association). "Es gibt eigentlich nur zwei kleine Änderungen - sie würden ihre OEM- und ISV-Verträge minimal modifizieren."