Die unternehmensinternen Chancen nutzen

Karriereportale zeigen Perspektiven auf

04.07.2003
MÜNCHEN (am) - Wenn Firmen nicht mehr wachsen, bleibt die Zahl der Führungspositionen begrenzt. Dennoch kann es Entwicklungsmöglichkeiten geben. Karriereportale und interne Beratung helfen, diese Perspektiven transparent zu machen.

Stellt eine Firma niemanden mehr ein und muss auch sonst sparen, glaubt kaum noch ein Mitarbeiter an interne Karriereperspektiven. Dabei bergen auch solche Situationen Möglichkeiten, wenn zum Beispiel frei werdende Positionen nicht mehr von außen, sondern intern besetzt werden.

Auch bei den Versandhandelsunternehmen Quelle und Neckermann sind die Führungskräfte darauf angewiesen, sich selbst und ihren Bereich besser im Unternehmen zu vermarkten, wollen sie für Inhouse-Bewerber attraktiv sein. Die Plattform finden sie im neuen Karriereportal: Dort können Führungskräfte offene Stellen anbieten und ihre Fachbereiche vorstellen, aber auch Mitarbeiter ihr Kompetenzprofil eingeben.

"Durch das Portal wollen wir kein Headhunting betreiben, aber die internen Karrieremöglichkeiten offensiver als in der Vergangenheit aufzeigen. Es soll zum Marktregulator zwischen Ressourcenbedarf der Führungskräfte und Karrierewünschen der Mitarbeiter werden", beschreibt Justus Böckheler, Leiter der Personalentwicklung bei Quelle und Neckermann. Ein Schritt, der nicht unumstritten ist, diskutiert man doch seit einem Dreivierteljahr im Management, ob Führungskräfte offensiv auf Mitarbeiter anderer Abteilungen zugehen und ihnen Stellen anbieten dürfen.

Für Personalentwickler Böckheler ist es aber eine wichtige Aufgabe, talentierte Mitarbeiter zu halten und weiterzuentwickeln, da "wir sonst keine Chance haben, als Arbeitgeber langfristig attraktiv zu bleiben". Viele Talente zögen nach drei, vier Jahren im Unternehmen Bilanz und fragten sich, ob ihr Potenzial auch genutzt wird. Darum will Quelle eine interne Karriereberatung anbieten. Coaches aus der Personalabteilung sollen den Mitarbeitern dabei helfen, sich über Karrierewünsche und -perspektiven klar zu werden

Was ist mir wichtig? Wo stehe ich? Wo will ich hin? Diese Fragen sind auch für Karriereexpertin Delia Lingner von der Ahrensburger Personalberatung SKP AG entscheidend, denn "viele Beschäftigte versäumen es, über ihre Entwicklung nachzudenken, oder gestehen sich nicht ein, dass sich ihre Erwartungen mit den Jahren verändert haben. Das Ergebnis sind oft Unzufriedenheit und Leistungsabfall."

Um dem vorzubeugen, bietet SKP den so genannten Career Check an: Nachdem ein Mitarbeiter über seinen Karriereweg nachgedacht hat, analysiert er mit einem externen Personalberater Stärken, Schwächen und Potenziale. Vier Wochen nach dem ersten Treffen erarbeiten Klient und Berater Erwartungen, Wünsche und Ziele des Mitarbeiters, worauf der Consultant mögliche Positionen und Aufgaben definiert. Diese Ergebnisse werden dann dem Personalverantwortlichen des Unternehmens zur Verfügung gestellt. "Der Career Check ruft häufig Aha-Effekte hervor und gibt den Anstoß, dass die Mitarbeiter selbst etwas verändern", erklärt Lingner. Zum Einsatz kommt das Instrument bisher vor allem in großen Firmen, um Leistungsträgern eine Perspektive aufzuzeigen oder um herauszufinden, warum Führungskräfte nicht mehr motiviert sind oder weniger leisten.

Berufliche Entwicklungsperspektiven gehören bei der SAP AG zu den wichtigsten Gründen, warum sich neue Mitarbeiter für den Softwarekonzern entscheiden. Bei den Walldorfern ist es üblich, dass Manager relativ offen über Karrieremöglichkeiten kommunizieren, sei es auf dem Flur oder am Rande von Meetings. Da das Unternehmen in der Vergangenheit stark wuchs, galt es, diese Transparenz auch durch Verfahren aufrechtzuerhalten, die zunächst nicht auf persönlichem Kontakt beruhen. In einem Pilotprojekt erprobte SAP im vergangenen Jahr für 2000 Mitarbeiter im Bereich Service und Support ein Karriereportal, in dem Führungskräfte offene Stellen ausschreiben und Mitarbeiter ein Profil mit Qualifikationen und Erwartungen eingeben können.

Offene Unternehmenskultur ist wichtig

"Mitarbeiter und Manager können über das Career Portal sehr frei aufeinander zugehen, was die Kommunikation und Transparenz stark fördert. Das funktioniert aber nur, weil wir innerhalb des Unternehmens einen fairen, vertrauensvollen und offenen Umgang haben", sagt Armin Trost, Leiter des weltweiten Recruiting bei SAP. Mittlerweile nutzen zehn Prozent der Mitarbeiter das Career Portal, im Laufe des Sommers werden alle 29000 Mitarbeiter zugreifen können.

"In Zeiten, in denen wir weniger einstellen, ist es für uns wichtig, intern sehr flexibel zu sein. Das birgt viele Karrieremöglichkeiten für die Mitarbeiter. Man muss schauen, wie wichtige Positionen und Projekte intern besetzt werden können. Diese Beweglichkeit wird auch über das Career Portal gefördert", sagt Trost. Im Sinne der offenen Unternehmenskultur sollen veränderungswillige Mitarbeiter ihre Wünsche allerdings ihrem Vorgesetzten mitteilen, auch wenn sie ihr Profil anonym ins Portal stellen.

Der wichtigste Ansprechpartner für SAP-Mitarbeiter in Karrierefragen ist immer der eigene Vorgesetzte, der im jährlichen Gespräch nicht nur die Leistung seines Mitarbeiters beurteilt, sondern mit ihm auch einen Entwicklungsplan festlegt. Neben einer Management- und Fachlaufbahn, die gehaltlich gleichwertig sind, gibt es seit kurzem auch die Möglichkeit der Projektkarriere.

Unterschiedliche Laufbahnen

Zeichnet sich der Fachexperte durch sein tiefes Wissen auf einem Gebiet aus, ist die vornehmliche Aufgabe des Projektleiters, das Team zu motivieren und zum Erfolg zu führen. Dazu Julia Zachmann, Leiterin Personalentwicklung bei SAP: "Früher waren die Projektleiter oft als Mitarbeiter eingestuft. Da sie aber eine große Verantwortung übernahmen und zum Teil sehr wichtige strategische Entwicklungsprojekte steuerten, entstand ein gewisses Ungleichgewicht zwischen Verantwortung und Position. Seit diesem Jahr spiegelt sich eine solche Verantwortung in dem neuen Pfad der Projektkarriere in der Softwareentwicklung wider."

Die Kandidaten für eine der drei Laufbahnen kristallisieren sich bei SAP im so genannten Talents-Review-Meeting heraus: Einmal im Jahr setzen sich die Manager einer Führungsebene zusammen und besprechen, wen sie in ihrem Bereich als Leistungsträger und wen sie als High Potential sehen.