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Karlsruhe: Weiterhin hoher Schutz für Handydaten vor Beschlagnahme

02.03.2006
Handy- und Computerdaten sind vor einer Beschlagnahme durch die Polizei weiterhin besser geschützt als andere Beweismittel.

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen solche Maßnahmen allerdings nicht unter dem besonderen Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Damit ist die Beschlagnahme gespeicherter Daten nicht nur zur Verfolgung von Straftaten von "erheblicher Bedeutung", sondern auch bei geringfügigerer Kriminalität erlaubt.

Voraussetzung sei jedoch, dass die Ermittler den Datenschutz berücksichtigt haben. Damit gab das Gericht einer Heidelberger Richterin Recht, die sich zu Unrecht beschuldigt sah. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) und die Gewerkschaft der Polizei begrüßten das Urteil (Az: 2 BvR 2099/04 vom 2. März 2006).

Der Zweite Senat korrigierte mit seinem Urteil den Beschluss einer Kammer des Karlsruher Gerichts vom Februar 2005, der deutlich strengere Voraussetzungen für die Beschlagnahme solcher Daten aufstellen wollte. Danach sollte bei Hausdurchsuchungen nicht nur das Datenschutz-Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gelten, sondern das noch striktere Fernmeldegeheimnis greifen. Dies hatte sich jedoch in der Praxis nicht bewährt und war auch heftig kritisiert worden.

Auslöser des Verfahrens war eine Verfassungsbeschwerde der Heidelberger Amtsrichterin Nicole Bargatzky. Die Staatsanwaltschaft hatte sie des Geheimnisverrats bezichtigt, weil die Richterin - persönlich bekannt mit einem "Spiegel"-Reporter - die Medien über Ermittlungen gegen ein vermeintliches Heidelberger "Terrorpaar" informiert haben soll. Deshalb wurde fünf Monate später ihre Wohnung durchsucht und dabei Handy- und Computerverbindungsdaten erhoben. Der Zweite Senat rügte die Aktion als unverhältnismäßig. Bargatzky fühlte sich nach dem Karlsruher Urteil "vollständig rehabilitiert".

Ministerin Zypries begrüßte es, dass nach dem Urteil die "bewährte Ermittlungsmethode" weiterhin angewendet werden könne. Nun sei klargestellt, dass solche Daten nicht vom Fernmeldegeheimnis geschützt seien. Weil dies auch für "Inhaltsdaten" gelte, sei auch für die Sicherstellung kinderpornografischer Bilder Klarheit geschaffen.

Der Strafverteidiger Gunter Widmaier stellte klar, dass die Strafverfolger bei Handys und Computern nun höhere Hürden zu überwinden hätten als beispielsweise bei der Beschlagnahme von Waffen oder anderer Beweismittel. Denn das Recht auf informationelle Selbstbestimmung erhöhe den Schutz des Betroffenen.

Dem Zweiten Senats zufolge endet der Schutz des Fernmeldegeheimnisses mit dem Abschluss des Kommunikationsvorgangs. Die gespeicherten Verbindungsdaten stünden allerdings unter dem - ergänzenden - Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, weil sie Rückschlüsse über Beziehungen, Interessen, und Neigungen des Betroffenen zuließen und damit einem Persönlichkeitsprofil nahe kämen.

"Beim Zugriff auf die bei dem Betroffenen gespeicherten Verbindungsdaten ist auf deren erhöhte Schutzwürdigkeit Rücksicht zu nehmen", heißt es in dem einstimmig ergangenen Urteil. Konkret bedeutet dies dem Urteil zufolge, dass Computerdaten im Regelfall vor Ort durchgesehen werden müssen und nicht das gesamte Gerät beschlagnahmt werden darf.

Nach Auffassung der Grünen im Europa-Parlament stellt das Urteil die EU-Richtlinie zur Telefondatenspeicherung in Frage. Der Spruch aus Karlsruhe zeige, dass die EU-Regelung "in Konflikt mit dem deutschen Grundgesetz" stehe, erklärte der innenpolitische Fraktionssprecher Cem Özdemir. Die Grünen forderten die Bundesregierung auf, diese Richtlinie nicht umzusetzen. Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) müsse sich im Rat für eine Änderung der europäischen Vorgaben einsetzen. (dpa/tc)