US-Broker empfehlen wieder Halbleiteraktien - doch Vorsicht ist geboten:

Kapazitätsbereinigung in der DV Industrie hält an

13.09.1985

MÜNCHEN (aw) - Flaue Börsenumsätze kennzeichnen derzeit Wall Street. Die einst so umsatz- und gewinnverwöhnte DV-Industrie zeigt immer stärkere Rezessionserscheinungen. Analysten fragen sich zudem, wie lange die IBM noch der sogenannte "institutional darling" bleibt. Die Geschäfte des blauen Riesen zeigen rückläufige Tendenz. So wechselte das Lieblingskind der institutionellen Anleger in der Vergangenheit immer wieder.

Täglich werden neue Rekordmarken der Aktien-Indices in Deutschland und der Schweiz gemeldet. Während dessen herrscht an der Wall Street sommerliche Ruhe. Bei niedrigen Umsätzen kommt die US-Börse kaum vom Fleck. Kurzfristig haben die Südafrika-Unruhen und die dadurch ausgelösten Dollarturbulenzen den Markt belastet. Die Markttechnik ist jedoch weiterhin freundlich; auch die fundamentalen Voraussetzungen stimmen. Der kräftige Zinsrückgang der vergangenen Monate hat die Attraktivität des US-Aktienmarktes im Vergleich zum Anleihenmarkt und zu Geldmarktanlagen weiter erhöht.

Im Hochtechnologiebereich herrscht eine eindeutige Flaute. Hohe Nettozinsen und mäßige Konjunkturaussichten führen zu einer vorsichtigen Investitionspolitik. Absatzprobleme kennzeichnen die gesamte Branche. Wegen des "Lagerfilters" bei den Herstellern schwanken die Umsätze der vorgelagerten Zulieferer in der DV-Branche besonders heftig. Aus diesem Grund befindet sich die gesamte Halbleiterindustrie seit 18 Monaten in einem entscheidenden Umbruch. Betriebsstillegungen, drastischer Personalabbau und das Aufschieben von Investitionen sind die Folge. Noch sind Überkapazitäten vorhanden. Die Preiskämpfe setzen sich fort und die Ertragslage verschlechtert sich weiter.

Allerdings ist der Rückgang des Bestelleingangs zum Stillstand gekommen. Die Händleraufträge nehmen wieder zu. Zusätzlich zeichnen sich erste positive Auswirkungen der Sanierungsmaßnahmen auf die Kostenentwicklung ab. Das Ende des Dollarhöhenflugs und die sich bei sinkendem Dollar verbessernde Wettbewerbsfähigkeit der US-Industrie an den Auslandsmärkten verbessern die Aussichten.

Halbleiteraktien von mehreren US-Brokern wurden jetzt zum Kauf empfohlen. Seit Juni verbessert sich die relative Stärke dieser Aktiengruppe zum Gesamtmarkt. Skeptiker wenden zu Recht ein, daß die Überkapazitäten noch nicht genügend abgebaut sind. Auch die Wolken am US-Konjunkturhimmel werden dazu beitragen, daß die Nachfrage der Weiterverarbeiter noch nicht wieder scharf anzieht.

Preiskämpfe bei geringer Auslastung der Kapazität

In Zeiten niedriger Kapazitätsauslastung toben Preiskämpfe, die die Gewinnspannen schmälern. Preise werden nicht mehr an Rentabilitätserwartungen, sondern nur noch an den Fixkosten, ja unter Umständen sogar nur noch einer Teildeckung dieser Kosten gemessen. Die sinkende Rentabilität führt zu einer Fortsetzung der Kapazitätsbereinigung.

Eine Verbesserung der Ertragslage kann sich jedoch frühestens 1986 einstellen. Für Käufe ist es also noch zu früh. Dennoch sollte die Entwicklung der führenden Unternehmen der Branche beobachtet werden. Dazu zählen Motorola (34 6/8 Dollar), National Semiconductor (12 1/8 Dollar), Advanced Micro Devices (26 Dollar) und Intel (25 Dollar). National Semiconductor wird auch in Frankfurt München und Hamburg gehandelt (35 Mark).

Texas Instruments (TI) sollten dagegen auf jeden Fall gemieden werden. Das laufende Geschäftsjahr wurde schwach begonnen. Nach einem Gewinnrückgang von 89 Prozent im ersten Quartal mußte für das zweite Quartal sogar ein Verlust ausgewiesen werden. Für das dritte Quartal werden ebenfalls rote Zahlen erwartet. Schätzungen des Konzerns, für das gesamte Geschäftsjahr ein ausgeglichenes Resultat erreichen zu können, dürften zu optimistisch sein. Größter Verlustbringer bei TI ist der Halbleiterbereich. Zusätzlich belastet die anhaltend schwache Nachfrage für Minicomputer und Terminals (15 Prozent vom Umsatz) das Geschäft.

Wie lange bleibt IBM noch "institutional darling", das Lieblingskind der institutionellen Anleger? Setzt sich der Trend der enttäuschenden Gewinn- und Umsatzentwicklung im dritten Quartal dieses Jahres fort, so ist ein Ende der Rolle als Wall-Street-Primus durchaus möglich. Insbesondere die fehlerhaften Schätzungen über die zukünftige Ertragsentwicklung verärgern die Anleger. Es kann davon ausgegangen werden, daß das IBM-Management bei den Gewinnschätzungen für das gesamte Jahr 1985 zu hoch gegriffen hat. IBM-Boß John F. Akers gründete seine optimistische Prognose für das zweite Halbjahr vor allem auf den neuen Mainframe "Sierra". Wächst der Absatz für die 3090 in gleichem Tempo weiter, ist ein Erreichen der geschätzten 11,9 Dollar Gewinn pro Aktie möglich.

Zu den größten Halbleiterherstellern der Welt zählen die Japaner Nippon Electric Company, Hitachi Fujitsu und Toshiba. Die Probleme sind auf der anderen Seite des Pazifik nicht anders als in den USA, auch wenn die japanischen Hersteller auf den Exportmärkten nicht ähnlich stark unter Druck kamen wie die Dollar-geschädigte US-Konkurrenz. Der Preis für 64-K-DRAM-Chips fiel von 3,5 Dollar Anfang 1984 auf heute unter einen Dollar. Gleichzeitig stieg der Dollar gegenüber dem japanischen Yen in der Spitze um 15 Prozent. Um diesen Faktor minderte sich der Preisrückgang für die japanischen Hersteller im Außenhandel.

Auf der diesjährigen Finanzpräsentation des größten japanischen Computerproduzenten Fujitsu in Zürich (die Aktie wird an der Züricher Börse seit Herbst 1983 gehandelt) war die Stimmung gedämpft. In der Vergangenheit wurden stets hohe Umsatz- und Gewinnsteigerungsraten angekündigt. Trotz eines Umsatzplus von rund 17 Prozent während des laufenden Geschäftsjahres auf 1830 Milliarden Yen (etwa 22 Milliarden Mark), wird der Reingewinn um zwölf Prozent auf 78,5 Milliarden Yen (942 Millionen Mark) zurückgehen. Der Gewinn pro Aktie wird damit von 70,2 Yen im Geschäftsjahr 84/85 auf 62 Yen im laufenden Geschäftsjahr sinken. Bei einem Börsenkurs von 870 Yen entspricht dies einem geschätzten Kurs-/Gewinn-Verhältnis von 14, eine für japanische Verhältnisse niedrige Bewertung. Der Aktienkurs hat mit einem Rückgang von fast 1400 Yen auf das jetzige Niveau ein Teil des Ertragsrückgangs vorweggenommen.

Watanabe: Fehlerhafte Konjunktureinschätzung

Eine ähnliche Kursentwicklung verzeichneten die meisten japanischen Halbleiterhersteller. Der geschäftsführende Fujitsu-Direktor Kazuo Watanabe führte die Schärfe des Preis- und Nachfragerückgangs auch auf die fehlerhafte Einschätzung der Halbleiterbranche über die Dauer des Konjunktureinbruchs zurück. Neue und noch leistungsfähigere Chips seien mit hohem Druck entwickelt worden, was die Preise der "veralteten" Halbleiter zusätzlich gedrückt habe.

Watanabe ist allerdings optimistisch für das kommende Jahr gestimmt. Gut die Hälfte der laufenden Investitionen sind für den Ausbau des Halbleiterbereichs reserviert. Die Sparte Halbleiter macht 21 Prozent des Gesamtumsatzes von Fujitsu aus. 60 Prozent entfallen auf das Computersegment, in welchem Fujitsu in Japan an der Spitze noch vor IBM steht. Gelingt es dem Unternehmen, die Probleme im Halbleiterbereich im nächsten Jahr in den Griff zu bekommen, dürfte sich der Aufschwung (die Aktie kletterte in zweieinhalb Jahren von 550 Yen auf beinahe 1400 Yen) fortsetzen.

Neues Rekordhoch des FAZ-Index: Während insbesondere Automobilaktien, Konsumwerte, die Aktien der Bauindustrie und des Bauzubehörs sowie die Eisen- und Stahlindustrie relative Stärke zeigten, bleibt die, elektrotechnische Industrie deutlich hinter dem Gesamtmarkt zurück. Weder Nixdorf noch Siemens kamen so recht von der Stelle. Die Höchstkurse vom Juli konnten nicht überboten werden. Während Nixdorf mit einem geschätzten Kurs-/Gewinn-Verhältnis von 24 für 1985 eher teurer ist, überraschte das Hinterherhinken von Siemens viele Anleger. Es muß jedoch beachtet werden, daß ein völliger Favoritenwechsel an der deutschen Börse stattgefunden hat. Während bis zum Frühjahr wegen des Dollaranstiegs exportorientierte Werte bevorzugt wurden, trugen den letzten Börsenaufschwung vor allem die zinsreagiblen Aktien (Versorger, Hypothekenbanken, Geschäftsbanken) und inlandsorientierte Industriewerte. Ausnahme: Die Automobilindustrie gehörte wegen der traumhaften Gewinne 1985 trotz des hohen Exportanteils, eben falls zu den starken Branchen. Auch wenn aufgrund der hohen Umsätze eine Konsolidierung am deutschen Aktienmarkt überfällig ist, werden die nächsten Wochen weitere, wenn auch sehr selektive Kurssteigerungen bringen. Solange der Zins-Senkungstrend sich fortsetzt, wird es nur kleine Verschnaufpausen geben.

BMW besitzt noch ein gutes Potential unter den marktbreiten Standardwerten. Schlechte Presseberichte über den Inlandsabsatz vor allem während des zweiten Quartals führten dazu, daß der Aufschwung der BMW-Aktie nicht in vollem Umfang mitgemacht wurde. Tatsächlich hatten sich die Inlandsverkäufe schlechter als bei der Konkurrenz entwickelt. In Wirklichkeit hatte es jedoch nicht weniger Nachfrage gegeben, sondern der Absatz im Inland wurde durch Umleiten von Kapazitäten zugunsten des Dollarraums künstlich gedrückt. Bei hohen Dollarkursen wurde so zusätzlich verdient.

Berichtet wurde jetzt von einer Wiederaufnahme des Handels für die Mannheimer Beta Systems AG. Auch wenn, wie es von seiten des Unternehmens heißt, keine Verbindungen mehr zu dem einstigen Kerkerbachbahn-Boß Tom C. Sieger bestehen, ist die Vergangenheit noch lebendig. Informationen aus dem Unternehmen sind mit Vorsicht zu genießen.