Erste Schritte zur Diversifizierung

Juniper Networks wildert in Ciscos Revieren

23.07.2004
MÜNCHEN (CW) - Der Netzausrüster Juniper Networks hat die Weichen auf Wachstum gestellt. Im jüngsten Quartal steigerte das Unternehmen den Umsatz um 86 Prozent und setzte die Prognosen für das Gesamtjahr hoch. Der "Router-Krieg" gegen Cisco Systems gewinnt an Dynamik.

Mit den Finanzzahlen des zweiten Quartals hat Juniper an der Wallstreet für Überraschung gesorgt. Das Unternehmen konnte die eigenen Vorgaben und die Prognosen der Analysten deutlich übertreffen, zudem wurden die finanziellen Erwartungen heraufgesetzt (siehe Kasten "Starke Zahlen"). Die Integration des im Frühjahr übernommenen Security-Anbieters Netscreeen verläuft relativ zügig, der Router-Markt wächst wieder, wenn auch geringfügig, und Juniper kann dem Rivalen Cisco immer noch Marktanteile streitig machen. Zumindest im Bereich der Core-Router, die von Carriern und Service-Providern gekauft werden, hat sich der Wettbewerb im einst heterogenen Markt inzwischen zu einem Duell der beiden Firmen entwickelt.

Hoffen auf die Enterprise-Router

Nun will Juniper den guten Namen und den Rückenwind aus dem Highend-Bereich nutzen, um eine zweite Front gegen Cisco zu eröffnen: das Geschäft mit Unternehmenskunden. Kernkomponente sind die Router der "J"-Serie, die in einigen Monaten auf den Markt kommen. Ein Schnellschuss ist die Strategie nicht, denn seit geraumer Zeit arbeitet Juniper daran, sich ein weiteres Standbein zuzulegen. "Wir haben insgesamt knapp zwei Jahre an den J-Routern entwickelt", berichtet Thomas Ruban, Junipers technischer Direktor in Europa. Die Rechnung ist simpel: Pro Jahr werden weltweit nur einige hundert Terabit-Router von Service-Providern nachgefragt, während ein großes Unternehmen leicht tausend mittelschwere Geräte kaufen kann.

Die Diversifizierung hätte indes auch im Keim erstickt werden können: Dass Juniper in einer gravierenden Unternehmenskrise 2001 und 2002 an den meisten Entwicklern festgehalten hat, ist in erster Linie der Standhaftigkeit von Firmenchef Scott Kriens zu verdanken. "Hätten wir damals auf die Wallstreet gehört, würden wir heute nicht so gut dastehen", sagt Ruban. Nun will das Unternehmen mit den J-Routern Ciscos zentrale Produktlinien angreifen.

Vertriebswege zugekauft

Eine weitere Grundlage für den Schritt in Richtung Unternehmenskunden schuf Juniper im vergangenen Februar, als der Firewall-Spezialist Netscreen für vier Milliarden Dollar übernommen wurde. Hintergrund waren die Vertriebskanäle, die Juniper sich andernfalls erst hätte mühsam aufbauen müssen. Der Deal sei eine gute Chance für die J-Router, "Netscreens Channels mitzunutzen und schnell im Markt Fuß zu fassen", erläutert Ruban. Zwar sind die Geräte erst im September verfügbar, die Auswirkungen der Ankündigung wird Cisco indes eher spüren, denn einige potenzielle Kunden dürften ihre Investitionen zumindest teilweise verschieben.

Andererseits ist auch Netscreens Kernkompetenz, der Security-Markt, ein lohnendes Ziel - die Bedrohung ist allgegenwärtig, und die Umsätze steigen. Laut Infonetics Research wachsen etwa die Einnahmen mit Lösungen für virtuelle private Netze (VPNs) auf Basis der Secure-Sockets-Layer-(SSL-)Technologie gegenwärtig um rund zwölf Prozent pro Jahr. Hier ist Netscreen Marktführer. Zudem lassen sich die beiden Segmente kombinieren, also die Router mit Sicherheitsfunktionen anreichern. Die an sich dummen Paketverteiler müssen mit Zusatzmerkmalen ausgestattet werden, damit sie sich auch künftig mit einer anständigen Gewinnspanne verkaufen lassen. "Das Security-Segment ist für Juniper interessant, weil es eine riesige Herausforderung für unsere Kunden bedeutet", berichtet Ruban. Komplexe Probleme verlangen komplexe Lösungen, was wiederum die Wertschöpfung für die Lieferanten in die Höhe treibt.

Konzentration auf die Wertschöpfung

Nach Angaben des technischen Direktors will das Unternehmen vorerst an seiner "überschaubaren" Produktpalette festhalten - "Produkte, aus denen unsere Kunden einen strategischen Nutzen ziehen". Ein traditioneller Ethernet-Switch biete dies nicht, der sei Commodity und komme zunehmend billig aus Asien, argumentiert Ruban: "Wir wollen komplexe Probleme im Networking-Umfeld lösen." So breit wie Cisco stellt sich Juniper dabei nicht auf, um weiterhin schneller regieren zu können und die Gewinnspannen zu halten: "Wir lassen bewusst Bereiche aus", sagt Ruban, "in denen die Wertschöpfung sehr gering ist." Hierzu zählt er etwa das heiß umkämpfte Privatkundensegment.

Die Integration von Netscreen sei Ruban zufolge verhältnismäßig reibungslos abgelaufen. Immerhin kamen mehr als 900 Mitarbeiter auf einen Schlag zu den vormals über 1500 Angestellten Junipers hinzu. Entlassen wurden vornehmlich Beschäftigte, deren Funktionen im administrativen Bereich nun doppelt besetzt waren. Knapp 300 Angestellte hat das kombinierte Unternehmen gegenwärtig in Europa, die Hälfte davon sind Techniker. Mit der Strategie, gekoppelte Hard- und Softwareprodukte zu verkaufen, lagen die beiden Firmen ohnehin auf einer Wellenlänge. Zudem hat Netscreeen den Hauptumsatz ebenfalls im Unternehmensumfeld gemacht.

Dem Juniper-Management bleiben in den kommenden Quartalen zwei zentrale Aufgaben: Es muss beweisen, dass nicht nur der Aufstieg bewerkstelligt werden kann - die schwerere Aufgabe liegt darin, sich über einen langen Zeitraum im Vorderfeld zu halten. Cisco ist dies nachweislich gelungen. Zudem muss Juniper der Wallstreet verdeutlichen, dass die Prognosen nicht - wie zuletzt üblich - stets übererfüllt werden können. Wenn Cisco seinen neuen Hochleistungs-Router "CRS-1" erst einmal im Markt verankert hat, braucht Juniper selbst eine Anlaufphase, um die künftigen Nachfolger der inzwischen über zwei Jahre alten "T640"-Serie an den Kunden zu bringen. Kommen dann ein Preiskampf sowie ein schwaches Marktumfeld hinzu, wird es nicht leicht, Analysten und Investoren zufrieden zu stellen. (ajf)

Starke Zahlen

Im zweiten Quartal konnte Juniper Networks fast in allen Belangen an die Entwicklung der vergangenen Berichtszeiträume anknüpfen. Lediglich das Nettoergebnis fiel negativ aus, da das Unternehmen Sonderaufwendungen für die Netscreen-Akquisition bilanzieren musste.

- Der Umsatz stieg gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 86 Prozent auf 306,9 Millionen Dollar. Analysten hatten durchschnittlich mit Einnahmen von 275 Millionen Dollar gerechnet. Ohne Netscreen hätte Juniper 255 Millionen Dollar umgesetzt.

- Das Nettoergebnis sank von plus 13,6 Millionen auf minus 12,6 Millionen Dollar. Demgegenüber stieg der nicht nach GAAP bilanzierte Nettoprofit von 10,3 Millionen auf 42,7 Millionen Dollar oder acht Cent je Aktie. Die Wallstreet hatte mit vier Cent kalkuliert.

- Der operative Cashflow verdoppelte sich von 60,3 Millionen Dollar im Vorjahresquartal auf 119 Millionen Dollar. Der Bargeldbestand sowie die kurzfristig verfügbaren Investments summieren sich auf knapp eine Milliarde Dollar.

- Juniper setzte die Prognosen für den laufenden Berichtszeitraum herauf und rechnet nun mit Einnahmen von bis zu 370 Millionen Dollar. Die Gewinnplanung wurde auf elf Cent je Aktie erhöht. Das Unternehmen kündigte an, eigene Aktien im Wert von 250 Millionen Dollar zurückzukaufen.

Junipers Hintergrund

Juniper Networks wurde im Jahr 1996 von verschiedenen Netzausrüstern gegründet, um ein Gegengewicht zu Cisco Systems zu schaffen. Kapitalgeber waren unter anderem Siemens, Nortel, Ericsson, Lucent und 3Com. Inzwischen hat sich der Newcomer etabliert und kam laut Dell''Oro-Group im ersten Quartal auf einen Core-Router-Marktanteil von rund 34 Prozent. Cisco blieb Platzhirsch mit knapp 60 Prozent. Der Router-Gesamtmarkt wuchs in den ersten drei Monaten des Jahres um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr auf ein weltweites Marktvolumen von 1,8 Milliarden Dollar.

Abb: Umsatzsprung durch eine Übernahme

Der Nettoverlust im jüngsten Quartal resultiert aus Sonderposten in Höhe von rund 60 Millionen Dollar aufgrund der Netscreen-Übernahme. Quelle: Juniper Networks