Johannistrieb im Mainframe-Herbst

28.10.1994

Dieter Eckbauer

Erstaunlich gelassen reagierte die New Yorker Boerse auf den Quartalsbericht der IBM. So wiesen die Analysten von Goldman, Sachs & Co. darauf hin, dass Big Blue zwar im 370-Mainframe- und AS/400-Midrange-Bereich von einem Nachholbedarf profitiert habe, aber dies sei wie ein kurzer, warmer Regen in einem langsam austrocknenden Markt (Seite 1). Noch koenne von einem Wiedererstarken der IBM nicht gesprochen werden, so gut die Ergebnisse auf den ersten Blick auch aussaehen. Goldman, Sachs & Co. nimmt hier eine abwartende Haltung ein. Andere Analysten machen weniger Vorbehalte, sehen in IBM eine Company, die durch ihre erklaerten Akquisitionsabsichten wiedergewonnene Staerke beweist.

Es war voreilig, den Mainframer abzuschreiben. Sinngemaess wird sich das vorhalten lassen muessen, wer die Turnaround-Aussichten der IBM nach wie vor eher skeptisch beurteilt. Der vermeintlich bewusst uneinsichtige Big-Blue-Kritiker als Watschenmann? Keine uebertriebene Vorstellung. Andererseits ist es verstaendlich, dass die Marktbeobachter von Goldman, Sachs & Co. der Versuchung widerstanden haben, die Renaissance der Mainframes zu feiern. Die Quartalszahlen geben dafuer zuwenig her.

Was den Punkt Genugtuung fuer die Mainframer angeht, so ist die IBM genaugenommen aussen vor. Was nuetzte es ihr, fuer ein "Weiter-so"- Programm einzutreten, wenn die Macher in den Anwenderunternehmen Veraenderungen wollten? Von einer Umkehr der Verhaeltnisse im Topmanagement der IBM, einer Rueckbesinnung auf alte Tugenden auszugehen, lohnt sich in der Tat nicht. Aber beachtlich scheint doch das Verhalten der IBM-Kunden zu sein. Einiges deutet darauf hin, dass bei vielen eine Aenderung der IT-Strategie momentan nicht auf dem Programm steht, die Weiter-so-Einstellung vorherrscht, zumal angesichts der Konjunkturbelebung IT-Ueberlegungen beim Management in den Hintergrund ruecken.

Das wuerde immerhin erklaeren, wie IBMs xter Mainframe-Fruehling zustande kommt - kein Grund jedoch fuer die IT-Verantwortlichen, in Jubel auszubrechen. Tendenziell ist die monolithische Mainframe-DV gegenueber dem Client-Server-Networking nicht die bessere Loesung, in ihr sehen viele jedoch immer noch das geringere Uebel. Man kommt um die Feststellung nicht herum, dass das Reformangebot der IT- Hersteller, so sie denn eine Erneuerung ueberhaupt wollten, von den Anwendern nicht in ausreichendem Masse angenommen wurde.

Doch um das Wohl und Wehe der Client-Server-Anbieter geht es nicht, es zaehlt allein die Anwendersicht. Fragen, die sich die Verantwortlichen stellen sollten: Stehen Aenderungen im Unternehmen an, auf die der IT-Bereich reagieren muss? Haben wir eine IT- Strategie, in der Flexibilitaet oberstes Ziel ist? Identifizieren sich die Benutzer mit dem IT-Einsatz? Von der Beantwortung dieser Fragen haengt es ab, wohin das Pendel ausschlaegt. Nicht nur fuer Goldman, Sachs & Co. ist die Richtung klar. Es bleibt der Phantasie jedes einzelnen ueberlassen, daraus die richtigen Schluesse zu ziehen, was den wahren Zustand der IBM betrifft.