Starke Nachfrage nach Java-Spezialisten

Jobprofil: Überzeugungstäter mit Stehvermögen

19.06.1998

Nirgendwo sonst ist es derzeit so gewinnträchtig, sich auf die eigenen Beine zu stellen, wie im IT-Umfeld. Die Analysten von Input zum Beispiel erwarten, daß die Kosten für internes Informatikpersonal in den kommenden Jahren in Europa sinken werden. Auf der anderen Seite müßten die Unternehmen gut sieben Prozent mehr als bisher in externes Know-how investieren.

Besonders gesucht sind derzeit Spezialisten für die Internet-Programmiersprache Java. Wer einen gestandenen Profi einstellen will und sich dabei keine ungewöhnliche Strategie einfallen läßt, wird kaum geeignetes Personal finden. Dabei wußten viele Unternehmen gestern noch nicht, daß sie heute und morgen nicht mehr ohne Java-Kenner auskommen werden. So hat sich auch Birgit Kasten gefühlt, als sie mit dem Problem konfrontiert wurde: "Unsere Kunden fordern immer mehr Java-Kompetenz, die wir einfach unter Beweis stellen müssen."

Die Leverkusener Kasten Consulting GmbH bewegt sich seit einigen Jahren im Lotus-Notes-Umfeld. Als Groupware-Spezialist erstellt das Beratungshaus individuelle Lösungen für die Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern. "Seitdem das letzte Release der Software im Markt ist, müssen wir nicht mehr mit C oder C++ herumstöpseln, sondern können gleich das plattformunabhängige Java einsetzen." Doch Spezialisten für diese Programmiersprache in Kombination mit Notes zu finden, gleicht der Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen.

Mit der gewaltigen Nachfrage nach Internet-Wissen ist auch Bruce Sams konfrontiert, Chef der Firma Mediateam in Neufahrn. Nach einem Intermezzo beim Max-Planck-Institut in Garching machte sich der promovierte Harvard-Absolvent und Astrophysiker 1996 selbständig. "Seit drei Jahren konzentriere ich mich auf Java", sagt der Amerikaner, der 15 Freelancer in bundesweiten Großkundenprojekten beschäftigt, Tendenz steigend.

Um den Bedarf an Java- sowie Corba-Profis zu decken, schaltet Sams Anzeigen, geht in die Unis und klinkt sich in Newsgroups ein. Er profitiert von der Marktsituation: "Meine Leute wollen mehr verdienen und selbständig sein."

Daß die Beraterin Kasten sich beruhigt um die Expansion ihrer Company kümmern kann, hat mit Zufall zu tun. Auf Einladung der Fachhochschule Düsseldorf nahm ihre Firma an einer Präsentationsrunde teil. Danach erkundigten sich einige Studenten nach Praktika und Diplomarbeiten. Auch die Hochschullehrer wollten den Kontakt intensivieren. "Der erste Student hat wie eine Bombe bei uns eingeschlagen", erinnert sich Kasten voller Freude. "Nach bestandenem Examen haben wir ihn mit dem Aufbau eines Internet-Teams beauftragt." Inzwischen ist das Unternehmen im Förderverein der Hochschule, nimmt Lehraufträge wahr und soll nun auch noch mit einem Vertreter in den Beirat gewählt werden.

So profitieren beide Seiten von der Kooperation. Kasten bringt marktaktuelles Java-Know-how und Praxiswissen in die Fachhochschule, während die Studenten frühzeitig an wichtigen Qualifikationen feilen können. "So züchten wir uns die künftige Mannschaft heran", sagt die Unternehmerin. Laissez-faire geprägte Studentenmentalität ist allerdings nicht gefragt. "Wir brauchen Überzeugungstäter", sagt Kasten, die es bedauert, daß sich noch keine Studentin beworben hat.

Nur mit jungen Talenten geht es aber nicht. Die Firmenchefin stellt auch gestandene Profis aus anderen Gebieten wie Controlling oder Mathematik ein und sorgt für das fachliche Rüstzeug. Berufserfahrung und "intellektuelle Kompetenz", eine unverzichtbare Voraussetzung im Projektgeschäft, brächten diese Leute bereits mit.

"Stehvermögen" fordert Sams seinen Java-Freaks ab, schließlich geht es um Projekte bei anspruchsvollen Großkunden. "Ich nehme nur die besten Leute mit besten Kenntnissen und Erfahrung im Consulting", sagt Sams. Hochschulabsolventen haben keine Chance. E-Commerce und Sicherheit im Internet seien sensible Themen, die seinen Spezialisten im unmittelbaren Kundenkontakt alles abverlangten.

Sams beobachtet, daß sich die Anwender nicht leicht tun, wenn es um den Einsatz neuer Technologien geht. Sich den ganzen Tag mit C++ oder Visual Basic zu beschäftigen, sei langweilig und ohne Zukunft: "Trotzdem denken noch immer viele DV-Leute, damit auf der Höhe der Zeit zu sein." Mit Java hingegen werde die Welt "neu gestaltet," daraus ergäben sich hervorragende berufliche Perspektiven. Sams ehrgeiziges Ziel ist es, zumindest in Süddeutschland zu einem "Center of Excellence" im Java-Umfeld zu avancieren.

Winfried Gertz ist freier Journalist in München.