Jeder vierte Industriebetrieb am Volkswirtschaftsnetz: Sowjetunion rechnet mit dritter Generation

20.03.1981

HAMBURG (gr) - Was die reine Ausstattung mit Rechnern betrifft, ist der Rückstand der UdSSR verglichen mit westlichen Industrieländern nicht so gewaltig. Nach Beobachtungen von Erwin Bressensdorf, Geschäftsführer und Eigner der Osthandel Consulting GmbH, Hamburg, klafft die technologische Lücke vielmehr im Bereich der Mikroprozessoren. Hier stehe die Sowjetunion erst am Anfang der Eigenproduktion.

Einen technischen Gleichstand der EDV-Anlagen in der Sowjetunion gegenüber dem Westen stellen nach Ansicht von A. I. Schokin, Minister der elektrotechnischen Industrie in der UdSSR, mittlerweile die Fachleute fest. Wie er auf dem 26. Parteitag der KPdSU in Moskau erklärte, wurde der Rückstand der UdSSR bis vor kurzem noch mit sieben bis zehn Jahren angegeben. Das Hamburger Institut für Ostmarktforschung, ein Schwesterunternehmen der Consulting, bestätigte diese Angaben. Die Produktion von EDV-Anlagen sei von 1,9 Milliarden Rubel 1975 auf 4,5 Milliarden Rubel 1980 gestiegen.

1980 wurden nach Angaben des Institutes fast 10 000 EDV-Anlagen hergestellt. Bis 1985 steige die Produktion auf acht Milliarden Rubel. Ein großer Teil der Erzeugung floß allerdings in den Rüstungssektor. Bei einer Gesamtproduktion von 4,5 Milliarden Rubel gingen 1980 rund 1,05 Milliarden Rubel in die zivile Nutzung. Der Einsatz im militärischen Bereich stieg von 0,5 Milliarden Rubel 1975 auf 3,5 Milliarden Rubel 1980.

In einem örtlichen Netz, das sich aus Fabriken und Kombinaten zusammensetzt, werden die Primärdaten aus dem Betriebsgeschehen erfaßt, erläutert Bressensdorf. Von den insgesamt 230 000 Industriebetrieben seien etwa 60 000 an das Rechnernetz angeschlossen. Die dort gesammelten Daten werden in die zweite Systemebene eingespeist. Sie bilden die 15 Republiken der Sowjetunion. Ihnen übergeordnet steht der Staatsplan, in den die Daten der untergeordneten Ebenen eingehen. Parallel dazu arbeite ein Integrationssystem.

Diese Netze bestehen nach Angaben Bressensdorfs ebenso aus Rechnern der dritten Generation wie das Informationsnetz, das die ökonomischen Daten aller Länder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW, auf englisch Comecon) koordiniere.

Nicht an Möglichkeiten zur Ausweitung ihrer Rechenkapazitäten fehle es der UdSSR, urteilt der Unternehmensberater. Ein Engpaß bestehe, vielmehr in der Ausstattung mit Peripheriegeräten und Software. Zur Entwicklung von Software existiere in der Sowjetunion ein einziges Institut, das mit den herangetragenen Forderungen einfach überlastet sei.

Die UdSSR bemühe sich seit drei bis vier Jahren verstärkt um den Import von Programmen. Solange der Westen allerdings die Embargo-Bestimmungen, wie sie in der Cocom-Liste zusammengefaßt sind, dergestalt streng handhabe wie gegenwärtig, könne das Geschäft nur gering ausfallen.