Jedem sein Computer-Spielzeug

12.12.1975

Quizkid ist eine Eule mit einem roten und einem grünen Auge. Das wäre an sich noch nicht ungewöhnlich allenfalls selten: Entscheidend ist das Innenleben des Nachtvogels - ein elektronischer Vierspeziesrechner. Für 39 Mark inklusive eines lustigen Handbuches wird die Computer-Eule als zeitgemäßes Spielzeug von Kaufhäusern und Versandgeschäften angeboten. Spielend können die Kinder mit Quizkid rechnen lernen und ihre Fehler kontrollieren: Bei "Error" blinzelt das rote Auge, die grüne Pupille signalisiert Lernerfolg.

Quizkid im Kinderzimmer, die solarzellengespeiste, rechnende, elektronische Armbanduhr am Handgelenk der Zuhaus-Computer als Familienmittelpunkt, der kalkulierende Kugelschreiber in der Brusttasche des Managers, Millionen von Taschenrechnern in der Hand von Hausfrauen, Schulkindern, Berufstätigen: Was ist dagegen Science-Fiction? Die Computer-Zukunft hat nicht begonnen, wir leben mitten darin.

Sollte man meinen. "Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so", resümierte einst der Linksdenker Bert Brecht. Man könnte meinen, er hätte sich zum Thema "DV im deutschen Bildungswesen" geäußert. Denn die findet praktisch nicht statt, und vor Ende dieses Jahrzehnts wird in diesem Land auch kaum das Geld aufzutreiben sein (oder fehlt es an Einsicht und gutem Willen?) daran was zu ändern. Da mögen sich Sachverständige engagieren und vor dem modernen Analphabetentum durch DV-Nichtwisser warnen. Da mögen Wissenschaftler detailliert vorrechnen, daß von 1976 bis 1978 pro Jahr und Schüler nur 27 Mark (der Preis eines Taschenrechners! ) investiert werden müßten, um wenigstens den Minimalforderungen für eine DV-Ausbildung junger Menschen gerecht zu werden - sie scheinen Rufer in der Wüste zu sein .

Vielleicht sollte man jedem verantwortlichen Politiker in Bund, Ländern und Kommunen je ein Computer-Spielzeug, eine Quizkid-Eule stiften. Mit Dauerfunktion natürlich: Das rote Auge blinkt.