Interview

"Java ist zentral für die Zukunft von Netscape"

17.10.1997

CW: Wie sieht die Strategie von Netscape aus, und welche Ziele wollen Sie erreichen?

Barksdale: Wir wollen vor allem als Internet-Company wahrgenommen werden, nicht nur als Browser-Hersteller. Strategisch verfolgen wir dabei drei Ziele.

Erstens wollen wir auf Basis von Intranet-Technologien Unternehmensprozesse besser integrieren. Mit unseren Produkten lassen sich übergreifende Lösungen auf unterschiedlichen Plattformen, Betriebssystemen und Datenbanken realisieren.

Unser zweiter Schwerpunkt sind Extranets. Sie sollen Unternehmen untereinander verbinden. Clients können unter Verwendung entsprechender Sicherheitsmechanismen transparent auf Ressourcen von Geschäftspartnern zugreifen. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf unser Joint-venture Actra mit General Electric hinweisen. Als hauptsächliche Benutzer-Schnittstelle dient dort E-Mail.

Der dritte Bereich ergibt sich fast zwangsläufig aus den ersten beiden: Sobald unsere Kunden Unternehmensabläufe über Intranets vereinheitlicht haben und über Extranets in Verbindung mit Geschäftspartnern stehen, fragen sie nach bestimmten Dienstleistungen. Dazu gehören vor allem Vermittlerservices, die Unternehmen und Kunden zusammenbringen. Zu diesem Zweck haben wir auf unserer Web-Site "Netcenter" eingerichtet. Dieser Dienst hat bereits mehr als eine Million Mitglieder.

CW: Für uns stellt sich die Frage, wo der Schwerpunkt der Netscape-Aktivitäten liegt. Sie begannen mit dem Browser-Geschäft im Consumer-Markt. Den geben Sie wohl im Zuge der geschilderten Strategie auf.

Barksdale: Achtzig Prozent unserer Einkünfte aus dem Softwareverkauf stammten immer schon von Geschäftskunden. Den Privatanwender haben wir aber deshalb nie aufgegeben. Unsere Initiative "Netscape Everywhere" hat sich zum Ziel gesetzt, 120 Millionen Kopien des "Navigator" und "Netcaster" genau in diesen Markt zu verkaufen.

CW: Wie definieren Sie Ihren Erfolg über Marktanteile? Was würde es für Sie bedeuten, wenn Sie nicht mehr Marktführer bei Browsern wären?

Barksdale: Wir haben wirklich ein Problem, wenn sich die absolute Zahl von derzeit 68 Millionen Navigator-Anwendern rapide verringert. Die Festlegung auf bestimmte Marktanteile ist aber schwierig, weil die Entwicklung des Marktes kaum vorhersehbar ist. Was bedeuten Marktanteile, wenn immer mehr Geräte an das Internet angeschlossen werden, die keine PCs sind? Im übrigen haben viele Anwender mehrere Browser installiert, statistisch sind es 1,5 pro Benutzer. Die Frage ist, welchen sie einsetzen.

CW: Unsere Kunden fragen uns, warum sie für einen Browser bezahlen sollten, wenn sie einen anderen kostenlos bekommen können.

Barksdale: Die meisten Leute, die älter als sechs Jahre sind, wissen, daß es kaum etwas umsonst gibt. Aber im Ernst, ich verstehe Ihre Frage natürlich. Wenn ein Unternehmen ein Intranet einrichtet, sind die Anschaffungskosten für die Software eine Kleinigkeit im Vergleich zu den Unterhaltskosten des PC-Modells. Der Trainingsaufwand ist viel geringer, der ständige Zwang zu Updates entfällt. Sie (gemeint ist Microsoft, Anm. der Red.) kassieren Lizenzgebühren für jeden Arbeitsplatz und geben den Browser kostenlos ab. Für den Navigator zahlen Sie Gebühren pro Anwender, müssen aber das Betriebssystem nicht mitkaufen. Wenn Bill Gates sagt, Browser sollten kostenlos sein, dann meine ich, Betriebssysteme sollte es umsonst geben.

CW: Ist Java für Netscape auch nur eine weitere Programmier- sprache, so wie für Microsoft?

Barksdale: Ich bitte Sie! Wir sind der erste Lizenznehmer von Java. Die Sun-Technologie ist absolut zentral für Netscapes Zukunft. Damit bringen wir unseren Browser auf verschiedene Plattformen. Gerade im Consumer-Markt werden Internet-Geräte nicht nur PCs sein, denken Sie etwa an Web-TV.

CW: Die Netscape-Strategie ist vielen Leuten unklar. Entwickler wollen Ihre Plattform nutzen, wissen aber nicht wie. Was wollen Sie dagegen tun?

Barksdale: Wir machen vierteljährlich Umfragen bei unseren Kunden und Entwicklern. Wir haben zuletzt beim Entwicklersupport besser abgeschnitten. Ich glaube, unsere Developer-Konferenz hat uns da vorangebracht. Die meisten Programmierer haben den Eindruck, daß es sehr einfach ist, auf der Basis unserer Produkte zu entwickeln.