Jagd auf ClM-Personal

22.08.1986

Projektleiter CIM gesucht, mit abgeschlossenem Studium oder Promotion in Maschinenbau, Elektrotechnik, Fertigungstechnik oder Fertigungsorganisation, Prädikatsexamen und möglichst Aufbaustudium in Wirtschaftswissenschaften, der sich neben seinem Studium intensiv mit Datenverarbeitung beschäftigt hat. Wünschenswert wären weiterhin einige Erfahrungen bei einem Anbieter, Anwender oder Beratungsunternehmen in der Entwicklung und Implementierung von Informations- und Kommunikationssystemen. Englischkenntnisse und hervorragende Präsentationsfähigkeiten in Wort und Schrift sind Voraussetzung.

Solche und ähnliche Stellenangebote sieht man in letzter Zeit häufig. Der hierauf passende Bewerber dürfte jedoch wohl kaum gefunden werden. Denn DV-Personal ist ohnehin rar. Noch prekärer indes ist die Situation bei "CIM-Personal". CIM-Spezialisten mit Erfahrung gibt es bisher nur wenige. Der Nachwuchs kommt aus einer Handvoll Hochschul- und Forschungsinstitute, die Zahl der Studienabgänger ist beschränkt. Oft haben die Studenten den Arbeitsvertrag schon in der Tasche, bevor das Diplom-Zeugnis ausgestellt ist.

Diese angespannte Lage auf dem CIM-Stellenmarkt führt zu teilweise abstrusen Praktiken, zum Beispiel dem "Bewerbungstourismus": Dabei reisen Bewerber ein halbes Jahr durch Deutschland und optimieren ihre Vertragskonditionen. Das Ergebnis sind Verträge, die eigentlich nicht so recht in das Gehaltsschema des Unternehmens passen wollen. Die Personalleiter kaufen ein, was immer am Markt verfügbar ist. Manche Anbieter und Beratungsunternehmen tun sich hier besonders hervor, man sieht es an den sinkenden Pro-Kopf-Umsätzen.

Einhellig herrscht die Meinung, wirklich qualifiziertes Personal bekomme man nur durch Direktansprache und durch Anbieten finanzieller Anreize.

Diese Entwicklung kann nicht so weitergehen. Das Personalkarussell dreht sich schneller und schneller. Wer zu hoch gepokert hat, hat es schwer, wieder irgendwo unterzukommen. Denn ein Gehaltssprung nach unten bedeutet in Deutschland immer noch einen unverzeihlichen Karriereknick.

Meines Erachtens ist es höchste Zeit, die Ursachen dieser Situation zu suchen und gemeinsame Anstrengungen zu treffen, um den Stellenmarkt auch als Markt zu erhalten. Wenn nur noch wenige "Monopolisten" sich die wenigen Spezialisten leisten können, so ist dies für die gesamte Branche, einschließlich der der Anwender, schädlich. Wer sich dann keine Spezialisten leisten kann, wird zwangsläufig auf der Strecke bleiben. Noch ist genügend Zeit, dies zu verhindern.

Die Probleme liegen in den teilweise undefinierten, teilweise überzogenen Anforderungen an CIM-Personal. "Überlappende Qualifikation" ist gefordert. Gesucht wird der "Wirtschafts-Ingenieur-Informatiker".

Ein grundlegendes Problem ist die Definition von "CIM" selbst. Der ClM-Begriff hat Furore gemacht, aber eine einheitliche Definition von "CIM" gibt es bis heute nicht. Für mich ist CIM eine Langzeitphilosophie der integrierten Informationsverarbeitung in der Fertigungsindustrie. Unter dieser Definition wird jeder Hersteller und Software-Anbieter sein eigenes ClM-Konzept entwickeln und auf dem Markt darbieten. Jeder Anwender wird darüber hinaus seine individuelle ClM-Lösung haben.

Aber es hilft uns nicht, lang und breit über die CIM-Definition zu diskutieren, während wir händeringend nach qualifiziertem Personal suchen, das diese Thematik bearbeiten kann. Ansetzen müssen wir deshalb im Bereich der Ausbildung und der Weiterbildung. Hier sind die Verantwortlichen der Bildungspolitik in die Pflicht genommen, die Hochschulen und Institute der angewandten Forschung, aber auch im Weiterbildungsbereich die Industrieunternehmen als Hersteller und als Anwender . . .

Es müssen Aus- und Weiterbildungskonzepte entwickelt werden in gemeinsamer Anstrengung mit den Verbänden und Gewerkschaften. Über die Auswirkungen von CIM auf Arbeitsinhalte und Arbeitsplätze müssen wir jetzt nachdenken und nicht erst, wenn irreparable Fakten geschaffen sind.

Wir müssen Ausbildungsgänge formulieren. Und wir müssen Perspektiven aufzeigen, wie man im ClM-Bereich Karriere machen kann. Solange Karriere gleichbedeutend ist mit "Manager werden" und jeder versucht, dieses Ziel so schnell wie möglich zu erreichen, wird das ohnehin geringe Potential an hochqualifizierten Fachkräften weiter ausgedünnt. CIM-Spezialisten sind Manager der Information, dazu ist es nicht erforderlich eine große Zahl von Mitarbeitern zu befehligen.

Es darf nicht als karriereschädlich angesehen werden, wenn ein Fachspezialist vorübergehend für ein oder zwei Jahre in einem CIM-Projekt "untertaucht", um in einer kleinen Gruppe kreativ zu sein und Konzepte zu entwickeln.

Dies erfordert Umdenken. Hinzu kommt langfristig die Perspektive völlig neuer Berufsbilder. Zur Zeit werden im ClM-Bereich DV-technische Teillösungen entwickelt und implementiert. Diese verändern nur selten die Arbeitsorganisation. So bleibt eigentlich alles beim alten. Der Erfolg, gemessen an der theoretisch möglichen Produktivitätssteigerung, ist dann auch gering.

CIM muß Bestandteil der strategischen Planung sein, das heißt ein ClM-Konzept kann nicht losgelöst von der Unternehmensstrategie entwickelt werden. CIM ist mehr als nur das Kopplungsproblem zweier Rechner. Ohne Organisationsentwicklung sind erfolgreiche ClM-Realisierungen mittelfristig nicht denkbar.

Hier kommt den Hochschulen und Forschungsinstituten eine Vordenkerrolle zu. Für die Umsetzung in den Unternehmen brauchen wir dieses Know-how. Damit wären wir wieder beim Thema Personal: CIM wird nicht "laufen", solange das Manpower-Problem ungelöst bleibt.