Itil V 3, Buch 1: Was Itil V3 dem Management bringt

08.10.2007
Von Hans-Peter Fröschle
Der erste Band der aktuellen Itil-Version beschäftigt sich mit dem übergreifenden Thema "Service Strategy".

Die IT Infrastructure Library (Itil) hat sich zum De-facto-Standard für das IT-Service-Management (ITSM) entwickelt. Version 2 der Best-Practice-Anleitungen widmete sich vor allem den operativen Bereichen. Ihr Schwerpunkt lag auf der Darstellung der Prozesse, und ihr Ziel war es, die Serviceorientierung im IT-Management zu etablieren. Die Ausrichtung des ITSM an den Geschäftsanforderungen des Unternehmens wurde hingegen nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und nur rudimentär umgesetzt.

An diesem Punkt setzt das Redesign der Version 3 an: Im Mittelpunkt steht nicht mehr der ordnungsgemäße Betrieb der IT. Vielmehr spiegelt sich darin die Erkenntnis wider, dass die IT Dienstleistungen für das Kerngeschäft zu erbringen hat für interne wie externe Kunden. Damit einher geht ein wettbewerbsorientiertes Verständnis von der Informationstechnik.

Was heute als Best Practice dokumentiert ist, bedeutet morgen vielleicht nur noch Good Practice und degeneriert übermorgen bereits zu einer Commodity, mit der sich keine Wettbewerbsvorteile mehr erzielen lassen. Deshalb rückt die aktuelle Itil-Version den strategischen Stellenwert des IT-Service-Managements in den Vordergrund.

Die IT wird als "Critical Commodity" betrachtet, als eine Selbstverständlichkeit, ohne die allerdings kein Unternehmen sein Kerngeschäft betreiben könnte. Die IT steht nur so lange im Mittelpunkt, wie sie permanent die Wettbewerbsposition des Unternehmens unterstützt und ihr Betrieb unter wettbewerbsfähigen Bedingungen möglich ist.

Mehrwert durch Utility und Warranty

"Service Strategy" heißt das einleitende und übergreifende Buch der neuen Itil-Version. Es beschreibt das grundlegende Verständnis von der IT als "Strategic Asset". Basierend auf einer allgemeinen Servicedefinition arbeiten die Autoren Majid Iqbal von der Carnegy Mellon University und Michael Nieves von Accenture die Bedeutung von IT als Service und die damit verbundenen Anforderungen an ein modernes IT-Service-Management heraus.

Ein Service ist nach der Definition der beiden Verfasser ein Mittel, mit dem sich Mehrwert generieren lässt, ohne dass der Kunde die Kosten und Risiken der Serviceerbringung direkt selbst zu tragen hätte. Der Mehrwert für den Kunden entsteht dadurch, dass ihm eine Leistung angeboten wird, die für ihn nützlich beziehungsweise brauchbar ist ("Utility") und zwar in der erforderlichen Qualität und mit hoher Zuverlässigkeit ("Warranty").

Die Utility steigert entweder die Leistungsfähigkeit des Kunden, beispielsweise die Produktivität seiner Mitarbeiter, oder sie verringert die Beschränkungen, denen er unterliegt.

Erst die Kombination schafft maximalen Wert

Der Begriff Warranty bezeichnet hingegen die Qualitätsaspekte eines Service: Verfügbarkeit, Skalierbarkeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit etc. Diese Aspekte verweisen noch am ehesten auf die operative, technische Sichtweise der älteren Itil-Versionen.

Nützlichkeit und Qualität müssen sorgsam austariert werden.
Nützlichkeit und Qualität müssen sorgsam austariert werden.
Foto: itSMF

Durch die Kombination von Utility- und Warranty-Aspekten entsteht aus einem Service der eigentliche Mehrwert für den Kunden. Die Herausforderung für einen internen oder externen Service-Provider besteht nun darin, eine marktrelevante Kombination der beiden Serviceaspekte anzubieten.

Dazu ist ein Set organisatorischer Fähigkeiten notwendig. Besondere Anforderungen an das Service-Management resultieren daraus, dass Services nicht direkt greifbar (intangible) und damit nur schwer zu messen, zu kontrollieren und zu steuern sind. Außerdem hängt ihre Erbringung von den Assets der Kunden ab. Sie entstehen im direkten Kontakt zwischen Serviceangebot und -nachfrage, und sie können keineswegs auf Vorrat produziert werden.

Die Service-Provider müssen also Management-Fähigkeiten entwickeln, mit denen sie permanent ihre Wertschöpfungsposition gegenüber den Wettbewerbern ausbauen und aufrechterhalten können.

Für die Umsetzung nötig: Ressourcen und Capabilities

Um das Serviceangebot operativ umsetzen zu können, sind "Service Assets" erforderlich. Dabei handelt es sich um Ressourcen finanzielle Mittel, Infrastruktur, Anwendungen und Informationen sowie Personal und Fähigkeiten (Capabilities).

Capabilities manifestieren sich unter anderem in Management-Fähigkeiten, in Organisations-Know-how sowie in Prozess- und Fachwissen. Sie werden im Laufe der Zeit durch Erfahrung und Lerneffekte aufgebaut, und mit ihnen lassen sich direkt Wettbewerbsvorteile erzielen, während die Ressourcen als Commodities in der Regel frei am Markt verfügbar sind, also nur zeitlich begrenzte Wettbewerbsvorteile ermöglichen.

Die zentrale Herausforderung des Service-Managements ist deshalb das Management der Capabilities. Vor diesem Hintergrund stellt die Itil-Version 3 eine Auswahl von Management-Prinzipien vor:

From open-loop to closed-loop control processes: permanente Optimierung des Serviceangebots im Sinne des Mehrwerts für den Kunden (Continual Service Improvement)

Services unterliegen einem mit dem von materiellen Produkten vergleichbaren Lebenszyklus. Die Itil-Version 3 berücksichtigt das.
Services unterliegen einem mit dem von materiellen Produkten vergleichbaren Lebenszyklus. Die Itil-Version 3 berücksichtigt das.
Foto: itSMF

Dank dieser Management-Prinzipien unterliegen die Services einem mit dem von materiellen Produkten vergleichbaren Lebenszyklus. Itil V 3 erweitert also die bisherige prozessorientierte Sicht auf das IT-Service-Management um ein Lebenszyklus-Modell, in das die fünf Itil-Kernbereiche eingebunden sind (siehe auch: "Der Lifecycle im Zentrum")

Kontinuierliche Feedback-Schleifen sind nicht nur innerhalb der einzelnen Itil-Prozesse, sondern auch zwischen allen Prozessen zu implementieren. So unterliegen die IT-Service-Management-Fähigkeiten einem ständigen Lern- und Verbesserungsprozess. Die Entwicklung einer Servicestrategie steht nicht nur am Anfang des Service-Managements, sondern wirkt kontinuierlich auf alle Phasen ein.

Explizit neu eingeführt wird in diesem Zusammenhang die Rolle des Produkt-Managers für Services. Er trägt die Verantwortung dafür, dass ein Service im Sinne eines Produkts über den gesamten Lebenszyklus hin gemanagt wird, und strebt eine eindeutige Nutzenoptimierung aus Sicht des Kunden an.

Schwerpunkt Service-Portfolio-Management

Weiter bietet das erste Itil-V-3-Buch Best-Practice-Methoden für die konkrete Entwicklung einer Servicestrategie: von der Definition des Zielmarkts über die Entwicklung von Serviceangeboten und strategischen Assets bis zur Vorbereitung der Strategieumsetzung. Einen Schwerpunkt bilden die Ausführungen zu den "Service Economics". Neben bekannten Ansätzen des Financial-Managements und etablierten RoI-Verfahren (Return on Investment) wird das Service-Portfolio-Management als Best-Practice-Ansatz präsentiert. Damit unterstreichen die Autoren den strategischen Ansatz des Service-Managements. Sie zeigen auf, mit welchen Maßnahmen sich die IT vom eher technischen System-Management zum strategischen Partner des Unternehmenskerngeschäfts entwickelt (siehe auch: "Schritt in die richtige Richtung").

Explizit berücksichtigt: die Retirement-Phase

Das Service Portfolio Management bindet Service Design, Service Transition und Service Operation in den Service-Management-Lebenszyklus ein auf einer umsetzungsorientierten Ebene. Die aus Itil V 2 bekannten Servicekataloge wurden dazu um eine "Service Pipeline" (Design und Transition von Services) sowie um "Retired Services" ergänzt.

Ausdrücklich berücksichtigt ist damit die Tatsache, dass Services am Ende ihres Lebenszyklus aus dem Portfolio und damit vom Markt genommen werden müssen, so dass Ressourcen und Capabilities für die Neuentwicklung von Services frei werden. Das ermöglicht die Anpassung des Serviceangebots an die dynamischen Anforderungen, die aus den Geschäftsprozessen der Kunden erwachsen.

Das Service-Portfolio-Management entwickelt sich damit zu einem zentralen Bestandteil von Itil V 3. Damit stellt die Version 3 eine wirkliche Weiterentwicklung dar. Die Voraussetzung, um die strategischen Service-Management-Anforderungen erfüllen zu können, ist allerdings, dass die in Itil V 2 herausgestellten Service-Management-Prozesse im Sinne eines optimierten IT-Betriebs bereits implementiert sind.

Mit dem Konzept der Servicestrategie ordnet die Version 3 das Service-Management eindeutig dem Verantwortungsbereich der Unternehmensführung zu. Der "Scope" erstreckt sich deutlich über das Management von Systemen und Infrastrukturen hinaus. Er zielt auf die Unterstützung des Kerngeschäfts.

Von der Alignment- zur Output-Orientierung

Service Strategy ist nach den Worten der Autoren eine "Handlungsanleitung für die Unternehmensführung, die für Entwicklung und Umsetzung von Servicestrategien verantwortlich zeichnet". Die Management-Verantwortung ergibt sich auch aus der Notwendigkeit, eine geeignete Unternehmenskultur und die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Das erste Buch von Itil V 3 erweitert den Alignment-orientierten zu einem Outcome-orientierten Ansatz. Künftig reicht es nicht mehr aus, sich auf einzelne ITSM-Prozesse zu konzentrieren. Das IT-Service-Management muss ganzheitlich betrachtet und behandelt werden. (qua)