Change-Management/IT Infrastructure Library als neue Königsdisziplin

Itil-Modell als Maß für Veränderungsprozesse

23.01.2004
Institutionalisiertes Change-Management bringt Disziplin in die Veränderungsprozesse der unternehmerischen IT-Landschaft. Effizienzsteigerung, die gleichzeitig Zeit und Kosten spart, ist ein häufig strapaziertes, aber dennoch überzeugendes Argument für Umdenken.Von Karin Gall*

In einer stagnierenden Wirtschaft wandelt sich die Rolle der IT. Heute steht die technische Infrastruktur unter Druck, sie soll geschäftskritische Anwendungen noch serviceorientierter und billiger unterstützen als bisher. Prozessorientierung bietet dabei die notwendige Hilfestellung. Sie sorgt für Standards bei der Umsetzung von Veränderungen und bietet die geforderte Kostenstransparenz. Mit automatisiertem Change-Management kann eine IT-Abteilung mit verkürzten Reaktionszeiten, geringerem Betriebsrisiko und effizienterem Einsatz von Personal rechnen.

Prozessorientierung anhand von Best Practises

Auf der Suche nach einem adäquaten Modell zur Abdeckung von IT-Veränderungsprozessen wurden die Best-Practise-Vorgaben von Itil (IT Infrastructure Library) aufgegriffen. Der Itil-Leitfaden hat in England seinen Ursprung, als bereits Ende der 80er Jahre die öffentliche Verwaltung ihre Leistungsfähigkeit gegenüber der Regierung belegen musste. Entstanden ist daraus im Lauf der Zeit ein Leitlinienpapier, das weiterentwickelt zum offenen De-facto-Standard avancierte. Heute hat sich die herstellerunabhängige Sammlung von Best Practices mit ihren Prozessmodellen als Referenzwerk durchgesetzt. In einem Kapitel beschreiben Leitsätze, welche Schritte zur Prozessoptimierung im Bereich des Change-Managements (CM) befolgt werden sollten.

Aufbauend auf dem Marktpotenzial im CM-Umfeld entwickelte sich in den letzten zehn Jahren ein diversifiziertes Angebotsportfolio. Die Gartner Group teilt das Angebotsspektrum in Silos von Herstellern ein, die die Thematik von den unterschiedlichsten Standpunkten aus betrachtet aufgreift. Dementsprechend lässt sich das Angebot in die Schwerpunkte Discovery/Inventory, Network Discovery, Operational Change, Software Configuration und Application Development gliedern. Überlappungen und damit ein Portfolio über mehrere der Teilbereiche bieten einige der Hersteller an. Ein Hersteller, der derzeit alle Kategorien abdeckt, ist allerdings nicht in Sicht.

Der Großanteil der Hersteller von CM-Tools kommt aus dem IT-Helpdesk-Umfeld. Die nahe liegende Verknüpfung bietet Konfigurations-Management als integralen Bestandteil von Veränderungsprozessen. Die darin enthaltenen Informationen über die im Unternehmen vorhandenen IT-Assets und deren Verknüpfungen untereinander dienen als Basis für Veränderungen. Computer Associates, Peregrine Systems und Remedy teilen sich einen hart umkämpften IT-Helpdesk-Markt zum Großteil untereinander auf. Das Marktpotenzial hat allerdings eine Reihe von Herausforderern auf den Plan gebracht, zu denen beispielsweise Network Associates, Front Range Solutions oder Touchpaper Software zählen. Aus dem Umfeld des Netzwerk-Managements spielen auch IBM Tivoli, Hewlett-Packard (HP) und Tally im Change-Management eine Rolle. Dazu kommen kleine Hersteller, die mit ihren Kenntnissen in der Software-Konfiguration den Bogen zum Discovery oder Inventory-Management schlagen wie Novadigm, Altiris oder Marimba.

Computer Associates als einer der führenden Anbieter im Enterprise-Management-Umfeld baut sein Angebot auf dem Plattformkonzept auf. Mit starken Wurzeln im System-Management der Mainframes greifen die Module der Plattform zur Bewältigung von Change-Prozessen ineinander. Die Monitoring-Komponente des Systems ist in der Lage, auf eine Alarmsituation im Netzwerk zu reagieren. Das modulare Konzept rund um Unicenter deckt auch Softwareverteilung, Netzwerk-Discovery und Inventory ab. Die integrierte Lösung von einem Hersteller kann alle erforderlichen Bereiche umfassen. Allerdings ist die Lösung kostspielig und durch das Framework-Modell aufwändig im Aufbau. Um den Makel der Komplexität zu bewältigen, hat CA in den letzten drei Jahren verstärkt an dem Angebot von Unicenter-Service-Plus-Service-Desk gearbeitet und "Out-of-the-Box"-Funktionalität integriert.

Abläufe flexibel definierbar

Peregrine Systems bietet mit "Service Center" eine Gesamtlösung aufbauend auf dem Ansatz des konsolidierten Asset- und Service-Managements. Seit 1999 setzt das Haus auf Itil-Konformität als Grundlage für die Prozessorientierung der Workflows. Durch das CM-Modul werden Change-Abläufe für den Kunden darin flexibel definierbar. CM ist hier eingebettet in die Gesamtlösung des IT-Service-Managements. Die ganzheitliche Betrachtung beginnt beim Discovery und beinhaltet neben der Abwicklung durch den Helpdesk auch die Verknüpfung zum Kostenaspekt. Der Aufwand von Change-Projekten kann damit verursachergerecht und transparent in die Abteilungen weiterbelastet werden. Als Out-of-the-Box-Lösung setzt der Hersteller auf die schnelle Best-Practise-basierende Umsetzung von Projekten. Hinzu kommt, dass IBM Tivoli für sein CM nach Verkauf der eigenen Tivoli-Service-Desk-Lösung auf Service Center von Peregrine setzt. Im Zuge einer umfassenden Gesamtstrategie profitiert von dieser Zusammenarbeit auch Peregrine, da das Angebot durch die Kooperation vergleichbar wird mit dem Leistungsumfang von CA oder HP.

Mit dem Kauf von Remedy durch BMC Software 2002 meldete sich ein starker Player eigenständig auf dem Markt zurück, der vergleichbar mit Peregrine Itil-basierende CM-Prozesse mit seiner Workflow-Engine abdeckt. Arbeitsabläufe im Change-Projekt werden darin klar definiert. Allerdings setzt der Hersteller dem "Built-versus-Buy-Ansatz" entsprechend nicht auf vordefinierte Prozesse, sondern bildet diese aufbauend auf dem kundenspezifischen Anforderungsprofil in seinem IT-Service-Management-Produkt individuell ab.

Dem Trend folgend, setzt Network Associates seit der Version 7.5 von "Magic" ebenfalls auf die Integration von Itil-Standards zur Prozessabbildung. Damit einher ging verbesserte Funktionalität in den Bereichen des Change- und Konfigurations-Managements.

Mit "Openview" ist HP Marktführer im verteilten Netzwerk-Management. Openview-Service-Desk hat in der Version 4.5 die Itil-Zertifizierung durch Pink Verify bestanden. Jüngste Produkterweiterungen bieten darüber hinaus Out of the Box-Integration zu BMC, Tivoli und Micromuse, die das traditionell starke Konfigurations- und Inventory-Management noch verbessern. Einige Nischenanbieter kommen ursprünglich aus der Softwareverteilung. Aufbauend auf diesem Know-how erfolgte in einem zweiten Schritt die Aufnahme von Discovery- und Inventory-Funktionalität in das Produktportfolio.

Die Qual der Wahl

Angesichts des Angebots an Lösungsansätzen für das unternehmenseigene Change-Management bleibt dem Kunden die Wahl. Sein Anforderungsprofil wird den Ausschlag geben. Garant für erfolgreiche Veränderungsprozesse bietet die Technik alleine allerdings nicht. Sie darf nie isoliert betrachtet werden von den menschlichen Aspekten jeder Veränderung. Hier kann sich Prozessanleitung von organisationspsychologischer Seite empfehlen. (bi)

*Karin Gall ist freie Autorin in München.

Angeklickt

- Itil-Leitlinie avanciert zum De-facto-Standard und Referenzwerk für Change-Management (CM).

- Das Angebotsportfolio im CM-Umfeld ist breit diversifiziert.

- Es gibt keinen Hersteller, der alle Kategorien abdeckt.

- Der IT-Helpdesk-Markt ist hart umkämft.

- Itil-Konformität ist die Grundlage für Prozesskonformität.

- Einige Nischenanbieter kommen aus dem Sektor Softwareverteilung.

- Technik alleine kein Garant für erfolgreiche Veränderungsprozesse.

Links

Altiris

www.altiris.com

Computer Associates

www.ca.com

Front Range Solutions

www.frontrange.com

Hewlett-Packard

www.hp.com

IBM

www.ibm.com

Marimba

www.marimba.com

Network Associates

www.networkassociates.com

Novadigm

www.novadigm.com

Peregrine Systems

www.remedy.com

Touchpaper Software

www.touchpaper.com

Tally

www.tallysystems.com

Der Itil-Leitfaden

Itil ist die Abkürzung für den Leitfaden der IT Infrastructure Library. Als herstellerunabhängige Sammlung von Best Practices beschreibt Itil heute die IT Serviceorganisation, die vereinbarte Dienstleistungen liefert und die dazu nötige Infrastrukture unterhält. Die beschriebenen Prozessmodelle gelten als Referenzwerk, das beispielsweise für das Change Management standardisierte Methoden und Prozeduren zu effizienten Änderung an der IT Infrastruktur enthält.