IT-Trends im Branchenvergleich

26.08.2005
Die deutsche Wirtschaft stagniert, doch die einzelnen Branchen sind unterschiedlich betroffen. Entsprechend divergieren ihre IT-Strategien und -Projekte.

Produktion und Fertigung

Insgesamt haben die deutschen Firmen im Jahr 2004 für IT 105 Milliarden Euro ausgegeben.
Insgesamt haben die deutschen Firmen im Jahr 2004 für IT 105 Milliarden Euro ausgegeben.

Im Bereich Manufacturing (Fertigungs- und Prozessindustrie), einer der Hauptsäulen der deutschen Wirtschaft, wird die Produktion aufgrund des schwachen Binnenkonsums primär durch den Export getrieben. Nicht exportorientierte, stark vom deutschen Markt abhängige Subsegmente wie die Baubranche (diskrete Fertigung) oder die Lebensmittelindustrie (Prozessfertigung) haben demnach besonders mit Kostendruck und niedrigen Gewinnmargen zu kämpfen. Das beobachtete das Marktforschungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC) GmbH im Rahmen seiner aktuellen Branchenanalyse.

PAC-Branchenanalyse

Das Marktforschungsunternehmen Pierre Audoin Consultants (PAC) GmbH nimmt im Rahmen seiner "SITSI Verticals" (Software and IT Services Industry) Geschäftstrends und -risiken von Unternehmen branchenspezifisch unter die Lupe und untersucht, wie sich diese auf die IT-Investitionen auswirken.

Mehr zum Thema

www.computerwoche.de/go/

*80015: IT-Investitionen bis 2009;

*70028: Branchenspezifische IT-Nachfrage in Europa;

155729: IT-Ausgaben der öffentlichen Hand;

569670: IT-Ausgaben 2005.

In der Fertigungsbranche ist der Konkurrenzdruck in den letzten Jahren - nicht zuletzt durch Billiganbieter aus asiatischen Ländern - enorm gestiegen. Angesichts der Notwendigkeit, effizienter zu produzieren, Prozesse zu verbessern und mit Partnern nahtlos zusammenzuarbeiten, sei der Ruf nach IT- und Prozessberatung lauter geworden, so die Marktforscher.

In einem Käufermarkt gewinnen Flexibilität und Geschwindigkeit an Bedeutung. Darauf müssen die IT-Landschaften der Unternehmen abgestimmt werden. Gefragt seien demnach "flexible IT-Lösungen, die sich an ein volatiles Umfeld anpassen lassen", erklärt PAC-Berater Jakov Cavar. Dabei greife die Fertigungsindustrie gerne auch auf die Outsourcing-Option zurück.

Handel

Das mangelnde Vertrauen der Verbraucher beschert dem deutschen Handel enttäuschende Umsätze, während die Kosten - nicht zuletzt aufgrund des Ölpreises - steigen. Die Unternehmen versuchen nun, den Umsatz je Kunden zu erhöhen. Der PAC-Analyse zufolge stehen daher Lösungen für Customer-Relationship-Management (CRM) und Business Intelligence (BI) hoch im Kurs. Um Lieferengpässe zu vermeiden, arbeiten zunehmend mehr Produzenten und Handelsunternehmen gemeinsam an einem effizienten Demand-und-Supply-Management, was durch Global-Sourcing-Strategien noch verstärkt wird. "Die Datensynchronisation zwischen Unternehmen via EDI (Electronic Data Interchange) und internes Master-Data-Management gewinnen an Bedeutung", berichtet PAC-Beraterin Vanessa Solem. Darüber hinaus stellten die großen Handelskonzerne derzeit ihre Warenwirtschaft von zahlreichen Einzelsystemen in ihren Filialen auf eine zentrale Lösung im Hauptsitz um. So wollen sie auch der zunehmenden Internationalisierung gerecht werden: Viele Handelsunternehmen strecken ihre Fühler ins Ausland aus - insbesondere in Richtung Osteuropa. Die Mittelständler wiederum, von denen einige lange an "Papier und Bleistift" festhielten, sind laut PAC mit der Einführung von ERP-Lösungen beschäftigt.

Transport und Logistik

In der Transport- und Logistikbranche geht der Trend weg von reinen Transportleistungen hin zum vollen Logistikservice. Er wird von großen Unternehmen angeboten oder durch branchenübergreifende Kooperationen etwa in den Bereichen "Straße/Schiene" und "Straße/Wasser" ermöglicht. Daher ist hier die Integration von Prozessen und IT-Systemen sowohl in und zwischen Unternehmen als auch branchenübergreifend das große Thema. Um den Informationsaustausch zu verbessern, Abläufe zu optimieren und Partnernetze zu managen, werden derzeit vor allem Lösungen für das Supply-Chain-Management (SCM) und die Anwendungsintegration interessant. "Mit der Globalisierung, Liberalisierung und Privatisierung steigt der Konkurrenzdruck unter den Transport- und Logistikanbietern. Sie reagieren darauf mit Umstrukturierungen, Prozessoptimierungen, Kooperationen und Zusammenschlüssen sowie effizienteren IT-Systemen", so PAC-Expertin Szibilla Szatmari. So habe der Logistikdienstleister Danzas T-Systems mit der Implementierung eines umfassenden Dokumentationssystems beauftragt und seine komplette IT an Atos Origin ausgelagert.

Dienstleistungsbranche

Insbesondere für die kleinen bis mittelständischen Unternehmen, die den stark lokal orientierten Servicesektor prägen, geht es darum, die Kosten zu senken und so zu einem noch akzeptablen Ertrag zu gelangen. "Verstärkt durch den schwachen Binnenkonsum, wurde in den letzten Jahren ein Konzentrationsprozess in Gang gesetzt, der in Zukunft vermehrt zu Integrations- und Konsolidierungsprojekten in der IT führen wird", prophezeit PAC-Berater Stephan Kaiser.

Mit Blick auf die Kostenreduzierung werde in der Dienstleistungsbranche auch das Outsourcing einen höheren Stellenwert einnehmen - nicht nur bei den klassischen Serviceanbietern wie Beratungshäusern, IT-Dienstleistern und Agenturen, sondern zunehmend auch in der Medienbranche. Als Beispiel führt PAC den Axel Springer Verlag an, der Desktops und Helpdesk an SBS ausgelagert hat. Als wegweisend für die gesamte Branche beurteilen die Consultants den Outsourcing-Vertrag, den die BBC (British Broadcasting Corp.) ebenfalls mit SBS abgeschlossen hat. Die Laufzeit beträgt zehn Jahre, das Volumen beläuft sich auf 2,7 Milliarden Euro. Sollte sich diese Vereinbarung als erfolgreich erweisen, werde sich auch die deutsche Medienlandschaft gegenüber Outsourcing-Vorhaben weiter öffnen.

Den Analysten zufolge haben die Serviceanbieter mittlerweile generell erkannt, dass sie ihre Kernprozesse verbessern oder erst einmal verstehen müssen. Auch prüften sie zunehmend Möglichkeiten, sowohl im Infrastruktur- als auch im Anwendungsbereich auszulagern.

Finanzdienstleister

Laut PAC rühren viele Schwierigkeiten, mit denen sich die Finanzdienstleistungsbranche herumschlägt, von einer unzureichenden Industrialisierung der Prozesse her. PAC-Beraterin Nadia Adnane verweist hier auf ein enormes Rationalisierungspotenzial: Die Finanzdienstleister hätten eng verflochtene und sehr komplexe Systeme, die letztendlich die Kosten der IT-Entwicklung und -Wartung in die Höhe trieben. Industrialisierung und Standardisierung können hier Abhilfe schaffen. Den Marktforschern zufolge arbeitet die Branche auch daran. Die Kosten - insbesondere IT-Aufwendungen - sollen sinken und flexibler werden. Gleichzeitig rücken Effizienz- und Wachstumsziele in den Vordergrund. Als Folge freunden sich Banken und Versicherungen zunehmend mit dem Outsourcing-Gedanken an, ziehen aber auch Kooperationen mit anderen Finanzdienstleistern in Erwägung. Ein prominentes Beispiel sind die Verträge zwischen Deutscher Bank beziehungsweise Dresdner Bank und Postbank, die in Zukunft für beide deutschen Großbanken den Zahlungsverkehr abwickeln wird. Zudem nimmt die Durchdringung mit SAP-Systemen kontinuierlich zu: Die Postbank hat den Rollout eines komplexen SAP-Systems gerade hinter sich, und die Münchner Hypovereinsbank hat Ähnliches angekündigt.

Telekommunikation

Auch im Telekommunikationssektor nimmt das Thema Standardisierung einen hohen Stellenwert ein. "Die größten IT-Systeme in dieser Branche stellen Billing-Lösungen dar, die bislang ein regelrechtes Patchwork bildeten", so PAC-Analystin Julia Reichhart. Diese Systeme gelte es nun zu harmonisieren. Laut Reichhart greifen die Unternehmen dabei immer häufiger auf Standardsoftware zurück.

Ein weiteres großes Thema auch dieser Branche ist nach wie vor das Outsourcing. Schlossen die Telekommunikationsanbieter anfangs fast ausschließlich infrastrukturbezogene Verträge, werden mittlerweile auch Anwendungen ausgelagert. Als Beispiele können das Abkommen zwischen E-Plus und Atos Origin oder CSC Ploenzkes Übernahme der SAP-Dienstleistungen für Vodafone gelten.

Energieversorger

Um den freien Wettbewerb zu beschleunigen, müssen Deutschlands Energieversorger laut EU-Stromrichtlinie ihre Geschäftsbereiche, etwa den Netz- vom Energievertrieb, trennen und rechtlich selbständige Einheiten gründen. "Die Entbündelung bezieht sich nicht nur auf Organisation und Buchhaltung, sondern schafft - als informatorisches Unbundling - auch Handlungsbedarf bezüglich der IT", klärt PAC-Berater Karsten Leclerque auf. So benötigten die einzelnen Units getrennt funktionierende Systeme zur Informationsaufbereitung. Die Nachfrage nach IT-Beratung für die Anpassung der Systeme an die neuen Richtlinien sei daher groß.

Vonnöten sind laut PAC Lösungen mit zahlreichen Schnittstellen - etwa zwischen Technik und Management. Wo möglich, implementieren Energieversorger zudem branchenspezifische Standardsoftware. Um einen funktionierenden Wettbewerb auf dem Strommarkt sicherzustellen, wurde ferner der Zuständigkeitsbereich der Bundesnetzagentur auf den Energiesektor erweitert. Angesichts der damit erhöhten Anforderungen an das Reporting steigt das Interesse an Berichts- beziehungsweise BI-Tools.

Öffentliche Hand

Zunehmend entscheiden sich öffentliche Institutionen für die Einführung von Open-Source-Technik - unterstützt durch die Zielsetzung des Bundesinnenministeriums. Demnach soll künftig rund die Hälfte aller öffentlichen Systeme auf Basis quelloffener Produkte laufen. Unabhängig davon steht für den "Public Sector" eine Vielzahl anderer IT-Aufgaben an: Zum einen sollen die Finanzapplikationen homogenisiert werden. Zum anderen beschließen immer mehr Länder den Wechsel von kameralistischen auf doppische Buchhaltungssysteme für Gemeinden und Landesbehörden. Ferner soll der "Domea"-Standard die elektronische Archivierung von Informationen, aber auch den elektronischen Transfer von Dokumenten zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Bürgern ermöglichen. Hinzu kommt die geplante Einführung eines nationalen Standards für elektronische Unterschriften.

"Das große Handicap im Public Sector sind die komplexen und langwierigen Ausschreibungsverfahren", erläutert Martin Barnreiter von PAC. Sie verhinderten beispielsweise die flexible Anpassung bereits ausgeschriebener Projekte an neue technische Anforderungen. Grundsätzlich sei davon auszugehen, dass im Falle eines Regierungswechsels viele geplante IT-Projekte auf Eis gelegt oder neu vergeben würden. (kf)