A. T. Kearny Management Consults recherchierte bei ,den "500 Großen":

IT ist ein Maßstab für Unternehmenserfolg

20.11.1987

Zwischen der DV-Wirklichkeit in Büros und Verwaltungen und dem, was konzeptionell vorgedacht und technisch realisierbar ist, klafft eine erhebliche Lücke, stellt Arnulf Meyer-Piening fest. Und: Unternehmenserfolg korrespondiert immer auch mit dem Einsatz der Informationstechnik (IT). Dies sind Ergebnisse einer Untersuchung des Partners der A. T. Kearny Management Consults über Entwicklungstendenzen neuer Techniken. Dazu startete die Stuttgarter Beratung vergangenes Jahr in westlichen Industrieländern eine empirische Untersuchung. In der Bundesrepublik wurden die 500 größten Unternehmen befragt. Die COMPUTERWOCHE bringt einen Auszug.

In der Untersuchung, bei deren Auswertung jene länderspezifischen Besonderheiten im Vordergrund standen, die für die Bundesrepublik von Bedeutung sind, ergab sich unter anderem, daß wichtige Funktionsbereiche in den Unternehmen in unterschiedlichem Maß von der Informationstechnologie (IT) gestützt werden. Das Schwergewicht der neuen Technik ist in den Funktionsbereichen Personalwesen, Finanz- und Rechnungswesen sowie dem Vertrieb mit ähoch" zu bewerten. Weniger stark durchdrungen sind das Segment Logistik mit der Materialdisposition und dem Bestandsmanagement, ebenso die Fertigung, mit der Planung, Steuerung und Kontrolle sowie Instandhaltung. Nur in geringem Maß findet sich die Informationstechnologie bei der Entwicklung/Konstruktion (CAD), dem Qualitätswesen (CAQ) und der Unternehmensplanung.

Der bedeutende Unterschied der IT-Durchdringung in den Funktionsbereichen Logistik, Fertigung und Vertrieb weist auf konzeptionelle Merkmale der erfolgreichen Unternehmen hin:

- Den kundennahen Bereichen, Vertrieb und Logistik wird größere Bedeutung beigemessen.

- Entwicklung, Konstruktion und Fertigung sind auf Qualität, Schnelligkeit und Flexibilität ausgerichtet (CAD, CAM, CAQ).

- Unternehmensplanung ist auf Alternativrechnungen, teilweise mit entscheidungsunterstützenden Simulationsmodellen, ausgerichtet.

In allen Unternehmen sind die klassischen Funktionsbereiche mit ausgeprägt massenweiser Abwicklung routineartiger Geschäftsvorfälle weitgehend mit IT ausgestattet. Die Unterschiede liegen nicht mehr in der operativen Effizienz, sondern in der intelligenten Unterstützung von Entscheidungs- und Steuerungsprozessen als Reaktion auf häufig und kurzfristig wechselnde Markterfordernisse.

Die Unternehmen planen deshalb in den Funktionsbereichen Personalwesen sowie Finanz- und Rechnungswesen im wesentlichen Ersatzinvestitionen im Hard- und Softwarebereich, während in den Bereichen Entwicklung, Konstruktion der Einsatz von CAD, Fertigung der Einsatz von CAM/CAQ und bei Logistik integrierte Systeme zwischen Lieferanten und Kunden als Voraussetzung für Just-in-Time-Lieferungen vorangetrieben werden. Weniger erfolgreiche Unternehmen beginnen den Nachholbedarf, insbesondere im Bereich der Logistik zu erkennen. Die Erfolgschancen sind jedoch begrenzt, weil sich die erfolgreichen Unternehmen auf der IT-Erfahrungskurve mit einem erheblichen Vorsprung bewegen.

Sie fördern beispielsweise besonders die unternehmensübergreifenden logistischen Geschäftsprozesse, die die gesamte Wertschöpfungskette vom Lieferanten über die Produktion, Lagerung und Warenverteilung bis zum Kunden umfassen. Die Gestaltung integrierter, die Unternehmensgrenzen sprengenden IT-Systeme setzt eine enge und dauerhafte Geschäftsbeziehung zwischen Lieferanten und Kunden voraus, die auf Leistung, gegenseitiger Achtung und Vertrauen aufgebaut ist. Hier befinden sich erfolgreiche Unternehmen eindeutig im Vorteil, denn der bereits vorhandene höhere innerbetriebliche IT-Organisationsgrad begünstigt den überbetrieblichen Daten- und Informationsaustausch. Insofern ist zu erwarten, daß sich der Graben zwischen erfolgreichen und weniger erfolgreichen Unternehmen vertiefen wird. Erfolgreiche Unternehmen haben eine wesentlich gleichmäßigere funktionale IT-Durchdringung als weniger erfolgreiche.

Die gleichmäßige funktionale IT-Durchdringung kann auch als Reifeprozeß der Unternehmen angesehen werden.

Zu dieser Schlußfolgerung muß man gelangen, wenn man die bisherigen IT-Anwendungen von erfolgreichen Unternehmen analysiert: Sie konzentrieren sich auf die wichtigsten Geschäftsprozesse und unterstützen diese durch funktionsübergreifende IT-Systeme. Die funktionale IT-Anwendungserfahrung ist größer und der Zufriedenheitsgrad mit den erreichten Ergebnissen ist höher. Die Anwendungserfahrung umfaßt alle Führungsebenen, sowohl strukturierte Aufgabenbereiche mit hohen Arbeitsmengen als auch komplexe Funktionen zur Entscheidungsunterstützung. Sie bewerten den Nutzen der eingesetzten Technologien höher als weniger erfolgreiche Unternehmen. Das Informations-Management ist bereichsübergreifend mit unternehmerischer Verantwortung - gelegentlich schon als selbständiges Ressort, dem Vorstand direkt unterstellt - tätig.

Mitarbeiter müssen weitergebildet werden

Die vorhandenen Informationstechnologien begünstigen flache, flexible Organisationsstrukturen und wirken motivations- und kreativitätsfördernd. Die Mitarbeiter denken in komplexen Zusammenhängen und bewirken eine schnelle und kompetente Entscheidungsfindung.

Die neuen Informationstechnologien stellen künftig besonders an die Personalwirtschaft hohe Anforderungen, da sie globales Denken mit internationalem Aufgabenspektrum der Mitarbeiter verlangen, sorgfältige Ausbildung und laufende Schulung der Mitarbeiter voraussetzen und komplizierte Fragen der Lohn- und Gehaltsfindung aufwerfen. Neben der Frage, wie neue Techniken Unternehmen breits durchdringen, standen Technologie-Anwendungen im Mittelpunkt der Untersuchung. Die zur Zeit genutzten und verfügbaren Informations- und Kommunikationstechnologien werden von den Teilnehmern insgesamt positiv beurteilt, wobei das Urteil der weniger erfolgreichen Unternehmen tendenziell negativer ausfällt.

Umstellungsaufwand oft größer als geplant

Erfolgreiche Unternehmen bewerten den Nutzen der eingesetzten Technologien höher als weniger erfolgreiche Unternehmen. Die Nutzenbewertung hängt insbesondere von der strategischen Orientierung ab. Die Untersuchung hat diesen Punkt genauer analysiert. Aus den genannten Zielsetzungen der Unternehmen wurden zwei Gruppen gebildet: Kostensenkung und Marktorientierung. Diesen beiden Gruppen wurden die bewerteten Technologien gegenübergestellt:

- Kostensenkung

Die Zufriedenheit mit den eingesetzten Technologien sinkt, sobald die Zielsetzung ausschließlich oder überwiegend in der Kostensenkung und Produktivitätssteigerung besteht. Entweder tritt die erwartete Kostensenkung nicht in dem geplanten Ausmaß ein oder der Umstellungsaufwand ist wesentlich größer als geplant. Diese Beobachtung trifft insbesondere die Software-Erstellung, sowohl bei selbsterstellter als auch bei Standard-Software, die nach der Einführung erheblichen Wartungs- und Anpassungsaufwand erfordern.

- Marktorientierung

Technologien, deren Nutzen vor allem im schnelleren und effizienteren Informationsaustausch mit Kunden gesehen wird, werden positiv beurteilt. Hier wirkten die erreichten Wettbewerbsvorteile entscheidend, die in Bezug auf Qualität, Leistungsumfang und Kundendienst aus Kundensicht besonders hoch bewertet wurden.

Die Kundenorientierung ist bei den erfolgreichen Unternehmen besonders ausgeprägt. Deshalb ist es konsequent, daß der Zufriedenheitsgrad mit den neuen Technologien in dieser Gruppe höher ist als im Durchschnitt. Hinzu kommt, daß die Anwendungserfahrung ebenfalls größer ist, so daß die Erwartungen eher den tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten entsprechen.

Starke Konzentration auf Netze und Dienste

Der IT Durchdringungsgrad wurde für die relevanten Technologien gesondert erfaßt. Dabei konzentrierten sich die Fragen auf den derzeit vorhandenen Einsatz der Technologien im Verhältnis zu dem derzeit gewünschten beziehungsweise künftig geplanten Technologie-Einsatz.

Es deutet sich - mit erheblichen Abweichungen nach Branchen und Unternehmensgrößenklassen - eine künftig starke Konzentration der Planungen auf Telebox, Btx, Multifunktionsterminals und digitale Nebenstellenanlagen mit den dazugehörigen Netzwerken an.

Die IT-Anforderungen der einzelnen Branchen und Unternehmensgrößenklassen sind tatsächlich sehr unterschiedlich, nicht nur in der Hard-, sondern besonders in der Software. Eine Maßzahl für die branchenspezifische IT-Durchdringung konnte aufgrund des vorliegenden Zahlenmaterials nicht schlüssig gefunden werden. Hilfsweise haben die Analytiker die Zahl der Workstations (rechnerverbundene intelligente Terminals) pro Büroarbeitsplatz erhoben. Die Darstellungen 1 bis 4 geben die branchenbezogenen Werte für erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen wider.

Die Unterschiede zu den weniger erfolgreichen Unternehmen sind in einigen Branchen stark ausgeprägt (Elektrotechnik, Elektronik; Nahrungs- und Genußmittelindustrie; Handel; sonstige), in anderen Branchen deutlich weniger (Fahrzeug, Maschinenbau; Grundstoffindustrie; Chemische Industrie). Generell haben erfolgreiche Unternehmen im Durchschnitt (36 Prozent) mehr Workstations pro Mitarbeiter als weniger erfolgreiche (21 Prozent).

Insgesamt ist im Durchschnitt etwa , jeder vierte. Büroarbeitsplatz mit Workstations ausgestattet.

Deutlich ist der Unterschied zwischen großen und kleinen Unternehmen: Die kleineren Unternehmen sehen sich bezüglich der IT-Anwendungen im Nachteil gegenüber den größeren, wobei die Ursache im wesentlichen auf die unzureichende Management-Unterstützung und die knappen personellen und sachlichen Ressourcen zurückzuführen ist.

Datenverband erstellen

Die künftigen Entwicklungstendenzen der IT-Anwendungen werden übereinstimmend in der Integration vorhandener Insellösungen gesehen, damit zunehmend ein Datenverbund zwischen den oft noch getrennten Funktionsbereichen hergestellt werden kann. Dies gilt insbesondere für den Verbund von Entwicklung und Konstruktion (CAD), flexibler Fertigung mit verketteten Systemen und automatisierter Lagerhaltung mit fahrerlosen Transportsystemen, von Online-Kunden- und Lieferantenanbindungen zur Stützung der Just-in-Time-Lieferung und mobilen Datenstationen im Außendienst zur Förderung von Marketing und Absatz. Die Informationen werden dort in den Verarbeitungsprozeß eingebracht, wo sie entstehen und ohne hierarchische Zwischenstufen unmittelbar dem Nutzen zugeführt.

Bei den künftigen IT-Investitionsschwerpunkten legen die erfolgreichen Unternehmen mehr Gewicht auf strategische Erfordernisse, während die weniger erfolgreichen die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit betonen. Die Trennung - differenziert nach strategischen und operativen Ressourcen - ist nur in wenigen Unternehmen vorhanden und deshalb werden überwiegend die gleichen Methoden der Wirtschaftlichkeitsrechnung zum Nachteil der langfristigen Orientierung angewandt.

Bedeutung der Software nimmt verstärkt zu

Folgende Weiterentwicklungen der IT sind absehbar:

- Datenverarbeitung und Nachrichtentechnik verbinden sich zu neuen Produkten und Technologie-Anwendungen. Die Integration von Computer-, Nachrichten- und Endverbraucher-Technik (PC, Telefon, Fernsehen) führt zu neuen multifunktionalen Geräten.

- Der Aufbau der digitalen Datenübertragungstechnik, insbesondere im Breitbandbereich, erlaubt über externe und lokale Netze einen wesentlich schnelleren und umfangreicheren Informationsaustausch. Dadurch können regional verteilte, kleinere Werks- und Verkaufseinheiten effizient gesteuert werden. Büroarbeitsplätze können als Heimarbeitsplätze flexibel organisiert werden.

- Das "Büro der Zukunft" wird die wichtigen Bürofunktionen wie Textverarbeitung, Sprachkommunikation, Simulationsrechnungen, Grafik, Dokumentation, Electronic Mail, Terminführung und Ablage interaktiv mit Zugriff auf Datenbanken in integrierten, multifunktionalen Arbeitsplätzen vereinigen.

- Führungskräfte werden ebenso wie Sachbearbeiter Informationen aus externen und internen Datenbanken abrufen und durch Expertensysteme gestützte Entscheidungen fällen.

- Ein Überfluß an elektronischen Funktionen, an Übertragungsgeschwindigkeit und Speicherkapazität wird den Bürofunktionen zur Verfügung stehen. Die technologische Machbarkeit findet nur im wirtschaftlichen Nutzen ihre Grenzen.

Die Bedeutung der Software wurde von allen Unternehmen als vorrangiges Problem angesehen. In erheblichem Umfang und mit steigender Tendenz werden Standard-Software-Pakete eingesetzt, weil Zeitbedarf, Kosten und notwendiges Know-how oft eigene Lösungen ausschließen. Dennoch wurde häufig die fremderstellte Software als problematisch charakterisiert, weil der jeweils erforderliche Anpassungaufwand (mit Ausnahme von Standard-Paketen in der Finanzbuchhaltung, Betriebsabrechnung und im Personalwesen) höher und der Nutzen geringer als erwartet waren.

Da die Standard-Applikationen bei den erfolgreichen Unternehmen in der Regel gelöste Aufgaben sind, konzentrieren diese sich eher auf selbsterstellte, maßgeschneiderte Software, wie beispielsweise die integrierte Auftragsabwicklung einschließlich Materialdisposition und Versandabwicklung. Für diese komplexen Anwendungen werden keine branchenbezogenen geeigneten Standard-Pakete auf dem Software-Markt angeboten. Eigenentwicklungen sind erforderlich, wobei sie den Stand ihrer Erfahrungskurve nutzen und in der Regel mit den Herstellern der Anlagen zusammenarbeiten. Sie bewahren dabei ihre konzeptionelle Eigenständigkeit. Künftig werden deshalb innovative, auf die speziellen Bedürfnisse der Unternehmen ausgerichtete informationstechnische Lösungen noch bedeutender für den strategischen Wettbewerbsvorsprung werden, als dies schon in der Vergangenheit der Fall war.