IT-Industrie droht mit Preisexplosion

23.01.2007
Der Streit um die anstehende Reform des Urheberrechts eskaliert. Weder die Rechteinhaber noch die Gerätehersteller sind mit dem mühsam ausgehandelten Kompromiss zufrieden.

Obwohl die Neufassung des Urheberrechts noch Monate brauchen wird, bis sie alle parlamentarischen Hürden genommen hat, bringen sich die verschiedenen Interessengruppen bereits in Stellung, um das Gesetz möglicherweise noch zu den eigenen Gunsten zu verändern. So hat die Fraktion der IT-Anbieter eine breit angelegte Kampagne gestartet und schürt die Angst vor steigenden Hardwarepreisen. Hinter "Teuerland - wir schlagen drauf" stehen unter anderen namhafte Hersteller wie Hewlett-Packard, Fujitsu-Siemens Computers (FSC), Dell, Toshiba, Canon und Epson.

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586761: VG Wort sieht Druckerhersteller im Fantasialand;

586644: Gema setzt sich wegen Musik-Downloads gegen Rapidshare durch;

586576: Hersteller warnen vor Preisexplosion bei Druckern und Computern;

549788: Branchenverbände gegen Abgaben auf PCs;

549350: Zypries konkretisiert Urheberrechtsnovelle.

Weitere Links:

www.urheber.info;

www.vgwort.de;

www.teuerland.com;

www.druck-gegen-abgaben.de;

www.urheberrecht.org.

"Der Gesetzentwurf ist für die Industrie ein gerade noch erträglicher Kompromiss", meint Henning Ohlsson, Geschäftsführer von Epson Deutschland. Zwar setze die dort geplante Begrenzung der Abgabenhöhe auf maximal fünf Prozent des durchschnittlichen Straßenverkaufspreises der Willkür der Verwertungsgesellschaften Grenzen. Nicht akzeptabel sei es jedoch, an pauschalen Gebühren festzuhalten und das System, wie von der Gema und VG Wort gefordert, von Kopiergeräten auf PCs, Drucker und Multifunktionsgeräte auszudehnen. "Die Verwertungsgesellschaften missbrauchen eine veraltete Gesetzeslage und lehnen jede vernünftige Reform ab", kritisiert HP-Geschäftsführerin Regine Stachelhaus.

Die Folgen sind nach Einschätzung der Industrievertreter für Hersteller und Verbraucher gleichermaßen verheerend. Setzten sich die Rechteverwerter mit ihren Forderungen durch, würden sich die Geräte teilweise um mehr als das Doppelte verteuern. Ein 80 Euro teures Kombigerät könnte auf etwa 200 Euro kommen, wenn es einem Kopierer rechtlich gleichgesetzt werde. In der Folge müsste der deutsche IT-Handel Wettbewerbsnachteile in Kauf nehmen, da viele Anwender ihre Geräte im Ausland einkaufen würden. Dort würden die Geräte meist ohne Urheberrechtsabgaben angeboten. Rund 500 Einzelhändler und etwa 2700 Arbeitsplätze seien hierzulande unmittelbar bedroht, behauptet der Bundesverband Technik des Einzelhandels e.V. (BVT). Viele einkommensschwächere Menschen würden sich die teureren Geräte nicht leisten können.

Die von den IT-Anbietern präsentierten Fakten seien aus dem Zusammenhang gerissen und teilweise schlichtweg falsch, kontern Vertreter der Verwertungsgesellschaft Wort (VG Wort). Nach dem üblichen Jammern und Wehklagen über entgangene Gewinne würden die Hersteller nun dazu übergehen, auch die Seriosität und Verteilungspraxis der Verwertungsgesellschaften in Frage zu stellen.

Nach Einschätzung der VG-Wort-Verantwortlichen werden deutsche Verbraucher keineswegs benachteiligt. Immerhin gebe es in 24 von 27 EU-Ländern Urheberrechtsabgaben. Außerdem würden derzeit weder für Drucker noch für Multifunktionsgeräte Gebühren fällig, da eine Entscheidung über Rechtmäßigkeit und Höhe der Tarife noch vom Bundesverfassungsgericht gefällt werden müsse. Die angeblich notwendigen Preissteigerungen seien völlig aus der Luft gegriffen. Für ihre Beispielrechnungen hätten die Hersteller einfach die günstigsten Einstiegsgeräte ausgewählt, bei denen sich die Pauschalabgaben am stärksten niederschlügen. Im mittleren und oberen Preissegment seien die Gebühren dagegen deutlich weniger spürbar.

Auch der Vorwurf eines Wettbewerbsnachteils für den deutschen IT-Handel lasse sich nicht nachvollziehen. So hätten sich in den vergangenen Jahren neue Geräte wie beispielsweise CD- und DVD-Brenner in Deutschland wesentlich zügiger verbreitet als beispielsweise in Großbritannien - obgleich auf der Insel keine Abgaben zur Rechteabgeltung erhoben werden. "Man mag als Druckerhersteller versucht sein, mit hochglänzenden, farbigen Abbildungen Eindruck zu schinden", stichelt VG-Wort-Vorstand Ferdinand Melichar. "Man sollte jedoch aufpassen, sich dabei nicht in eine Fantasiewelt zu verlieren."

Die Gräben zwischen Herstellern und Verwertungsgesellschaften scheinen derzeit nicht zu überbrücken. Die Schützer der Urheberrechte befürchten angesichts der fallenden Preise und der damit verbundenen geringeren Pauschalabgaben für die Rechtevergütung schon heute Einbußen für ihre Mitglieder und fordern, im neuen Urheberrecht deren Position zu stärken. Die Hersteller dagegen, die sich in einem gnadenlosen Preiskampf behaupten müssen, fürchten, mit jedem Zusatzaufwand im Wettbewerb zurückzufallen, und kündigten weiteren Widerstand an.

Für den Gesetzgeber, der seit dem September 2003 am so genannten Korb zwei des Urheberechts arbeitet, wird es mit dem Streit der beiden Interessenverbände auch nicht einfacher. "Ich rechne mit einer Verabschiedung des Gesetzes im Bundestag bis zur Sommerpause", erklärte jüngst Günter Krings, Bundestagsabgeordneter der CDU. Eine Lösung bereits im ersten Quartal 2007 halte er wegen der äußerst komplexen Materie keinesfalls für möglich.

Die Zeche zahlen vorläufig Verbraucher und Rechteinhaber. Schließlich kosten auch der Streit und die damit verbundenen Kampagnen bares Geld. Das schlägt sich letztendlich in höheren Preisen und geringeren Ausschüttungen nieder. (ba)