Skandal um Studienplatzvergabe

Ist der Computer der Sündenbock?

10.10.1975

DORTMUND - Skandal im Lande auf und ab. Bei der Studienplatzvergabe der zuständigen Dortmunder Zentralstelle (ZVS) passierten Pannen über Pannen. Die ZVS bedient sich bei dem V erfahren des RZ des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik (IBM 370/165).

Bei der Mitte September erfolgten Zustellung der rund 190 000 Bescheide hagelte es Überraschungen: Bewerber mit Traumnoten verwies der Computer in die Warteschlange. Abiturienten, die sich kaum Hoffnung machen konnten, studieren zu dürfen, erhielten Studienplätze. War wirklich der Computer schuld? Die Schlagzeilen der Tageszeitungen behaupten es. Karl Willbrandt (38), DV-Dezernent der ZVS, weiß das Gegenteil: "In Einzelfällen, nämlich bei Wiederbewerbern, gab es eine Programmpanne: die Noten-Boni 0,1 und 0,5 wurden im Programm verwechselt. Solche Tücken führten zur Zuweisung etwa eines Medizinstudenten an die TH Darmstadt, an der Medizin nicht gelehrt wird. Solche Tücken liegen in den komplizierten Antragsformularen. Acht der A 4-Bögen werden nach handschriftlichen Markierungen und Ziffern optisch gelesen. Bei dem erstmals in diesem Jahr angewandten Verfahren häuften sich Lesefehler. Fehler bei der Datenerfassung aus den anderen Antragsteilen und die Bonus-Falle könnten sich im Extremfall kumulieren und besonders krasse Falschbescheide erzeugen, meint Willebrandt. Das von ihm entwickelte Formularbündel hält er trotzdem für computergerecht. Für den Bonus-Programmfehler ist die Software-Abteilung des Landes-RZ verantwortlich. Andererseits konnten Probleme bei der Neuprogrammierung, die durch Mängel des IBM PL 1-Compilers verursacht wurden, im Test erkannt und ausgemerzt werden. Peter Starp vom Landesamt: "Da hätten noch viel schlimmere Dinge passieren können."