Unternehmensberatung fragt deutsche Firmen

ISO 9000: Hohe Erwartungen und beschränkter Nutzen

06.09.1996

Idealerweise dient die Zertifizierung nur als Ausgangspunkt und Einleitung zu Re-Engineering-Maßnahmen. Doch klaffen Anspruch und Wirklichkeit auseinander. Zwar streben die Unternehmen zu einem Großteil (66,5 Prozent bei Mehrfachnennung) die ISO-9000- Zertifizierung aus eigenem Wunsch an, um die Qualität ihrer Ablauf- und Aufbauorganisation, der Produkte sowie der Kundenorientierung zu verbessern, doch gelingt das offenbar längst nicht allen. Auf Kundendruck reagieren 47,6 Prozent, auf eine Internationalisierung des Wettbewerbs 37,4 Prozent, und als Marketing-Maßnahmen sehen 29,1 Prozent der über 500 auskunftgebenden Unternehmen die Zertifizierung.

Dabei ist, so die PDV, auf verschiedenen Beschaffungsmärkten der Nachweis eines zertifizierten Qualitäts-Management-(QM-)Systems Bedingung, um von einem Kunden in die Bieterliste aufgenommen zu werden. Viele potentielle Käufer wünschten sich einen Nachweis der Lieferfähigkeit. Auch die öffentliche Hand ist auf europäischer Ebene seit dem 1. Januar 1993 angehalten, Projekte, die eine Qualitätssicherung erfordern und ein Volumen von mehr als 100000 Ecu haben, nur noch an Unternehmen mit nach DIN ISO 9000 ff. zertifizierten Systemen zu vergeben. Der im Vergleich deutlich höhere Durchdringungsgrad insbesondere in den Benelux-Ländern und Großbritannien, wird nach Ansicht der PDV die europäische Konkurrenz weiter verschärfen.

Als Vorreiter gelten die Branchen Maschinen- und Anlagenbau, Elektrotechnik und Automobilbau. Diese Unternehmen wollen darüber hinaus auch die gesamte Zulieferer-Prozeßkette an ihre QM-Systeme anbinden. Doch hat sich das Tempo, mit dem sich diese Industriezweige weiterentwickeln, verlangsamt, und Unternehmen aus den Bereichen Ernährung, Gummi- und Kunststoffverarbeitung sowie Dienstleister holen auf. Insbesondere Serviceanbieter, zu denen auch die Softwarehäuser zählen, machen überdurchschnittlich gute Erfahrungen hinsichtlich der Kundenorientierung.

Da offensichtlich die Zertifizierung nicht zwangsläufig mit weitergehenden Reorganisationsmaßnahmen verbunden ist, können die zu beobachtenden Verbesserungen auf die mit der ISO 9000 verbundene Dokumentationspflicht zurückgeführt werden. Sie sorgt für eine höhere Transparenz der Geschäftsprozesse.

Dennoch benutzen mit Ausnahme des Dienstleistungssektors (63,6 Prozent) jeweils mehr als 80 Prozent der befragten Unternehmen noch kein elektronisches Dokumenten-Management. Dessen Nutzen scheint nicht leicht ersichtlich zu sein. Ein Netzwerk von mittlerweile neun Firmen bietet allerdings unter Federführung der PDV Dokumenten-Management-Systeme auf Basis von Lotus Notes an und integriert diese in die vorhandenen oder im Aufbau befindlichen Systeme. *Die Studie "Erfahrungen und Perspektiven des Qualitäts-Management in deutschen Unternehmen" kostet 650 Mark.