Corporate Network: Infrastruktur

ISDN bleibt die erste Wahl im Netzverbund der Firmen

09.01.1998

Von den sich ändernden Marktverhältnissen in Deutschland ist auch das Corporate Network im Sinne eines von Unternehmen selbst betriebenen, integrierten Sprach- und Datennetzes betroffen. Analysten glauben, daß mit sinkenden Übertragungsgebühren und Rabatten das Einsparungspotential im Corporate Network immer geringer ausfallen wird. Erfüllen die Lastprofile, die Ausdehnung des Netzwerkes sowie der Anteil der Sprachkommunikation die Rentabilitätskriterien eines Corporate Network, steht die Entscheidung über die richtige Verbindung im Wide Area Network (WAN) zwischen den Unternehmensstandorten an.

Die ISDN-Festverbindung ist die derzeit gängigste und für die meisten Firmen beste Übertragungsstrecke, um entfernte Lokationen zu einem Corporate Network zusammenzufassen. Für ISDN sprechen die hohe Übertragungsqualität, ein flächendeckendes Angebot sowie Gebühren, die im internationalen Vergleich gut abschneiden. Darüber hinaus ermöglicht ISDN Anwendern von Corporate Networks, beim Carrier Bandbreite nach Bedarf vom Basisanschluß (S0) mit zwei B-Kanälen ê 64 Kbit/s bis hin zum Primärmultiplexanschluß (S2M) mit 30 B-Kanälen ê 64 Kbit/s anzumieten. Damit steht via ISDN Bandbreite nach Maß zur Verfügung, um sowohl die kombinierten Ansprüche für Sprach- und Datenkommunikation kleinerer Niederlassungen als auch die der Zentrale und größerer Standorte zu befriedigen.

Der S2M-Anschluß reicht sogar aus, um darüber parallel zum Daten- und Sprachverkehr nicht allzu bandbreitenintensiven Videoverkehr zu übertragen. Generell gilt: Sind an einer WAN-Schnittstelle mehr als sieben S0-Anschlüsse gefordert, sollte der IT-Manager mit Blick auf die Übertragungskosten über den bandbreitenstärkeren S2M-Anschluß nachdenken.

Mit der Funktion der dynamischen Bandbreitenverwaltung im WAN-Kopplungssystem lassen sich dann einzelne ISDN-Kanäle ganz nach Übertragungsbedarf zu- beziehungsweise abschalten, um das gesamte Leitungspotential effizient auszuschöpfen. Dabei wird eine definierte Anzahl an Kanälen vorrangig für die Sprachübertragung reserviert, um so in Echtzeit den Voice-Verkehr ohne Aussetzer zu garantieren. Die restlichen B-Kanäle sind der Datenübertragung zuzuordnen. Wird gerade keine Sprache übertragen, lassen sich auch die Sprachkanäle zur Übertragung von Daten nutzen.

Wie steht es neben ISDN um Frame Relay als Verbindungsalternative für Corporate Networking? Mittlerweile propagieren immer mehr Carrier, Service-Provider und auch Unternehmensberater dieses Protokoll als mögliche Alternative für die kombinierte Sprach- und Datenübertragung.

"Frame Relay wurde zwar zunächst für die Informationsübertragung entwickelt, ist jedoch sowohl für den Daten- als auch für Sprach- und Videotransfer geeignet", lobt zum Beispiel TK-Experte Rüdiger Both, Bereichsleiter bei der Diebold Deutschland GmbH in München, den Service.

Frame Relay, so erklärt der Experte, basiere zwar auf Paketvermittlungstechnik, da aber für die Übermittlung innerhalb des Carrier-Netzes bis auf das Frame-Checking-Sequence-Feld (FCS) keinerlei Sicherungsmechanismen definiert wurden, sei die Übertragung sehr schnell. Wird statt mit variablen Paketlängen mit Zellen einheitlichen Umfangs gearbeitet, ist Frame Relay ein möglicher Vorläufer der ATM-Netze und für die Sprach- und Datenintegration nutzbar.

Doch dieses Verfahren birgt für den Anwender auch Nachteile, weil die Anbieter entsprechender Vermittlungstechnik bisher nur mit kurzen Zellen arbeiten. Damit ist das Verhältnis von Netto- und Steuerdaten extrem ungünstig. Gerade die Übertragung in langen Paketen variabler Länge (maximal 4 Kbit/s) ist aber einer der Vorteile von Frame Relay. Die Tarifierung des Frame-Relay-Dienstes ist nämlich auf die Übertragung von stark schwankendem Datenverkehr mit permanenter Grundlast ausgelegt. Der Kunde muß an sogenannter Committed Information Rate (CIR) beim Carrier lediglich das Bandbreitenmaß ordern, das er zur Übertragung dieser Grundlast braucht. Darüber hinausgehende Verkehrsspitzen werden dann von den Netzbetreibern meist kostenlos übertragen. Dies ist beim Transfer von Sprache oder Video anders. In diesem Fall müßte der Anwender die CIR am maximalen Bedarf für die Sprach- beziehungsweise Videoübertragung ausrichten, um Verzögerungen im WAN und Aussetzer an den Ausgabegeräten kategorisch auszuschließen.

Leider steht dieser Ansatz in krassem Widerspruch zur Wirtschaftlichkeit von Frame Relay und damit auch zum Unternehmensbudget. Kenner der Frame-Relay-Technik raten deshalb, nur dann Sprache und Video über diese Technik zu übertragen, wenn der Anteil der isochronen Kommunikationsformen - sprich Sprache und Video - nicht mehr als maximal 20 Prozent des gesamten Übertragungsaufkommens ausmacht.

ATM ist nur für Pioniere geeignet

Schließlich bleibt als weitere Übertragungsart im Corporate Network das Verfahren Asynchronous Transfer Mode (ATM). Insbesondere dann, wenn zusätzlich zur Sprach- und Datenübertragung qualitativ hochwertige Videoübermittlung stattfinden soll, führt auf Dauer für Unternehmen an ATM kein Weg vorbei.

Noch ist die Deutsche Telekom der einzige Carrier in Deutschland, der ATM als Regeldienst mit "T-Net ATM" anbietet, allerdings zu horrenden Preisen, wie Diebold-Spezialist Both meint: "ATM ist zwar das Netz der Zukunft. Aufgrund der geringen Flächendeckung und der hohen Preise ist das Netz bisher jedoch nur für Pioniere interessant. Jedes Unternehmen, das mehr als Daten und Sprache übertragen muß, sollte sich auf ATM vorbereiten", rät der Analyst.

Corporate-Network-Anwender könnten theoretisch aber auf die kostengünstigere 2-Mbit/s-Variante im Rahmen von T-Net ATM setzen - eine Alternative allerdings, von der Insider abraten. Zu hoch sei in diesem Fall der Protokoll-Overhead. Wird nämlich bei der schnelleren Übertragung mit 34 beziehungsweise 155 Mbit/s das schlechte Verhältnis von Nutz- und Steuerdaten (5 Byte von insgesamt 53 Byte pro Zelle sind Steuerdaten) weitgehend durch die hohe Geschwindigkeit wettgemacht, ist dieses Defizit bei ATM über 2-Mbit/s-Verbindungen kaum mehr auszugleichen. Zudem wird bezweifelt, daß sich Multimedia-Anwendungen trotz MPEG-2-Komprimierung über 2-Mbit/s-ATM mit akzeptabler Ausgabequalität übertragen lassen. Darüber hinaus konkurriert das langsamere ATM mit dem Primärmultiplex-Anschluß (S2M), der ein wesentlich besseres Verhältnis von Nutz- und Steuerdaten und in der Regel geringere Übertragungskosten aufweist.

Nicht zuletzt ist der Anwender bei ATM immer noch mit erheblichen Standardisierungslücken konfrontiert. Von den beiden möglichen Diensten zur Übertragung verzögerungsempfindlicher Kommunikationsformen wie Sprache und Video gilt bisher nur der spartanische Dienst Constant Bit Rate (CBR) als weitgehend standardisiert. Bei CBR ist jedoch keine Komprimierung von Sprache und Video sowie keine effiziente Ausnutzung der Bandbreite möglich. Bei der funktionsreicheren Spezifikation Variable Bit Rate (VBR) für eine wirtschaftliche Nutzung der ATM-Bandbreite gibt es hingegen noch Standardisierungslücken.

Fazit: Vor dem Hintergrund sinkender Übertragungsgebühren werden sich Unternehmen verstärkt die Frage stellen, ob es überhaupt sinnvoll ist, das Corporate Network in eigener Regie zu betreiben. Carrier wie Otelo oder Mannesmann Arcor haben bei der Sprach- und Datenübertragung mit Tarifen weit unterhalb der Telekom-Sätze den Gebührentrend nach unten bereits eingeleitet. Die Deutsche Telekom reagiert ihrerseits insbesondere bei Großkunden mit Rabatten bis zu 30 Prozent unterhalb des Normaltarifs. Damit läßt sich mit Corporate Networks kaum noch etwas sparen. Zumindest wird der Amortisationszeitraum für die getätigten Systeminvestitionen wie WAN-Kopplungssysteme und TK-Anlagen immer länger ausfallen.

Vor diesem Hintergrund kann es sich für viele Unternehmen zunehmend lohnen, statt dessen externe Corporate-Networking-Dienste zu gut kalkulierbaren Kosten oder wieder die separate Telefonie in Betracht zu ziehen. Wenn aber doch die Entscheidung pro Corporate Network lautet, dann muß bei der Auswahl der Verbindungen das Optimum an Kosten und Effizienz herausgeholt werden, soll die Rechnung aufgehen.

Migrationsfalle

Im Lager der Analysten sind die Meinungen zu Frame Relay als Vorstufe zu ATM geteilt. Einige warnen vor der Argumentation der Carrier, der zellenbasierte Frame-Relay-Dienst sei ein legitimer Vorläufer der ATM-Technik und vereinfache später die Migration. Vom ATM-Forum und Frame-Relay-Forum wurde zwar ein Regelwerk zur Implementierung für das Internetworking zwischen den beiden Standards verabschiedet, ein zweites, um Service-Interoperabilität zwischen den Diensten zu garantieren, steht jedoch noch aus. Doch selbst nach dessen Verabschiedung wird der Anwender noch einige Zeit warten müssen, bis regelkonforme Produkte auf den Markt kommen. Zudem setzt die Migration von Frame Relay zu ATM Switched Virtual Circuits (SVC) voraus. Dabei handelt es sich um geschaltete Verbindungen, die bisher kaum ein Carrier via Frame Relay unterstützt.

*Rene Urs ist freier Journalist in Bad Camberg.