Intelligenz - Verstärker

28.10.1977

Was die "Systems" will, ist oft genug gesagt worden: sie will den Computer einer breiten Masse von Anwendern so nahebringen, daß er seines 5 beinahe mystischen Zaubers entkleidet wird, daß sie in ihm ein höchst praktikables Werkzeug und Instrument am Arbeitsplatz in einer Vielzahl von Bereichen sehen. Der Computer sozusagen als "lntelligenz- Verstärker", wie es Helmut Rausch von der Nixdorf AG bei der Eröffnung formuliert hat

Was einige Sprecher der Branche bei einem sehr gutgemeinten, wegen Ausfalls einer anderen Veranstaltung improvisierten "Presse-Cocktail" der MMG zu dem Thema der Systems unter dem Stichwort "Distributed Processing" zu bieten hatten, war leider wenig dazu angetan, diese Zielsetzung bei den anwesenden Journalisten überzeugend zu demonstrieren. Ganz ungeniert sei's gesagt: es entstand eher der Eindruck, der Computer lähmt mitunter die praktische Intelligenz der Leute, die mit ihm umgehen, statt daß er sie verstärkt. Auch Wirtschaftsjournalisten haben inzwischen gelernt, mit den Begriffen der Datenverarbeitung zu jonglieren, und es ist sicherlich unumgänglich, sie zu nutzen. Aber muß deshalb Reden über den Computer zu einem fachchinesischen Eiertanz mit Wortfetischismen ausarten, muß es sein, daß man sich gar nicht mehr die Mühe macht, eigene Gedanken eigenständig zu artikulieren und allgemeinverständlich darzulegen? Selbst zwei so hochkarätige Branchen- Vertreter wie Helmut Lohr (SEL) und Rausch verstanden es meisterhaft, aneinander vorbeizureden, als sie versuchten, den Einbruch der Mikro-Computer in die herkömmliche EDV- Infrastruktur zu erläutern. Und natürlich hatte dabei jeder sein Firmeninteresse und sein Produktspektrum im Sinn. Wer wundert sich da, daß nicht nur Journalisten verschreckt und verärgert das Weite suchen, sondern offenbar auch zahlreiche Firmenchefs in unserem Lande dieser verfremdeten Fach-Sprache gegenüber allergisch reagieren und sich nicht von Nur - Experten für dumm verkaufen lassen? Ein Teilnehmer an der Diskussion sprach nachher im kleinen Kreis von einer "Vertrauenskrise" zwischen EDV- Leuten und Management, und er lamentierte darüber, daß Betriebsräte und Gewerkschaften auf Alarmstufe eins schalten, wenn externe Berater ins, Haus kommen und der Computer, wie sie argwöhnen, Arbeitsplätze bedroht. Hat man sich einmal die Mühe gemacht, nicht nur vielbeschäftigten Bossen, sondern auch schlichten Menschen diesen Computer nahezubringen? Der Presse einen Vorwurf zu machen, ist zu billig. Und im übrigen mißtraut "auch die Presse" nun einmal Leuten, die nicht dazu in der Lage sind, sich Menschen mit normaler Intelligenz gegenüber halbwegs verständlich zu machen.