Innovation und Kostenbewußtsein schließen sich nicht aus IS-Controller und DV-Manager müssen eng zusammenarbeiten

12.01.1990

Informationssystem-(IS-)Controlling und EDV-Management sitzen im selben Boot. Beide haben einen unterschiedlichen Auftrag, doch ein gemeinsames Ziel-. Innovative Serviceleistung für das Management. Eine besondere Stabsstelle in Vorstandsnähe sorgt bei der Volksfürsorge in Hamburg dafür, daß wirtschaftliche Klippen unbeschadet umschifft werden. Über Anforderungen und Aufgaben des Lotsen unterhielten sich

Jürgen Weidner, Hauptabteilungsleiter Organisations Controlling im Vorstandsbereich Informationssysteme, und Wolf-Dietrich Lorenz*.

Informationssystem-Controlling ist das ein Thema bei der Volksfürsorge?

Jürgen Weidner: Aber ja. Das Informationssystem-Controlling umfaßt im Hause der Volksfürsorge ganz allgemein die ergebnisorientierte Planung, Steuerung und Kontrolle zu Zielen und Aktivitäten im Vorstandsbereich Informationssysteme. Die Aufgaben des IS-Controlling sind dabei zum einen in der Linie verankert, zum anderen einer gesonderten Stabsstelle übertragen worden, 1 die direkt an den Vorstand berichtet.

Nennen Sie doch einige Aufgaben dieser Stabsstelle.

Jürgen Weidner: Sie unterstützt und berät das Linienmanagement etwa durch die Analyse des Bereichs Informationssysteme, dem Aufbau eines umfassenden Berichtswesens für den gesamten Informationssystem Bereich, oder sie wirkt auch mit, wenn es gilt, Verfahren zur Kosten- und Leistungsverrechnung zu verbessern.

Weiterhin ist diese Stabsstelle beim Aufbau und der Ermittlung von Kennzahlen zur Steuerung tätig, arbeitet bei der operativen und strategischen Planung mit und prüft eingeführte Projekte auf Zielerreichung und Akzeptanz in den Benutzerabteilungen. Schließlich betreibt sie Marktbeobachtung mit dem Blick auf generelle IS-Sachverhalte und bietet für das Informationssystem-Management interne Serviceleistungen.

Wie beurteilen Sie dabei das Verhältnis zwischen kostenorientierter Betrachtung und innovativem Denken?

Jürgen Weidner: Die Suche nach der jeweils wirtschaftlichsten Lösung behält auch in Zukunft für die IS-Bereiche der Versicherungsunternehmen ihre Bedeutunge Arbeitsabläufe zu rationalisieren ist dagegen nicht mehr vordringliches Ziel. Vielmehr wird der IS-Bereich seinen Beitrag zum Ausbau und zur Festigung strategischer Marktpositionen liefern müssen. Der Einsatz der Informationsverarbeitung als Waffe im Wettbewerb ist ja fast schon ein geflügeltes Wort. Und innovative Versicherungsprodukte sind ohne starke Unterstützung der Informationsverarbeitung nicht mehr einzuführen. Insofern verliert die Kostenreduktion relativ an Bedeutung ...

... und ihren bitteren Beigeschmack für den Informationssystem-Verantwortlichen?

Jürgen Weidner: Ich möchte es so ausdrucken: Eine andere Tendenz zur Kostenreduktion im IS-Bereich selbst zeigt sich. Ständig steigende Kosten - vor allem Entwicklungskosten - sowie laufende technische Innovationen haben das Interesse, teilweise aber auch Unbehagen, an der Informationsverarbeitung verstärkt.

Wie kann der IS-Manager gegensteuern?

Jürgen Weidner: In der Anwendungsentwicklung müssen durch Planung und Einsatz von produktivitätssteigernden Verfahren, Methoden und Werkzeugen alle Anstrengungen unternommen werden Kosten zu senken, Entwicklungszeiten zu verkürzen und den Anwendungsstau abzubauen. Im Rechenzentrum wiederum lassen sich durch automatisierte Abläufe Kosten reduzieren und der Service verbessern.

Damit steht das DV-Management quasi unter Kontrolle des Controllers?

Jürgen Weidner: Nein, der IS-Controller unterstützt die Führungskräfte beispielsweise durch Plan-/Ist-Vergleiche, Kennzahlen und Analysen. Aufgabe des IS-Managements muß es sein, den Einsatz und die Nutzung der Informationstechnik im Unternehmen voranzubringen.

Im Sinne eines Navigators oder Lotsen muß er dazu beitragen, daß die Maßnahmen des IS-Bereiches ihren Beitrag zum Unternehmensergebnis leisten. Informationstechnik darf nicht Selbstzweck sein, sondern muß in die Anforderungen des Gesamtuntemehmens eingebunden werden.

Kann der Controller dabei auch neue Einsatzmöglichkeiten der EDV vordenken?

Jürgen Weidner: Den Markt zu beobachten und neue Techniken zu evaluieren, neue Einsatzmöglichkeiten der Informationstechnik mit Blick auf Praxisrelevanz zu überprüfen, wahrnehmen, ist primär Aufgabe des Linien-Managements im Informationssystem-Bereich, weniger eine Controlling-Aufgabe. Die Volksfürsorge hat diese Aufgabe sogar im Rahmen der Betriebsorganisation als eigenständige Funktion verankert.

Wie teilen sich die Arbeitsbereiche von Controlling und Informationsmanagement außerdem auf?

Jürgen Weidner: IS-Controller und Informations-Management arbeiten eng zusammen. Der Controller bietet dabei - wie gesagt - dem Management Service und Hilfestellung. Das Management entscheidet über die Ressource Information und setzt die Informationstechnologie ein. Beide haben gemeinsame Ziele.

In der Volksfürsorge ist zwischen Linie und der gesonderten Stabsstelle eine klare Arbeitsteilung mit festen Grundsätzen verabredet worden. Dabei zeigt sich eine fruchtbare Wechselwirkung.

Die Linienabteilungen haben die volle Planungs-9 Steuerungs- und Realisierungsverantwortung sowohl für das operationale wie auch das strategische Geschehen, etwa für das Projekt-Controlling.

Die Stabsstelle wiederum unterstützt die Führungskräfte

und gibt Impulse für Aktivitäten. Sie führt keine Organisationstätigkeit im Detail aus, sondern entwickelt Controlling-Konzepte und erledigt grundsätzliche Aktivitäten.

Wenn daraus Aktionen abzuleiten sind, werden diese zur Durchführung an die Linie abgegeben. Denn Ziel der Stabsstelle ist es, ihre Aktivitäten so zu gestalten, daß diese als Vorteil und Service von den Linienabteilungen empfunden werden.

Steht dem Controller dabei nicht sein Image als trockene Rechenseele im Weg ...

Jürgen Weidner: ... eine Aussage, die ich nicht nachvollziehen kann. Voraussetzung ist natürlich, daß er ein gutes Verhältnis zu Zahlen besitzt. Er muß ja Kosten und Leistungen für den IS-Sektor und die Fachbereiche analysieren und interpretieren sowie daraus Kennzahlen ableiten können.

Für den Erfolg seiner Tätigkeit braucht der Informationssystem-Controller gerade die Akzeptanz aller Beteiligten. Sein Geschick im Umgang mit Menschen sowie seine neutrale Position sollten deshalb noch Vorrang vor seinem Fachwissen haben.

Welche Qualifikation paßt zu diesen multifunktionalen Anforderungen?

Jürgen Weidner: Für die Ausbildung des Informationssystem-Controllers wird künftig das Verhaltenswissen stärkeres Gewicht erlangen. Ebenso wichtig ist jedoch, daß er Grundfachwissen für die wesentlichen Funktionen des IS-Bereiches erworben hat und möglichst aus diesem Arbeitsfeld kommt. Unerläßlich ist auch die Fähigkeit, sich durch Fragestellungen und analytisches Denkvermögen in die jeweils aktuellen Sachverhalte schnell und kompetent einarbeiten zu können.

Eine besondere Probe dieser Fähigkeiten könnte demnächst der europäische Binnenmarkt vom IS-Controlling fordern.

Jürgen Weidner: Der Binnenmarkt '92 ist für Versicherungsunternehmen eine Chance und zugleich Herausforderung. Der Verbund der Volksfürsorge mit der Aachener und Münchener Gruppe und der italienischen Gruppe La Fondiaria zum Beispiel ist ein wichtiger Schritt zu Europa '92.

Die Informationstechnik kann wesentlich dazu beitragen, räumliche Entfernungen zu überbrücken sowie Arbeitsweisen und Produkte zu beeinflussen. Kooperationen auch im Informationssystembereich zeichnen sich ab.

Der IS-Sektor hat unter Umständen mit anderen Kostenstrukturen, Berichtswegen, übergreifenden Planungsprozessen zu tun. Daraus erwachsen auch veränderte Anforderungen an den InformationssystemController.