Manager müssen Informatik strategisch planen

Informationsverarbeitung verlangt eine neue Definition der Inhalte:

04.10.1985

BASEL - Die Produktivkraft unserer Zeit heißt unbestritten Information. Frust bei Nutzern wie Informatikern lassen indes Lücken in Technik, Entwicklung und Planung aufkommen. Anspruch und Realität klaffen in den Unternehmen häufig gefährlich weit auseinander. Eine langfristige Optimierung der Informationsverarbeitung läßt sich nur über ihre strategische Planung erreichen: Das Management ist angesprochen.

Der wirkungsvolle und wirtschaftliche Einsatz der modernen Informatik orientiert sich an den strategischen Zielen der Unternehmens und an den daraus abgeleiteten Benutzerbedürfnissen.

Diese triviale Aussage enthält zwei relativ schwierige Fragen.

Erstens: Welches sind die strategischen Ziele, und welche Benutzerbedürfnisse lassen sich daraus ableiten:

Die Benutzerbedürfnisse werden bekanntlich von vielfältigen Faktoren bestimmt. Zum Beispiel von der Möglichkeit, Erfolg oder Mißerfolg durch die Informatik zu beeinflussen, sowie vom Zeitpunkt der Bedürfnisanalyse und dem Zeitraum der Betrachtung. Benutzerbedürfnisse hängen weiter ab vom gerade aktuellen Angebot an Informationen und an Informationstechnologie ebenso wie von der Ausbildung, Erfahrung, von der hierarchischen Stellung, vom Status und Prestige des Benutzers.

Zweitens: Was heißt modern? Ist man nur dann modern, wenn man die jeweils neuesten Techniken nutzt? Einer der Leitsätze aus den 7Oer Jahren etwa hieß: "Don't be Pioneer". Wie verträgt sich eine wirklich moderne Informatik mit der nicht so modernen Umwelt in vielen Unternehmen?

Auf diese Fragen läßt sich eine Antwort finden, wenn bekannt ist, welches die strategischen Ziele und Erfolgsträger sind und durch welche Unternehmensfunktionen diese in erheblichem Maße beeinflußt werden können.

Wenn ein Informationssystem definiert werden kann, das diese Unternehmensfunktionen optimal unterstützt, ist eine weitere wichtige Antwort gefunden.

Ohne im Einzelfall die Unternehmensstrategie zu kennen, kann man davon ausgehen, daß die Verfügbarkeit von problemgerechten Informationen zunehmend wichtiger wird. Zitate wie: "Wer es der Konkurrenz überläßt, sich des Produktionsfaktors Information zu bedienen, selber aber darauf verzichtet, wird im Wettbewerb schnell hoffnungslos zurückfallen" oder "Die Information ist zu einer neuen und entscheidenden Produktivkraft unserer Zeit geworden" unterstreichen diesen Trend.

Die Investitionen in die Informationsverarbeitung sind entsprechend hoch. Laut IDC wurden 1983 in Europa 58,9 Milliarden US-Dollar in die EDV investiert, und man rechnet mit einer Zunahme von 15 Prozent im Jahr. Diese Annahme scheint sich zu bestätigen, wenn man den Konjunkturverlauf in der informationstechnischen Industrie verfolgt. Gemäß den Diebold-Statistiken stiegen die Verkaufskurven 1984 vor allem bei kleineren Rechnern und Standardsoftware sogar auf 60 bis 70 Prozent Mehrumsatz gegenüber dem Vorjahr.

Die Bedeutung dieser Investitionen läßt nicht nur von der Investitionssumme aus gesehen unschwer erkennen, daß die strategische Planung der Informationsverarbeitung wichtig ist, wenn dem Unternehmen eine erfolgreiche Marschrichtung in die Zukunft gezeigt werden soll.

Die Assimilation neuer Technologien braucht Zeit. Dies gilt für die Informationsverarbeitung genauso wie es für die Industrie seit jeher galt. Die entsprechende Lernkurve kann dann auch ohne weiteres auf die Informatik angewendet werden, wie das R. Nolan auch bereits 1973 erstmals tat.

Angepaßt an die aktuelle Situation kann von sechs "Reife-Phasen" ausgegangen werden (Abbildung 1). Wo immer die Mitarbeiter sich in einem Unternehmen nun auf dieser Kurve befinden, sollten sie sich zweier Tatsachen bewußt sein: Keine der vor ihnen liegenden Phasen kann ungestraft übersprungen werden. Entsprechende Versuche werden meistens teuer bezahlt. Dies zum einen. Zum anderen haben grundsätzliche Entscheidungen in der Informatik längerfristige Auswirkungen organisatorischer, personeller und finanzieller Art; sie können zunehmend weniger kurzfristig geändert werden, ohne daß schwerwiegende, teilweise nicht mehr korrigierbare Schäden in Kauf genommen werden müssen.

Ob man also von der Unternehmensstrategie, der technologischen Entwicklung oder von der Lernkurve für die Assimilation neuer Technologien ausgeht: Die strategische Planung der Informationsverarbeitung gewinnt an Bedeutung.

Deshalb soll ein Lösungsmodell vorgestellt werden, das nicht nur durch seinen theoretischen Ansatz überzeugt, sondern das auch bereits mehrfach in der Industrie, im Handel und in der öffentlichen Verwaltung angewendet wurde. Das Modell heißt Deciding Information Strategy (DIS) und wird in Deutschland von Coopers & Lybrand Europe Associates (CLAE) und von der Systor GmbH unterstützt.

Die Methode: DIS umfaßt vier Phasen (Abbildung 2). Jede Phase ist in mehrere Abschnitte und jeder Abschnitt in mehrere Aktivitäten unterteilt. Die Aktivitäten sind genau beschriebene Arbeitsschritte, zu denen verschiedene Standards und Softwarehilfen bestehen (siehe Abbildung 4) Mit dieser Methode werden im wesentlichen Anforderungen wie die Gewährleistung eines disziplinierten und methodischen Vorgehens erfüllt. Dies ist besonders wichtig, weil die meisten unternehmensinternen Mitarbeiter keine große Erfahrung mit strategischer Informatikplanung haben und weil damit die Gefahr des unzweckmäßigen Vorgehens erheblich ist.

Transparenz der Tätigkeiten und Verständlichkeit der Analysen und Berichte auch für Nicht-Informatiker ist gleichermaßen gegeben.

Der Inhalt: Phase eins "Diagnose": Die Ziele und die Zukunft des Unternehmens, der einzelnen Sparten oder Produktgruppen und die dazugehörigen kritischen Erfolgsfaktoren werden analysiert und definiert und die vorhandenen Ressourcen (Systeme, Personal etc.) nach qualitativen und quantitativen Merkmalen analysiert. Kurzfristig mögliche oder notwendige Verbesserungen werden ermittelt und bereits während oder unmittelbar nach der Diagnose eingeleitet und realisiert.

Phase zwei "lnformationsstrategie": In interdisziplinären Teams wird die Architektur für das zukünftige Informationssystem entwickelt. Die Verteilung oder Zentralisierung von Daten und Prozessen sowie die Applikationen und Applikationsprofile zeigt man mit Hilfe von standardisierten Verfahren und Checklisten auf. Die qualititativen und quantitativen Auswirkungen der zukünftigen Architektur auf die Unternehmensprozesse und den Unternehmenserfolg werden festgestellt und beschrieben.

Phase drei "Lösungsstrategie": Vorerst sind verschiedene mögliche Szenarien für die zukünftige Lösung zu beschreiben. Aufgrund von fallweise zu bestimmenden Kriterien wird das dem spezifischen Unternehmen angemessene Szenario ausgewählt und die entsprechende Strategie entwickelt. Zentralisierung/Dezentralisierung von Hard- und Software, Einsatz von Standard- oder Individualsoftware, die Rolle der Büroautomation und -kommunikation, der Einsatz von Mikro- und Personalcomputern und die entsprechenden Auswirkungen organisatorischer, personeller und finanzieller Art werden ermittelt, und der Übergang von der "alten" zur neuen Lösung wird geplant.

Phase vier "Strategische und operative Planung": Diese Phase hat drei Schwerpunkte:

Erstens ein detaillierter Aktionsplan für die der Planung folgenden zwölf Monate zu erstellen.

Zweitens wird die strategische Planung für drei bis fünf Jahre festgelegt. Dies geschieht in Form eines Grobplanes, der die Basis für die rollende Zwölfmonatsplanung bildet.

Drittens werden die Kontroll- und Steuerungsmechanismen für die Überwachung und Anpassung der strategischen und operativen Planung entwickelt.

Um ganzheitliche Lösungen und eine langfristige Optimierung des Informatiknutzens zu erreichen, sollten in einem DIS-Team alle Führungsebenen, Organisationseinheiten und Disziplinen vertreten sein. Vor allem die Unternehmensführung muß sich sehr stark engagieren. Das Projekt sollte nicht länger als sechs bis acht Monate (Projektdurchlaufzeit) in Anspruch nehmen. Nach bisherigen Erfahrungen ergibt sich etwa eine Aufgaben- und Aufwandverteilung wie in Abbildung 3.

Die aktuelle Situation, so könnte eine Zusammenfassung lauten, und die Bedeutung der Informationsverarbeitung für die Zukunft verlangen auch in der Informatik eine Konzentration der Kräfte auf die strategisch wichtigen Bereiche des Unternehmens. Denn Information wird mehr und mehr zu einem entscheidenden Produktionsfaktor.

Arelio Peccei, der ehemalige Präsident des Club of Rome, schreibt " Die Zukunft in unserer Hand":

"Das Zeitalter des Computers wird mehr sein als eine Revolution der technischen Mittel Hardware und Software, und es wird eine Revolution der Inhalte geben"

Für jeden Unternehmer, der sein Unternehmen erfolgreich in dieses Zeitalter führen will, muß die strategische Planung der Informationsverarbeitung von erheblicher Bedeutung sein.

** Hans-Peter Sieber ist Vize-Direktor Unternehmensberatung der Schweizerischen Treuhandgesellschaft in Basel, einer Tochtergesellschaft des Schweizerischen Bankvereines .

Zu diesem Themenbereich veranstaltet die Systor GmbH, Stuttgart, vom 13. bis 15. November in Frankfurt/Main einen Kongreß unter dem Motto "Innovatives Informationsmanagement und strategische Aufgaben".

Informationen: Systor GmbH, Mörikestr. 58, 7024 Filderstadt, Telefon: 0 71 52/7 24 24