Ergebnisse ober die Bedeutung der Informationstechnik für die Managementproduktivität:

Informationstechnik-Strategie der Unternehmens-Strategie anpassen

30.10.1987

Steigende Investitions-Budgets für Informationstechnik lassen die Frage aufkommen, in welcher Höhe diese Investitionen gerechtfertigt sind. Die übliche Wirtschaftlichkeitsrechnung stößt auf Grenzen der Zweckmäßigkeit, wenn die Einflüsse der neuen Technik nicht ausreichend bekannt sind. Klaus Höring* stellt grundlegende Ergebnisse aus Praxisanalysen dar.

Schon der Nutzen des modernen Telefon-Komforts ist ebenso schwer zu messen wie die Effekte, die von Electronic Mail ausgehen. Über neue Verhaltensweisen bei der Kommunikation erhöhen sie die Flexibilität und Reaktionsfähigkeit von Organisationen, wodurch sich nicht nur die Durchlaufzeiten von Vorgängen reduzieren, sondern auch die Qualitäten von Produkten und Diensten erhöhen lassen. Mit der Einführung von Personal Computern werden bessere Planungsrechnungen und Simulationen auf einfache Weise ermöglicht, deren Ergebnisse sich in kurzer Zeit und mit geringem Aufwand in anschaulichen Entscheidungs-Unterlagen mit Grafiken darstellen lassen. In der Regel sind die Einsparungen an Arbeitszeit - wenn sie überhaupt eintreten - entweder nur schlecht zu messen, oder sie sind so gering, daß sie die Investitionen nicht rechtfertigen, es sei denn, man zieht in Betracht, daß bessere Pläne und Entscheidungen entstehen die letztlich zu einem erhöhten betriebswirtschaftlichen Erfolg führen.

Die hier aufgezeigte Problematik ist im Bereich des Managements und aller Mitarbeiter, die den Führungsentscheidungen zuarbeiten, viel gravierender als im Bereich der Sachbearbeitung, die durch operative Datenverarbeitungssysteme (zum Beispiel Auftragsbearbeitung, Rechnungswesen, Disposition) unterstützt wird.

Trotzdem ist die Frage nach dem Nutzen der Informationstechnik im Management-Bereich außerordentlich wichtig angesichts der relativ hohen zu erwartenden Investitionen und der immer wieder belegten positiven Effekte bezüglich der Reaktionsfähigkeit von Unternehmungen, der Möglichkeit, neue Dienstleistungen und Produkte anzubieten, neue Organisationsformen zu realisieren etc. Da es nicht gelingt, die Einflüsse einzelner Investitions-Entscheidungen auf derartige Effekte in quantitativer Form darzustellen, wurde ein neues Verfahren gewählt.

Die Urheber sind Paul Strassmann und Gus van Nievelt in den USA. Sie haben mit statistischen Analysen in zahlreichen Unternehmungen wichtige Beziehungszusammenhänge aufgedeckt, die nicht nur Aufschluß über die Bedeutung der Informationstechnik für die Management-Produktivität geben, sondern auch konkrete Hilfestellungen für die Planung zukunftsweisender Informationssysteme.

Die Analysen betreffen sowohl amerikanische als auch europäische Unternehmungen. Sie werden fortlaufend erweitert, wofür in Deutschland das BIFOA zuständig ist.

Grundlegende Untersuchungsergebnisse

Detaillierte Analysen zahlreicher Unternehmungen unterschiedlicher Branchen können Aufschluß über den Einfluß der Informationstechnik auf die Management-Produktivität geben. Diese wird von den amerikanischen Urhebern der Analyse-Methode mit einer neuen Kennzahl beschrieben: "Return-on-Management" (ROM). Ihre Definition wird weiter unten gegeben. Zum Verständnis der Untersuchungsergebnisse genügt es zu beachten, daß diese Kennzahl stark mit dem betriebswirtschaftlichen Erfolg korreliert (Schließt eine Geschäftseinheit weder mit Gewinn noch mit Verlust ab, so ist der Return-on-Management (ROM) = 1).

Stellt man nun den in rund l00 Geschäftseinheiten ermittelten Return-on-Management dem Anteil der Kosten für Informationstechnik im Bereich "Management" gegenüber, so ergibt sich eine - für viele sicherlich enttäuschende - Erkenntnis: Es läßt sich nicht nachweisen, daß die Informationstechnik einen Einfluß auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg nimmt.

Darf daraus geschlossen werden, daß die Informationstechnik keine Bedeutung für die Management-Produktivität und den betriebswirtschaftlichen Erfolg hat? Sind Investitionen in Informationstechnik aus unternehmerischer Sicht unnötig?

Die gezeigte, einfache statistische Analyse legt es nahe, diese Fragen zu bejahen. Die Sachverhalte müssen jedoch komplexer angegangen werden. Viele Faktoren beeinflussen den wirtschaftlichen Erfolg. Die Informationstechnik steht in direktem Zusammenhang mit der Organisation, und beides ist nicht unabhängig von den Bedingungen und Aktionen am Markt. Aus intensiven Untersuchungen weiß man um die Einflüsse der Qualität der Produkte, des Marktanteiles, der Produktreife, der Marketing-Intensität, der Kapazitätsauslastung, des Marktwachstums etc. auf das Ergebnis. Diese und weitere Faktoren mehr haben einen zum Teil gut bekannten Einfluß auf die Wertschöpfung, den betrieblichen Erfolg und damit auch die Management-Produktivität. Diese Faktoren sollen für die weitere Betrachtung zu einer Kennzahl "Wettbewerbsposition" zusammengefaßt werden, damit neben Detail-Analysen auch eine aggregierte Betrachtung möglich ist.

Völlig anderes Bild bezüglich des IT-Einflusses

Berücksichtigt man die wichtigsten Faktoren der "Wettbewerbsposition" bei der Frage nach dem Einfluß auf den betriebswirtschaftlichen Erfolg, so ergibt sich ein völlig anderes Bild bezüglich des Einflusses der Informationstechnik. Die dreidimensionale Darstellung zeigt, daß bei schwacher Wettbewerbsposition eine zunehmende Investition in Informationstechnik zu immer schlechteren betriebswirtschaftlichen Ergebnissen führt. Hat eine Geschäftsordnung dagegen eine überlegene Wettbewerbsposition, so erbringt Informationstechnik einen steigenden Nutzen. Je mehr in Informationstechnik investiert wird, desto wichtiger ist es, diese Zusammenhänge zu beachten, denn der Einfluß der Wettbewerbsposition steigt überproportional.

Aus dieser Analyse ergeben sich wichtige Konsequenzen für die Unternehmensführung. Die Entscheidung über Umfang und Art der Informationstechnik muß die Wettbewerbsposition (aufgefächert in ihre bestimmenden Faktoren) berücksichtigen. Ist die Wettbewerbsposition unterdurchschnittlich bis schwach, so ist es nicht nur unnötig, sondern sogar wirtschaftlich schädigend, weiter in Informationstechnik zu investieren, wenn damit nicht zugleich eine Verbesserung der Wettbewerbsposition erzielt werden kann. Bei überlegener Wettbewerbsposition müssen Investitionen in Informationstechnik ebenfalls mit der Frage begleitet werden, welche Faktoren gestärkt und welche gehalten werden sollen.

Wichtige Hinweise auf die strategische Position

Da es möglich ist, aufgrund des Datenmaterials über eine Unternehmung auf das Potential für den zukünftigen Erfolg (ROM) zu schließen, kann die Gegenüberstellung von potentiellem und tatsächlichem Return-on-Management zu wichtigen Hinweisen über die Entwicklungstendenz und die strategische Position führen. Geschäftseinheiten, die aktuell unter den in sie gesetzten Erwartungen operieren, aber ein überdurchschnittliches Potential besitzen, dürfen erwarten, daß weitere Investitionen in Informationstechnik ihr betriebswirtschaftliches Ergebnis verbessern. Unternehmungen beziehungsweise einzelne Geschäftseinheiten, deren Ergebnis über den Erwartungen liegt, werden weniger Anstrengungen unternehmen müssen. Entwickelt sich jedoch ihr ROM über die Jahre in eine ungewollte Richtung, so ist ein Alarmzeichen gegeben, detaillierter nach den Ursachen zu fragen.

Die bisher durchgeführten Unternehmungs-Analysen haben interessante Aufschlüsse über die Einflüsse auf die Management-Produktivität im Detail ergeben. Dazu war es notwendig, die diversen Einflüsse zu sezieren und jeweils separat zu analysieren.

Einflüsse auf die Management-Produktivität

Wie es die kybernetische Darstellung im Zusammenhang verdeutlicht, sind neben den Kosten für die Produktionsfaktoren die beeinflußbaren Faktoren und Ziele bezüglich Markt, Produkt, Organisation, Finanzierung etc. zu betrachten und die gegebenen Marktbedingungen zu berücksichtigen. Aufgrund umfangreicher Analysen ist bekannt, daß einige dieser Faktoren eine positive Korrelation mit dem ROM und der Wertschöpfung haben, zum Beispiel: Marktanteil, Industrie-Konzentration, Kundenkonzentration, Auftragsgröße, Qualitäts-Profil, Markt-Wachstum, Kapazitäts-Auslastung, vertikale Integration. Einen negativen Einfluß üben aus: Investitionen, Eigenkapital-Anteil, Forderungen, Marketing-Aufwand, Anzahl neuer Produkte.

Diese Indikatoren liefern nicht nur Anhaltspunkte für die gegenwärtige und die potentielle Situation einer Geschäftseinheit, sondern auch für den Ansatzpunkt zukünftiger Maßnahmen. Diese können allgemeine unternehmerische Entscheidungen verlangen, oder auf organisatorische Veränderungen und die Einführung beziehungsweise Verbesserung der Informationstechnik ausgerichtet sein.

Jeder einzelne Faktor beeinflußt die Wertschöpfung des jeweils betrachteten Bereiches. Die Untersuchungen werden an einzelnen "Geschäftseinheiten" abgegrenzt, die eine wohldefinierte Einheit einer Unternehmung sind, für die es aussagefähige Daten gibt und für die verantwortlich geplant werden kann.

Es ist das Verdienst von Paul Strassmann und Gus van Nievelt, bei Analysen der Produktivität von Unternehmungen speziell im Management-Bereich die Notwendigkeit erkannt und herausgestrichen zu haben, die Wertschöpfung als wesentliche Bezugsgroße zu wählen. Damit werden die nicht zurechenbaren Kostenfaktoren für Material, Vorprodukte und Energie aus der Betrachtung ausgeklammert. Der Management-Bereich wird hier nicht im engen Sinne als "Leitungsebene" verstanden. Vielmehr beinhaltet er auch die Overhead-Bereiche und Stäbe, die den Führungskräften zuarbeiten.

Auf der Basis dieser Abgrenzungen läßt sich die neue Kennzahl "Return-on-Management" (ROM) definieren als eine Produktivitäts-Kennziffer (Output/Input), die als Output die Management-Wertschöpfung zum Input "Management-Kosten" in Beziehung setzt. Damit ist es gelungen, eine praktisch meßbare und aussagefähige Kennzahl zu gewinnen, die den Management-Bereich besser beschreibt als die herkömmlich verwendete Kennzahl "Return-on-Investment" (ROI).

Derartige ROM-Analysen lassen sich für einzelne Geschäftseinheiten durchführen. Die Ergebnisse führen bereits während der Datenerhebung zu interessanten Kennzahlen, die in vielen Unternehmungen noch nicht in dieser Form betrachtet wurden. Die Computer-Auswertung vergleicht die Ergebnisse einer Geschäftseinheit mit denen vergleichbarer anderer Unternehmungen. Sorgfältige Analysen belegen, daß es nicht nur möglich sondern sogar interessant ist, eine Geschäftseinheit nicht nur mit anderen der gleichen Branche zu vergleichen, sondern insbesondere mit denen, die im Hinblick auf wichtige Faktoren der Wettbewerbs-Position ähnlich gelagert sind.

Ein Fallbeispiel

Ein Fallbeispiel mag die Ausführungen veranschaulichen. Natürlich kann es in der Kürze nicht alle Aspekte der Untersuchung aufzeigen. Eine Geschäftseinheit eines Produzenten von Investitionsgütern hat in den vergangenen Jahren hohe Investitionen insbesondere in Informationstechnik getätigt. Ein im Vergleich zu anderen Unternehmungen sehr hoher Anteil ist in CAD geflossen. Die Analyse zeigt auch mehrere Jahre danach keine Verbesserung des ROM bei grundsätzlich gutem Potential, aber leicht gesunkener Wettbewerbs-Position. Die Prognose läßt für die unmittelbare Entwicklung ein weiteres Absinken des ROM, also des betriebswirtschaftlichen Ergebnisses, erwarten.

Die detaillierte Aufschlüsselung der einzelnen Faktoren führt zu folgenden Erkenntnissen und daraus abgeleiteten Empfehlungen:

- Es wird für die nächsten Jahre keine Erhöhung der Informationstechnik-Kosten empfohlen. Die Anstrengungen müssen von der einseitigen Ausrichtung auf CAD zugunsten einer ausgewogeneren Entwicklung der Informationssysteme verändert werden. Die Bemühungen sollen sich insbesondere auf das Marketing konzentrieren, dem die Aufgabe zukommt, die deutlich verbesserten Produkte den Kunden in entsprechender Weise darzustellen. Zu diesem Zweck ist es empfehlenswert, einige Marketing-Informationssysteme kurzfristig zu realisieren.

- Gemessen an anderen Geschäftseinheiten mit einer vergleichbaren Produkt- und Marktstruktur (zum Beispiel innovative Produkte) hat die untersuchte Geschäftseinheit eine zu komplexe Organisation mit einer zu großen Anzahl hierarchischer Stufen. Eine Vereinfachung der Organisation bietet sich an. Der sich daraus ergebende Vorteil kann sogar quantitativ dargestellt werden.

- Die Geschäftseinheit verfügt über eine vorteilhaft hohe Anzahl Knowledge-Worker bei einem durchschnittlichen Umfang der Verwaltung. Allerdings ist der Anteil der Techniker im Vergleich zum Marketing-Personal zu hoch. Eine diesbezügliche personelle Veränderung unterstützt die Bemühungen um besseres Marketing.

- Die betrachtete Geschäftseinheit :hat tendenziell zu viele Aktivitäten selber ergriffen und zuwenig delegiert, was mit einer hohen "vertikalen Integration" beschrieben ist. Die Analyse-Ergebnisse zeigen deutlich, daß erfolgreiche Geschäftseinheiten weder zu hoch noch zu gering in der Vertikalen integriert sind. Es bietet sich also eine Reduzierung der Vertikalen Integration an, das heißt es soll gesucht werden, welche Aktivitäten, vorteilhaft ausgegliedert vom Konzern oder von außen gekauft werden können. In der detaillierten und konkreten Diskussion vor Ort lassen sich hier leicht einige Beispiele finden.

Steigerung der Management-Produktivität

Die hier dargestellten Unternehmungs-Analysen resultieren immer in konkreten Empfehlungen für die Praxis. Es geht nicht darum, die allgemeine Bedeutung der Informationstechnik für die Management-Produktivität aufzuzeigen, sondern um konkrete Erkenntnisse, in welcher Höhe und Art die Informationstechnik mit größerem Nutzen eingesetzt werden kann und dabei - wie die grundsätzlichen Erkenntnisse eindeutig belegen - von organisatorischen und unternehmerischen Maßnahmen begleitet werden sollen.

Die bisherigen Anwendungen dieser Vorgehensweise in einer zunehmenden Anzahl von Unternehmungen führen zu eindeutigen Regeln für den Erfolg:

- Damit sich die Aktionen auf das Wichtige konzentrieren, müssen die Wettbewerbs-Faktoren analysiert werden.

- Die Informationstechnik-Strategie muß an die Geschäfts-Strategie angepaßt werden.

- Die Schwerpunkte der Anwendungen müssen auf die Bereiche mit hoher Wertschöpfung gelenkt werden. In den meisten Fällen ist eine Änderung der Organisations-Struktur im Zusammenhang mit den anderen Maßnahmen notwendig.

Im Management-Bereich, in dem viele Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verbesserung der Produkte und Dienstleistungen, der Erschließung neuer Märkte und der Schaffung unternehmerischer Potentiale zu sehen sind, genügen in der Regel die einfachen Wirtschaftlichkeitsrechnungen nicht. Vielmehr müssen die Zusammenhänge um neue Technik, Organisation und unternehmerische Entscheidungen integriert gesehen und strategisch diskutiert werden.

Dabei ist eine intensive Kontrolle der Kosten außerordentlich wichtig. Kosten sind jedoch aussagefähiger, wenn eine Geschäftseinheit nicht für sich allein, sondern im Vergleich mit anderen Unternehmungen im Wettbewerb betrachtet werden.

Die Untersuchungen müssen sich über einen längeren Betrachtungszeitraum (in der Regel fünf Jahre) erstrecken, damit die Wirkungen der vielfältigen Maßnahmen verfolgt werden können. Die Betrachtung darf sich dabei nicht nur auf die Vergangenheit richten. Mit einem Erfahrungswissen, wie es die in den hier beschriebenen Untersuchungen verwendete Datenbank darstellt, können auch "Was passiert, wenn . . ."-Fragen mit Hilfe von Simulationen beantwortet werden. Dabei werden tatsächliche Entwicklungen vergleichbarer Geschäftseinheiten als Erfahrungswerte zugrunde gelegt.

*Klaus Höring, Betriebswirtschaftliches Institut für Organisation und Automation (BIFOA) Universität Köln.

Der Beitrag basiert auf dem Manuskript eines Referates, das der Autor auf der Management-Tagung "Produktivkraft Information" in Wiesbaden gehalten hat.