Informationspolitik entscheidend Auch Groupware macht aus einem Politbuero kein Diskussionsforum

28.05.1993

FRANKFURT/M. (hp) - Die Informationspolitik eines Unternehmens entscheidet ueber den Nutzen der Groupware. Scheuen die Mitarbeiter naemlich vor Teamarbeit zurueck, liegt auch die schoenste Kommunikationssoftware brach.

Bislang gehen immer noch viele Anwender mit den falschen Erwartungen an das Thema der teamorientierten Software heran. "Wenn eine Organisation wie ein Politbuero aufgebaut ist, werden die Mitarbeiter nicht ploetzlich offen diskutieren und zusammenarbeiten, nur weil sie Groupware einsetzen", beschreibt Chairman der Groupware '93 David Coleman das Problem. "Es geht nicht um eine andere Datenhaltung, sondern um eine andere Informationspolitik", bekraeftigt Raymond Ozzy, der massgeblich an der Entwicklung von Lotus Notes mitwirkte.

Bislang assoziierten viele Anwender mit Groupware eine teamorientierte Unternehmensorganisation. Clive Holtman, Professor an der City University Busliness School in London, kommt in seiner Studie, in der er 26 Groupware-Installationen analysiert hat, zu einem anderen Ergebnis: "Die Groupware kann auch helfen, die hierarchische Pyramidenstruktur besser zu organisieren." Gerade dem mittleren Management biete diese Software viele Hilfestellungen.

"Die Welt war so neu, dass viele Dinge keinen Namen hatten", zitieren die Veranstalter Gabriel Garcia Marquez, als es um die Definition von Groupware ging.

Allerdings stellte Dataquest die wichtigsten Komponenten dieser Softwarekategorie vor.

Die Marktforscher unterscheiden die Bereiche Messaging Based Applications und Group Information Sharing. Zur ersten Gruppe gehoeren beispielsweise Vorgangsbearbeitung, zur zweiten Dokumenten-Management, Informationszugriff und Retrieval sowie Gruppenfunktionen wie Diskussionsforen. Hinzu kommen Applikationen fuer die Termin- oder Ressourcenplanung und fuer elektronische Konferenzen.

Die Marktforscher von Dataquest gingen der Frage nach, warum Anwender sich fuer Groupware entscheiden. Rund 45 Prozent der Befragten erhoffen sich durch diese Software eine verbesserte Kommunikation, zirka 36 Prozent rechnen mit erhoehter Produktivitaet innerhalb der Arbeitsgruppen. Gefragt sei vor allem die Funktion Information Sharing, fuer die sich 41 Prozent interessieren. Danach folgten Message-Systeme mit 21 Prozent und elektronische Konferenz mit 18 Prozent.

Der Schwerpunkt vieler Loesungen, die anlaesslich der Groupware ausgestellt wurden, lag auf der Vorgangsbearbeitung. Zu ihnen gehoeren Ocis von SNI, Team Office von ICL oder Objectworks von Digital. Word Perfect sieht die Hauptkomponente vor allem im Scheduling-Bereich, Lotus betont bei Notes das umfasssende Information Sharing, das durch automatische Replikation der Datenbank ermoeglicht werde.

Bis jetzt konnten sich umfassende Groupware-Pakete noch nicht flaechendeckend durchsetzen. Die Anwender, so fanden die Dataquest- Analysten heraus, schrecken vor allem vor den Kosten zurueck, wobei die Investitionen fuer die reine Hard- und Software kaum zu Buche schlagen.

"Fuer jeden Dollar, der fuer die Software ausgegeben wird, kommen nochmals fuenf Dollar fuer Installation oder organisatorische Veraenderungen", berichtet Chairman Coleman.

In Europa sei Groupware weniger verbreitet als in den USA, weil sich die verschiedenen E-Mail-Standards der unterschiedlichen Telekom-Gesellschaften negativ auswirkten.

Dataquest stellt zudem einen Zusammenhang zwischen der Hoehe der Telefongebuehren und der Zahl der Groupware-Installationen her. Je geringer die Gebuehren, desto mehr Unternehmen entscheiden sich fuer Gruppensoftware.

Auch die Unterstuetzung bei der Implementierung spielt eine wichtige Rolle bei der Kaufentscheidung. Bisher entschieden sich vor allem Unternehmen aus der Beratungsbranche wie Price Waterhouse oder Arthur Andersen fuer Groupware-Installationen im groesseren Stil. Kleinere Anwender halten sich oft noch zurueck, weil sie fuerchten, zu wenig Support vom Anbieter oder seinem Vertragshaendler zu bekommen.