MIS - Eine Entwicklung von Leuten, die nicht wissen, wie ein Manager arbeitet

"Information ist nicht objektivierbar"

20.06.1975

"Computerfachleute versuchen immer wieder, die Information zu objektivieren; sie sprechen von Information schlechthin und setzen Computeroutput mit Information, Computersysteme mit Informationssystemen gleich. Für mich ist Information nicht objektivierbar - Information ist immer subjektiv", meint der Schweizer DV-Fachmann Dr. Arthur Frey. Bei einem Vortrag über "Manager und Informations-Systeme" im Univac Executive Center in Rom vertrat er folgende Ansicht: Die Diskussion über Management-Informations-Systeme (MIS) kann als abgeschlossen gelten; Euphorie ist der Nüchternheit gewichen - MIS ist eine ungelöste Betriebswirtschaft-Aufgabe.

ROM - Ungelöst ist nach Freys Ansicht schon die Abklärung der Informationsbedürfnisse. Im Idealfall sollte der Informationsempfänger soviel EDV-Kenntnisse haben, daß er selbst seine Wünsche in einer für den Computer verständlichen Form festlegen kann. Da diese Situation nicht gegeben ist, sieht Frey die Praxis so:

Das Informationsbedürfnis wird vage umschrieben; dann wird es von einem Systemanalytiker näher bestimmt und schließlich von einem Programmierer formuliert. Was herauskommt, deckt sich in den wenigsten Fällen mit den ursprünglichen Vorstellungen.

Aufgabe eines Informationssystems ist es, aus dem großen Strom von Daten das zu selektieren, was die Empfänger erfahren wollen. Daten werden erst dann zur Information, wenn sich ein Empfänger dafür interessiert.

Management-Erfahrung fehlt

Die Problematik der informationsgerichteten Datenverarbeitung zeigt sich vor allem bei anspruchsvollen Informationsempfängern. Namhafte Betriebswirtschafter behaupten, die Computerentwicklung hätte eine andere Richtung genommen, wenn die Informationsprobleme im Vordergrund gestanden hätten und die Computer nicht von Technikern, sondern von Managern entworfen worden wären. Allerdings fehlt den Manager vielfach das Verständnis für die elektronische Datenverarbeitung; die Computerspezialisten andererseits haben in der Regel keine Erfahrung als Manager. So kommt es, daß sogenannte Management-Informationssysteme, also Informationssysteme für Manager, von Leuten entwickelt wurden, die noch nie eine Manager-Position innehatten.

Modelle als Selbstbefriedigung?

Man kann dem Manager nur das ab Werkzeug geben, was er kennt und auch beherrscht. Das ist besonders wichtig bei Modellen, weil die Erkenntnis häufig nicht beim Rechnen sondern beim Aufbau der Modelle gewonnen wird. Wenn andererseits der Modellablauf nicht verstanden wird, bleibt auch das Ergebnis unverständlich. Den Mathematikern ist der Vorwurf zu machen, daß viele ihrer Modelle offenbar nur der Selbstbefriedigung dienen.

Ein Computer kann niemals Management-Entscheidungen fällen. Wesentlich am Entscheidungsprozeß ist nämlich die Möglichkeit der Wahl zwischen Alternativen. Die Möglichkeit der Wahl besteht jedoch bei maschinellen Entscheidungsprozessen nicht. Ein Entscheidungsprozeß umfaßt in jedem Fall - mit oder ohne Computer - drei Phasen:

1. Daten sammeln, Überwachen, Kontrolle.

2. Daten aufbereiten, Alternativlösungen ausarbeiten, mögliche Lösungen konzipieren.

3. Entscheiden (Wahl einer Alternativlösung) und die Entscheidung durchsetzen (motivieren, kommandieren).

System muß sich anpassen

Das MIS muß in der Unternehmung allen Stellen mit Management-Aufgaben dienen. Form und Periodizität der Information werden bestimmt von der Struktur der Unternehmung, besonders aber auch vom Charakter der Stelleninhaber, von den Funktionen der Stelleninhaber und schließlich von der Technik der Information. Die drei Komponenten - Personalstruktur, Organisationsform und Informationssystem - müssen aufeinander abgestimmt sein. Da die Personalstruktur heute weitgehend feststeht und auch die Organisationsform nur beschränkt verändert werden kann, muß das Informationssystem anpassungsfähig sein, von einem Informationssystem schlechthin kann nicht gesprochen werden.

Was ist IMIS?

Das MIS soll nicht nur zur Entscheidungsfindung dienen. Jener Teil der gesamten Leistung eines Managers, der auf den Entscheidungsprozeß entfällt, nimmt sich in der Praxis weit bescheidener aus, als in der Theorie oft angenommen wird. Der Manager, der tagtäglich schwerwiegende Entscheidungen fällt, findet sich in der Praxis äußerst selten. Das MIS muß sowohl das dispositive wie das operative Wirken des Managers unterstützen: in diesem Sinn wird es zum umfassenden, zum integrierten Management-Informationssystem, zum IMIS.

Ist ein MIS, das auf integrierter Datenverarbeitung beruht, ein IMIS? Damit in diesem einschränkenden Sinn von einem IMIS gesprochen werden kann, müssen mindestens drei Förderungen erfüllt sein:

- Die Arbeiten aller Bereiche und aller Abteilungen müssen erfaßt werden.

- Die für die operationellen Informationen erfaßten Daten sollen auch für alle denkbaren dispositiven Informationen weiterverarbeitet werden.

- Alle benötigten Daten sollen nur einmal erfaßt werden. -py

Dr. Arthur Frey (42),

studierte in St. Gallen Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und trat nach einem Amerika-Aufenthalt bei der Schweizer Holderbank-Gruppe ein. Seit 1963 ist er in der Interdata AG Zürich tätig, jetzt als Mitglied des Direktoriums. Nebenberuflich liest Frey als Privatdozent für Informatik an der Universität in Zürich, wo ihm einmal sogar eine EDV-Lehrveranstaltung verboten wurde: Arthur Frey hatte mit den Studenten als Übung ein Pflichtenheft verfaßt, wollte dann förmlich Angebote für Computer einholen und schließlich als eine Art Planspiel Systemauswahl betreiben. In der selben Zeit standen in Zürich Vergabeverhandlungen der öffentlichen Hand für ein DV-System an. IBM befürchtete, daß die Studenten womöglich zu anderen Ergebnissen kommen könnten als die Kantonsverwaltung und erhob (mit Erfolg) Einwände bei der Bundesregierung. Die Interdata AG, eine Tochtergesellschaft der Schweizer Holderbank Financieres Glarus AG, macht 90 Prozent ihrer Umsätze mit Datenverarbeitung für Dritte (Hardware: Univac 1106). Von den Beratungsaufträgen betreffen 80 Prozent die Koordinierung der Datenverarbeitung bei Kunden. Aufgrund seiner Beobachtungen fragt er sich neuerdings öfter ob eigentlich "das Preis/Leistungs-Verhältnis bei den Managern noch stimmt."