Infor rückt SAP und Oracle auf den Leib

08.08.2006
Mit den Übernahmen von SSA Global, Extensity und Systems Union festigt der ERP-Anbieter Platz drei.

Kaum war die Übernahme von SSA Global am 28. Juli offiziell unter Dach und Fach, schlug der Anbieter von Enterprise-Resource-Planning-Lösungen (ERP) erneut zu. Anfang August erwarb Infor das Unternehmen Extensity, das sich wiederum zuvor den britischen Softwareanbieter Systems Union Group einverleibt hatte. Trotz dieser auf den ersten Blick kompliziert anmutenden Rochaden bleibt fast alles innerhalb der Familie. Die Firma Extensity wurde Ende vergangenen Jahres nach der Übernahme von Geac durch Golden Gate Capital gegründet. Die Investoren stehen als Kapitalgeber auch hinter Infor. Die ERP-Produkte von Geac schlugen die Investoren im November 2005 Infor zu, während sich die Lösungen für Financials und das Corporate-Performance-Management unter dem neuen Firmendach Extensity wiederfanden.

Infor schmiedet Börsenpläne

Mit den jüngsten Zukäufen kommt Infor eigenen Angaben zufolge auf einen Jahresumsatz von 2,1 Milliarden Dollar und betreut mittlerweile rund 70000 Kunden weltweit. Bei dieser Größe wäre ein Börsengang der nächste logische Schritt, räumt Infor-Chef Jim Schaper ein. Allerdings biete die aktuelle Position auch Vorteile. Infor könne seine Akquisitionsstrategie flexibler und aggressiver vorantreiben. Zudem könne das Unternehmen seine Produktentwicklung langfristiger anlegen. "Wir haben es also mit einem Börsengang nicht so eilig", sagt der CEO. Dennoch peilt das Management langfristig das Going Public an. Schaper geht davon aus, dass der Börsengang in 18 bis 24 Monaten ein konkretes Thema sein wird.

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Übernahmetakt erhöht sich

Ende April dieses Jahres kamen Spekulationen über einen Verkauf von Systems Union auf. Der Interessent Golden Gate Capital habe umgerechnet rund 320 Millionen Euro geboten, hieß es im Frühjahr 2006. In der Folge verstummten die Gerüchte. Dann ging nach der Übernahme von SSA Global durch Infor im Mai dieses Jahres alles ganz schnell. Golden Gate Capital übernahm Systems Union und schlug die Firma Extensity zu. Infor wiederum schluckte Extensity.

Der Grund, warum die Investoren so mit den verschiedenen Firmen jongliert hätten, seien Veränderungen von Infors Marktfokus, erläuterte Chief Executive Officer (CEO) Jim Schaper im Gespräch mit der computerwoche. Nach der Akquisition von Geac hätten die Financials-Lösungen sowie die Performance-Management-Applikationen, die sich eher an den gehobenen Mittelstand sowie kleinere Konzerne richteten, noch keinen Platz im Portfolio gehabt. Infor habe den klassischen Mittelstand sowie eher kleinere Unternehmen im Visier gehabt.

Infor nimmt Konzerne aufs Korn

"Das hat sich mit der Übernahme von SSA Global geändert", erläuterte Schaper. Mit der Übernahme des ERP-Konkurrenten habe Infor sein Spektrum auf größere Unternehmen ausgeweitet. Dazu wiederum passe nun das Softwareangebot von Extensity. Mit der gleichzeitigen Übernahme von Systems Union ergänze der Anbieter zudem sein klassisches Mittelstandsportfolio um Lösungen für Financials, Analytics und Performance-Management. Die verschiedenen Unternehmen passten heute viel besser zusammen, argumentiert der Infor-CEO.

Die Systems Union Group hat ihr Portfolio in den vergangenen Jahren selbst zusammengekauft, unter anderem 2003 durch die Übernahme des Darmstädter BI-Anbieters MIS AG. Die Briten erwirtschafteten im vergangenen Geschäftsjahr einen Umsatz von umgerechnet etwa 165 Millionen Euro.

Preis spielt keine Rolle

Über die finanziellen Details des jüngsten Deals will der Infor-CEO kaum etwas verraten. SSA Global habe rund 1,5 Milliarden Dollar gekostet, so die einzige Zahl, mit der Schaper herausrückt. Extensity habe sowieso schon Golden Gate gehört, und an den Preis, den die Investoren für Systems Union bezahlt hätten, könne er sich nicht mehr erinnern, sagte Schaper.

Geld scheint für den mittlerweile hinter SAP und Oracle international auf Platz drei der Anbieter für Business-Software vorgerückten Hersteller kaum eine Rolle zu spielen. Schaper zufolge verfügt Infor über einen Bargeldbestand in Höhe von 350 Millionen Dollar. Dazu kämen das Kapital der Investorengesellschaft sowie diverse Kreditlinien. Akquisitionen würden auch in Zukunft einen Eckpfeiler für die weitere Geschäftsentwicklung bilden, kündigt er an.

Reporting ist gefragt

Im Blickpunkt ständen dabei in erster Linie die Bedürfnisse der Anwender, versichert Schaper. Im Vorfeld der jüngsten Zukäufe hätten die Kunden verstärkt einfache Reporting-Funktionen im Lowend-Segement des Marktes sowie BI-Lösungen für den Highend-Bereich nachgefragt. Aus Sicht von Simon Jacobson, Analyst von AMR Research, geben Infors Akquisitionen durchaus Sinn. Der Marktforscher bezeichnet den Kauf von Extensity inklusive Systems Union als strategisch, weil damit Lücken im Infor-Portfolio geschlossen würden. Zudem sei der Anbieter damit in der Lage, weitere Kundenschichten zu adressieren.

Bis es so weit ist, muss Infor jedoch noch einige Hausaufgaben erledigen. Im Vordergrund steht dabei eine Integrationsplattform, um den Kunden eine solide Basis für das zusammengekaufte Produktportfolio zu bieten. Schaper setzt dabei auf die eigene Entwicklung "Infor Open SOA", an der bereits seit Monaten gearbeitet werde. Anders als bei Entwicklungen der Konkurrenten wie SAP und Oracle werde die Infor-eigene Ausprägung einer Service-orientierten Architektur (SOA) keine proprietären Komponenten enthalten. Weitere Details zu den SOA-Entwicklungen wollen die Infor-Verantwortlichen im September 2006 preisgeben. (ba)