GMD: Noch ein weiter Weg zu strategischen Aktionen auf der Führungsebene

Info-Management ist keine Flickschusterei

25.04.1986

SANKT AUGUSTIN (lo) - Der strategische Erfolgsfaktor in Wirtschaft und Verwaltung heißt Informationsmanagement. So beurteilt sicher nicht nur die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH (GMD) in Sankt Augustin diese neue unternehmensbestimmende Größe neben Arbeit und Kapital. Dem Topmanagement über seine gewandelte Rolle in diesem Konzept die Augen zu öffnen, hat sich eine GMD-Veranstaltung am 12. und 13. Juni 1986 zur Aufgabe gemacht.

Mit dieser ersten in einer geplanten Reihe weiterer Veranstaltungen will sich das Forschungsinstitut in Sankt Augustin mit Aufgabenkomplexen des Informationsmanagements aus unterschiedlichen Perspektiven beschäftigen. Denn die Technik und ihr Lauf könnten auch von jenen, die sie am liebsten ignorieren möchten, nicht mehr übersehen werden. Die Technik mache vor (...) Bereichen halt - vor allem (...) vor Hierarchien. Deshalb sollen Erfahrungen von Anwendern aus Industrie sowie öffentlicher Verwaltung aus dem europäischen wie auch amerikanischem Raum vorgestellt und diskutiert werden.

Zu Wort kommen werden unter anderem der Regierungsbeauftragte für Technologietransfer Baden-Württemberg, Steinbeis-Stiftung für Wirtschaftsförderung, Professor Johann Löhn, und Professor Dr. Erhard Mundhenke von der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Köln. Als deutsche Unternehmen stellen die Bayer AG in Leverkusen und die Daimler-Benz AG in Stuttgart ihre Konzepte über Informationsmanagement vor. Wer in den Führungsetagen hoffe, von einer Auseinandersetzung verschont zu (...), so GMD weiter, werde sich demnächst mit der Realität auseinandersetzen müssen. Zur Zeit, beurteilen die Experten aus Sankt Augustin, reagieren Führungskräfte jedoch lediglich auf die Einflußfaktoren der Umwelt; technische Fragen stehen weiterhin im Vordergrund, so daß es ein weiter Weg zu geplanten strategischen Aktionen des Managements ihrer Mitarbeiter sein wird.

Produktions- und Dienstleistungsprozesse werden indes nicht allein mehr von den traditionellen Faktoren Arbeit und Kapital bestimmt - so das theoretische, aber noch nicht praktische Allgemeingut -, sondern zum entscheidenden Erfolgsfaktor hat sich die Information gemausert, die, wie Arbeit und Kapital bisher auch, geplant und strategisch eingesetzt werden muß. Dabei, betont die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung, sind ganzheitliche Konzepte entscheidend. Der technische Aspekt bleibe dabei nur einer von vielen. Er bewirke die Verfügbarkeit von Informationen und diene als Intelligenzverstärker auf allen Ebenen.

Bestehende Kommunikationsprozesse müßten mit Blick auf ein umfassendes Konzept überdacht werden Professor Dr. Norbert Szyperski vom GMD schreibt über führungstechnische Integration eines differenzierten Informations- und Kommunikationsmanagements etwa: "Das oft angesprochene Zusammenwachsen der verschiedenen informations- und kommunikationstechnischen Bereiche ist inzwischen von der Geräte- und Netzseite her machbar geworden. Die Managementstrukturen haben sich dem in vielen Unternehmen noch nicht angepaßt, man kann sogar sagen, daß in manchen Organisationen die Managementauseinandersetzungen zu diesem Thema noch bevorstehen." Und der GMD-Experte, der auch als Referent auf der Veranstaltung im Juni aktiv werden wird, kreist eines der herausragenden Problemfelder ein: "Die Weiterentwicklung der alten Telefonnebenstellenanlagen zu integrierten digitalen Nebenstellenanlagen mit den dienste-integrierten Angeboten für verschiedene multifunktionale Arbeitsplatzsysteme könnte theoretisch eine Welt der informationstechnischen Infrastruktur heranwachsen lassen, die mit den Tätigkeiten und Funktionen des klassischen Rechenzentrums kaum noch etwas zu tun haben würde."

Die so skizzierte Orientierungskrise hat in weiten Bereichen der Unternehmungen bereits Eingang gefunden, wie die Suche nach gültigen Konzeptionen für ein Informationsmanagement erkennen lassen. Dabei wird häufig halbherzig und mit einem lediglich reaktiven Machtverhalten versucht, so der Tenor aus Sankt Augustin, durch ein sogenanntes "Krisenmanagement" aufgetretene "Stolpersteine" zu beseitigen. Erfolgreich werde ein Informationsmanagement jedoch nur dann sein können, wenn es durch das Topmanagement getragen werde. Das Management müsse dazu auch, so noch einmal Norbert Szyperski, "aus einer mehr passiven, sich an Umweltentwicklungen anpassenden in eine sehr stark aktive und die Willensstruktur prägende Haltung übergehen". Dann folgt der Hinweis auf den neuralgischen Punkt: "Das ist aus der Perspektive des einzelnen Rechenzentrums oder der verschiedenen Rechenzentren nur sehr schwer lösbar." Schwerpunktmäßig begnüge man sich nach Erfahrungen des Forschungsinstituts mit Methoden zur Kostenreduktion, mit Ad-hoc-lnformationsbeschaffungen oder mit Fragen der Erhöhung der Rentabilität.

Der Nutzen neuer Techniken steht für die GMD außer Frage, befähigen sie doch zur Entwicklung neuer Unternehmensstrategien und Methoden der Verkaufsförderung ebenso wie zu Produktinnovationen, Kundendezentriertheit und - last, but not least - zur Qualifizierung. Hier befindet sich also die Option zum Sprung vom Krisen- zum Chancenmanagement. Dies setzt aber Anforderungen an bestehende und künftige Systeme und deren Architektur voraus. Als vier Kriterien bei einer Neugestaltung formulieren die Fachleute in Sankt Augustin: Systeme müssen anpaßbar, offen und intelligent sein sowie Gewährleistungsansprüchen genügen.

Dazu ist die Kenntnis der Kommunikation auf allen Ebenen nötig. Gleichzeitig heißt die grundlegende Forderung an die Struktur von Systemen, sie hätten das bestehende Kommunikationsverhalten im Unternehmen widerzuspiegeln. Die Schlußfolgerung daraus lautet dann auch für die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung: Die Kommunikation hat sich nicht nach den Gegebenheiten der Technik zu richten, sondern umgekehrt. Mit dieser These als Grundlage will das GMD zur Diskussion über die strategische Bedeutung des Informationsmanagements gerade für den Innovationsprozeß beitragen.