Industriespionage in Frankreich? Texas Instruments und Bull beenden Patentrechtsstreit

27.01.1995

MUENCHEN (IDG) - Groupe Bull und Texas Instruments (TI) haben ueberraschend ihren Streit um Patentrechte aussergerichtlich beigelegt. 1993 hatte das franzoesische Staatsunternehmen vom amerikanischen Chiphersteller Lizenzgebuehren fuer TIs Chipserie "TMS 370" gefordert. TI konterte mit dem Vorwurf der Industriespionage.

Die Details des Vergleichs zwischen Bull und TI bleiben unbekannt - wie die meisten Ereignisse in diesem Fall. Die wenigen Fakten sind schnell erzaehlt: Ende der 80er Jahre wurde bekannt, dass die franzoesische Regierung in die franzoesischen Niederlassungen amerikanischer Konzerne Spione eingeschleust hatte. Bei IBM und TI waren die Maulwuerfe ueber zehn Jahre aktiv. Doch im Interesse der guten Beziehungen zwischen beiden Laendern wurde die Angelegenheit damals schnell unter den Teppich gekehrt.

Erst im August 1994 brachte das franzoesische Magazin "L'Express" die alte Geschichte wieder auf den Tisch. Ein Bull-Patentanwalt hatte im Oktober 1993 Lizenzgebuehren fuer die Chipserie TMS 370 von TI verlangt, weil in Teilen des Chips ein patentgeschuetztes Verfahren von Bull verwendet wird. Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" war TI anfangs sogar bereit, sechs Prozent der Einnahmen zu bezahlen, doch Bull forderte mehr und ging vor Gericht.

Von diesem Zeitpunkt an beginnt der tragikomische Teil: Die Anwaelte von TI erklaerten in einem Schreiben an das Verwaltungsgericht im Bundesstaat Virginia, dass die Klage abzuweisen sei, weil der Chip auf einer Erfindung des TI- Mitarbeiters Michael Cochran aus dem Jahr 1974 beruhe und Bull nur ueber einen Spion an diese Information gekommen sein koenne.

Tatsaechlich wurde 1989 bei der franzoesischen TI-Tochter der Spion Jean Pierre Dolait enttarnt, der 1976 eingestellt worden war - zwei Jahre, nachdem TI angeblich die Chipserie erfunden hatte. Bull wiederum hatte das umstrittene Patent Anfang der 80er Jahre eingereicht. TI selbst hatte keinen Patentschutz beantragt, weil dadurch Informationen oeffentlich geworden waeren, die das Unternehmen geheimhalten wollte.

Bull weist den Spionagevorwurf weit von sich. Das "Wall Street Journal" zitiert einen US-Anwalt des Unternehmens, der die Behauptung als unsinnig zurueckweist, Bull habe die Technik von Texas Instruments gestohlen. "Der urspruengliche Entwurf von (dem TI-Mitarbeiter, Anm. d. Red.) Cochran enthielt eine Recheneinheit, die in unserem Chip nicht vorkommt", dementiert der Franzose.

Beide Seiten wollten keinen offiziellen Kommentar zum ploetzlichen Ende des Prozesses abgeben. Sicher ist nur, dass Texas Instruments den Chip weiter produzieren wird. Doch unter Umstaenden wird ein anderes Verfahren mehr Licht in die Sache bringen: Bull hatte vor Gericht angegeben, dass Motorola Lizenzgebuehren fuer das umstrittene Patent zahlt. Sollte dieses tatsaechlich TI zugeschlagen werden, stehen Bull groessere Forderungen ins Haus.