CeBIT 2014

Industrie 4.0 - Chance für Deutschland

05.03.2014
Von 


Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer müssen ITK-Lösungen in ihre Prozesse integrieren. Die vernetzte Industrie wird die Branche grundlegend verändern.

Für Deutschland hat das Thema "Industrie 4.0" eine besondere Bedeutung. Weil es hierzulande keine Bodenschätze in nennenswerter Menge gibt, gründet die wirtschaftliche Stärke des Standorts allein auf dem Rohstoff Wissen. Mit diesem Gut hat es der deutsche Maschinen- und Anlagenbau geschafft, eine weltweit führende und geachtete Position zu erarbeiten. Doch die gute Lage ist kein Garant für künftige Erfolge, denn die weltweite Vernetzung schafft eine völlig neue Wettbewerbssituation, die heutigen Hidden Champions weiterhin flexibles Handeln abverlangt.

Industrie 4.0 - Chance für Deutschland
Industrie 4.0 - Chance für Deutschland
Foto: Deutsche Messe AG

In einem Gastbeitrag für das amerikanische Time Magazine betonten Sujeet Chand, CTO von Rockwell Automation, und Jim Davis, CIO der University of California, Los Angeles (UCLA), schon im Juli 2010 die künftige Bedeutung einer digitalisierten Fertigung: "Smart Manufacturing verheiratet Informationen, Technologie und menschlichen Einfallsreichtum. Es schafft die Basis für eine schnell voranschreitende Revolution in der Entwicklung und Anwendung, so dass die intelligente Fertigung sämtliche Aspekte unseres Geschäfts durchdringen wird", appellieren die Manager an die US-Anbieter. "Schon bald wird die weltweite Fertigungsbranche ein neues Gesicht bekommen. Unternehmen und Länder, die heute aktiv werden, werden im 21 Jahrhundert aufblühen. Wer nur minimale Änderungen in Richtung Smart Manufactu ring anstrebt, wird scheitern."

US-Anbieter forcieren Smart Manufacturing

Erste herstellerübergreifende Initiativen gehen in den USA auf das Jahr 2010 zurück. Mit der Smart Manufacturing Leadership Coalition (SMLC) gibt es seit Juli 2012 eine landesweite Interessengemeinschaft, die das Thema vorantreibt. Zu den bislang 35 Mitgliedern zählen Rockwell Automation, Pfizer und Corning. Die Obama-Administration hat der Branche Unterstützung in Höhe von 500 Millionen Dollar zur Förderung der intelligenten Fabrikvernetzung zugesagt. Das hört sich gut an, doch die Europäer halten dagegen: Die Europäische Kommission investiert über einen Zeitraum von sieben Jahren rund 1,15 Milliarden Dollar in die Private-Public-Partnership-Initiative "Fabriken der Zukunft".

Industrie 4.0 ist die deutsche Ausprä-gung des Konzepts der intelligenten Ver-netzung der Produktionsstätten. Sie wird von der Bundesregierung mit 200 Millionen Euro unterstützt. Der Begriff verweist auf die vierte industrielle Revolution (nach der mechanischen Fertigung, Fließbandarbeit und elektronischen Automatisierung) und verknüpft mechanische und elektroni-sche Anlagen mit ITK-Lösungen und dem Internet zu intelligenten Fertigungssyste-men. Das Vorhaben wurde erstmals auf der Hannover Messe Industrie 2011 vorgestellt und wird von den Branchenverbänden Bitkom (IT und TK), VDMA (Maschinen und Anlagenbau) sowie ZVEI (Elektrotechnik) unterstützt.

Begriffsbestimmung bedient wirtschaftliches Kalkül

Allerdings bleibt das Vorhaben ungenau, weil Industrie 4.0 ein Dachbegriff für die Digitalisierung in vielen Einzelbranchen mit unterschiedlichen Ansprüchen ist und daher uneinheitlich verwendet wird. Zudem wird der Begriff gerne aus wirtschaftspolitischem Kalkül bemüht, um die Zukunftsfähigkeit Deutschlands zu betonen. Das hat "überzogene Erwartungen geschürt, die zu Enttäuschungen führen werden", kritisiert Stefan Heng von Deutsche Bank Research in dem Report "Industrie 4.0, Upgrade des Industriestandorts Deutschland".

Hengs Analyse zufolge hat Industrie 4.0 intelligente Produkte, Verfahren und Prozesse zum Ziel. Die intelligente Fertigung (Smart Factory) ist ein zentrales Element, das sich in ein vernetztes System aus intelligenter Energieversorgung, Mobility, Logistik und Gebäude einfügt.

Attraktivität wegen der neuenGeschäftsmöglichkeiten

Attraktivität bezieht Industrie 4.0 nicht zuletzt aus den neuen Geschäftsmöglichkeiten. Dabei geht es vor allem um die Massenindividualisierung, bei der mit Mitteln der industriellen Fertigung kundenspezifische Produkte mit kleinen Losgrößen hergestellt werden. Zudem können die Maschinen- und Anlagenbauer ihre Geschäftsmodelle durch zusätzliche Services etwa für Fernwartung, Betriebsdienste und Informationsangebote ausweiten.

Zu den wesentlichen technischen Pfeilern zählen neben den Fertigungssystemen vor allem Lösungen aus der ITK-Branche. Big Data, Data Analytics, Cloud Computing, mobile Vernetzung, 3D-Druck, das Internet der Dinge, Nahfeldkommunikation, Social Analytics, Front-Office-Trends und integrierte Backend-Systeme sind wesentliche Komponenten einer intelligenten und vernetzten industriellen Fertigung. Das alles sind Themen, die traditionell auf der CeBIT gezeigt werden. (jha)

Informationsangebot zu Industrie 4.0 auf der CeBIT

  • Guided Tour
    Treffpunkt am Informations-Centrum Vom 10. bis zum 14. März jeweils um 10.00 und um 14.00 Uhr, Dauer zwei Stunden, themenbezogene Führung über das Messegelände, Kosten: 12 Euro

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Open Stage
    10. März, 13:00 bis 13:25 Uhr
    Thema: "Identity of Everything": The New Foundation for Security and Privacy Challenges
    Von Jörn Dierks, Chief Security Strategist EMEA, NetIQ

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Center Stage
    10.März, 14:30 bis 15:00
    Connected Cars - Connected Industries: The Collaboration between Continental and IBM
    Von: Ralf Lenninger, Senior Vice President Interior Electronics Solutions, Continental Automotive, und Dirk Wollschläger, General Manager Global Automotive Industry, IBM Deutschland

  • Future Talk, Halle, Stand 44:
    10. März, 14:30 bis 15:00
    Thema: Sicherheit als erfolgskritischer Faktor für Industrie 4.0
    von Matthias Brucke, CTO bei der Embeteco GmbH & Co. KG

  • Future Talk, Halle, Stand 44:
    10. März, 15:15 bis 16:00 Uhr
    Thema: 100 Prozent digitale Wirtschaft
    Podiumsdiskussion mit Wolfram Jost, CTO, Software AG, Peter Liggesmeyer, Präsident Gesellschaft für Informatik, Wolf-Dieter Lukas, Ministerialdirektor im Bundesministerium für Bildung und Forschung, Wolfgang Wahlster, CEO, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.
    Moderator: Reinhard Karger, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz.

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Center Stage,
    12. März, 14.15 bis 14.45 Uhr
    Keynote: "The Industrial Internet", Prof. Dr. Dieter Wegener, Head of Advanced Technologies and Standards, Industry Sector, Siemens AG

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Center Stage,
    12. März, 14.45 bis 15.30 Uhr
    Thema: "The Industrial Internet", Panel-Diskussion mit Maximilian Brandl, Geschäftsführer EPLAN Software & Service, Clemens Joos, CEO SMARTRAC, Dr. Werner Struth, Geschäftsführer Robert Bosch GmbH, Prof. Dr. Dieter Wegener, Head of Advanced Technologies and Standards, Industry Sector, Siemens AG. Moderator: Brent Goff, Deutsche Welle

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Center Stage,
    13. März, 12.30 bis 13.15 Uhr
    Thema: "Peer to Peer Communications in the Industrial Internet of Things", von Robert Dolin, CTO bei Echelon

  • Future Talk, Halle 9, Stand F44,
    13. März, 10.00 bis 10.30 Uhr
    Thema: "Selbstorganisation von Produktionsanlagen und die Perspektiven für Industrie 4.0", von Julius Pfrommer, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Center Stage,
    13. März, 15.30 bis 16.00 Uhr
    Thema: "Industrie 4.0 - Innovationen in Produkten, Dienstleistungen, Logistik und IT", von August-Wilhelm Scheer, Geschäftsführender Gesellschafter, Scheer Group

  • CeBIT Global Conferences, Halle 8, Power Stage,
    14. März 2014, 12.30 bis 13.15 Uhr
    Thema: "Industrie 4.0 - Königsweg im Netz der Dinge?", Workshop der Deutschen Telekom.