Zwei Anwendungen auf der Basis von Natural Expert

In Spanien wird wissensbasierte Technik erfolgreich eingesetzt

31.05.1991

MADRID (qua) - Unbelastet durch anfängliche Euphorie und spätere Enttäuschung, nähern sich offenbar die Spanier dem Reizthema "wissensbasierte Systeme": Um mit ihrem Entwicklungssystem "Natural Expert" erstellte Anwendungen in praxi zu zeigen, griff die Darmstädter Software AG (SAG) deshalb auf zwei spanische Kunden zurück.

Neben je einem französischen und einem italienischen Unternehmen sind die halbstaatliche spanische Telefongesellschaft Telefónica sowie die Banco Exterior de Espana derzeit die einzigen Referenzkunden für die seit rund einem Jahr vermarktete wissensbasierte Natural-Version. Während der Kommunikations-Dienstleister mit Hilfe des SAG-Produkts die Abfrage von Datenbankinformationen vereinfacht, läßt sich das Geldinstitut von einem Expertensystem bei der Vergabe von persönlichen Krediten helfen.

Statt 100 jetzt 2000 Experten

Nach dem Nutzen des auf umgerechnet eine halbe Million Mark veranschlagten Systems "Consumo" gefragt, antwortet José Ramon Muinelo, Managing Director für den DV-Bereich der Banco Exterior: "Vorher hatten wir 100 Experten; jetzt haben wir 2000." Die Frage, ob ein Kredit gewährt oder abgelehnt werde, lasse sich nun in wesentlich kürzerer Zeit beantworten. Darüber hinaus sei diese Entscheidung nicht mehr der Willkür des jeweiligen Beraters unterworfen, sondern gehorche allgemeingültigen Kriterien.

Der menschliche Experte muß die Entscheidung des Systems aber nicht in jedem Fall hinnehmen. Sollte er aufgrund persönlicher Erfahrung risikobegrenzende Faktoren erkennen, die im System nicht vorgesehen sind, so kann er - in Ausnahmefällen - einen Kredit einräumen, den das System verweigern würde.

Den Weg der Entscheidungsfindung zurückzuverfolgen, erlaubt das System den Anwendern allerdings nicht. Offenbar legen die spanischen Banker darauf auch wenig wert: "Bei uns ist es nicht üblich, den Kunden mitzuteilen, warum ihr Kreditgesuch abgelehnt wurde", erläutert Muinelo. "Und ich würde das für ausgesprochen unhöflich halten."

Anders als die Madrider Bank, deren Expertensystem dem internen Gebrauch vorbehalten bleibt, will sich Telefónica mit ihrem Anwendungssystem "Satelite" dem Markt stellen. Das sogenannte Natural Language Query System wurde ursprünglich für die Abfrage von Telefónica-eigenen Informationen in spanischer Sprache konzipiert; nach Angaben des Direktors für innovative Informatiksysteme, Carlos Martin Cinto, läßt es sich jedoch für andere Branchen und Sprachen anpassen.

Mit Hilfe des Query-Systems ist der Anwender bei der Datenbankabfrage nicht auf eine Syntax oder ein Vokabular festgelegt. Aufgrund eines integrierten Synonymlexikons, das von der Informatikabteilung ständig erweitert wird, akzeptiert das System sowohl "natürliche" Sprache als auch anwendungsspezifisches "Fach-Chinesisch". Satelite "versteht" außerdem unterschiedliche grammatische Konstrukte sowie Höflichkeitsfloskeln.

Umsatzsteigerung um mehr als die Hälfte

Mit nahezu 500 Mitarbeitern gehört die Software Espana S.A. zu den größten Anbietern im spanischen Softwaremarkt. Unter ihrem Geschäftsführer José Ignacio MillÓn erzielten die iberischen SAG-Mitarbeiter im vergangenen Jahr Einnahmen in Höhe von 5,222 Milliarden Peseten (etwa 84,6 Millionen Mark), was gegenüber dem Vorjahr (3,383 Milliarden Peseten) ein Umsatzwachstum von mehr als 54 Prozent bedeutet. Die Belegschaft wuchs um etwas mehr als ein Drittel. +