Kostensenkung ist nur ein Nebeneffekt des Outsourcing

In fremder Hand kann das RZ viel flexibler agieren

17.08.1990

Outsourcing, die Delegation der DV-Aktivitäten an externe Dienstleister, wird zunehmend populärer. Dabei geben sich die Anwender immer weniger mit reinem Facilities Management zufrieden. Sie verlangen nach umfassenderen Services. Die Antwort hierauf lautet Systems Management.

So modern der Begriff "Outsourcing" klingt, so alt ist das Thema. Die Ursprünge liegen nämlich im traditionellen Processing Services. Hier kauft der Anwender Verarbeitungsleistung in einem externen Rechenzentrum. Ein typisches Beispiel: Die aktuellen Daten werden vom Anwender am Ende jedes Arbeitstages dem externen Rechenzentrum übermittelt und über Nacht verarbeitet, so daß die Ergebnisse am nächsten Morgen vorliegen. Processing Services spielen in den moderneren Dienstleistungsformen wie Facilities Management (FM) und Systems Management (SM) nach wie vor eine wesentliche Rolle, wenngleich sie hier nur einen Teil des Gesamtservices darstellen.

Einen Schritt weiter als Processing Services geht Facilities Management. Hierbei betreibt der FM-Anbieter im allgemeinen das Rechenzentrum des Anwenders von der Software-Entwicklung bis zum Operating. Es wird also nicht nur reine Rechenleistung in Form einer "MIPS-Fabrik" zur Verfügung gestellt. Vielmehr übernimmt die FM-Gesellschaft die Verantwortung für die technische Handhabung der Datenverarbeitung des Kunden. Typischer weise wechseln dabei die DV-Mitarbeiter des Anwenders zum FM-Anbieter.

Sowohl bei Processing Services als auch bei Facilities Management konzentriert sich der externe Dienstleister auf die bestmögliche Abwicklung der Datenverarbeitung des Anwenders. Diese Konzentration stellt zugleich eine erhebliche Beschränkung dar: Die Kontrolle der DV-Aktivitäten erfolgt vornehmlich unter DV-technischer Sicht, nicht aber unter dem Aspekt der Globalziele des Unternehmens.

Zwischen einer auf den ersten Blick "gut funktionierenden" DV-Abwicklung und einer informationstechnischen Infrastruktur, die der langfristigen Strategie eines Unternehmens angepaßt ist, liegen indes Welten. Genau dies stellt den Unterschied zwischen herkömmlichem Facilities Management und dem wesentlich umfassenderen Systems Management dar. Beim Facilities Management werden in erster Linie die vorhandenen einzelnen Einrichtungen (Facilities) verwaltet, beim Systems Management steht hingegen der Umgang mit dem System als funktionale Gesamtheit im Vordergrund.

Kostensenkung versus Wettbewerbsvorteil

Die Entscheidung zugunsten von Facilities Management erfolgt vor allem aus Kostenüberlegungen. Durch die komplette oder teilweise Auslagerung der DV-Aktivitäten wird kurzfristig Kapital frei, das sich oftmals im Kerngeschäft sinnvoller einsetzen läßt. Hinzu kommt, daß viele Unternehmensleitungen mit Outsourcing in anderen Bereichen bereits gute Erfahrungen gemacht haben. Die Palette reicht vom Speditions- bis zum Druckwesen.

Den kurzfristigen Kostenüberlegungen steht die hohe Bedeutung von Informationstechnologie (IT) konträr gegenüber. Sie entwickelt sich zusehends zu einer strategischen Hebel gegenüber den Wettbewerbern. Erscheint es da nicht widersinnig, diese Aktivitäten an einen externen Dienstleister zu vergeben? Genau diese Überlegung ist die Ursache dafür, daß Facilities Management in Deutschland bislang relativ wenig Anklang gefunden hat.

Hier kommt Systems Management (SM) ins Spiel: Bei dieser Dienstleistung steht nicht die DV-technische Abwicklung im Vordergrund des Services, sondern die Ausrichtung der Informationstechnologie an den globalen Zielen des Unternehmens. Zwar kommen dabei auch die kurzfristigen Kosteneinsparungen des Facilities Managements zum Tragen. Darüber hinaus erhält der Anwender jedoch zusätzlich die Wettbewerbsvorteile, die sich durch eine für ihn optimierte IT-Landschaft ergeben.

Systems Management umfaßt eine Reihe aufeinander abgestimmter Komponenten:

1. Verantwortung für die Softwarewartung,

2. Bereitstellung von Rechenleistung,

3. Netzwerk-Services,

4. Informations-Marketing und

5. Ausrichtung der IT-Landschaft in den Unternehmenszielen.

Während die Ebenen ein bis drei der DV-Abwicklung zuzuordnen sind, stehen die Ebenen vier und fünf im Zeichen der Nutzung. Die Grundfrage, die immer wieder aktuell beantwortet werden muß, lautet dabei: Welche Infrastruktur paßt am besten zum Unternehmen und zu seinen Zielen? Mit anderen Worten: Wie läßt sich erreichen, daß die benötigten Informationen zum passenden Zeitpunkt am richtigen Ort zur Verfügung stehen? Es liegt in der Natur der Dinge, daß diese Fragen nicht allein von DV-Experten beantwortet werden können. Vielmehr werden hierfür Spezialisten benötigt, die die jeweilige Branche des Anwenders kennen. Anbieter, die mit Systems Management erfolgreich sein wollen, werden daher um den vertikalen Ansatz nicht herumkommen.

In diesem Aspekt ähnelt die Entwicklung bei Systems Management übrigens einer anderen, ebenfalls immer wichtigeren Dienstleistung, der Systemintegration. Das ist kein Zufall. Sowohl bei Systems Management als auch bei Systemintegration steht die Lösung für den Anwender im Vordergrund vor den Details der DV-technischen Realisierung.

Der Lösungansatz läßt sich jedoch mit Erfolg ausschließlich vertikal verfolgen. Nur wer die Probleme einer Branche kennt, kann auch zu den Lösungen beitragen.

Systems Management geht also weit über Facilities Management, das heißt über den Betrieb eines Rechenzentrums hinaus. Während FM in erster Linie der kurzfristig realisierbaren Kostenminimierung dient, hat bei SM der tatsächlich Nutzen für den Anwender höchste Priorität Kostenaspekte stellen lediglich einen Teil des zu erzielenden Gesamtnutzens dar.

Das Rechenzentrum ist keineswegs unantastbar

In den Verantwortungsbereich des SM-Anbieters gehört neben der Ausrichtung der IT-Umgebung an den Globalzielen des Unternehmens auch die tägliche DV-Abwicklung. Ein Anbieter, der diese Verantwortung ernst nimmt, wird dabei nicht einfach das bisherige Rechenzentrum des Kunden unter eigener Regie mehr oder minder unverändert weiterbetreiben. Dies hieße, das RZ als Glashaus zu betrachten, das man aus Angst vor den Folgen am besten nicht näher untersucht. Bei DV-Anwendern ist diese Situation gang und gäbe. Zu den Aufgaben des SM-Anbieters gehört es, sie zu ändern.

Anzuraten ist ein sogenannter "Computer Operations Health Check". Dabei wird ein Rechenzentrum "auf Herz und Nieren" geprüft. Die Untersuchung umfaßt typischerweise Aspekte wie Zugriffskontrolle und Datensicherheit, Ressourcenverwaltung, Netzwerk-Überwachung, Servicekontrolle einschließlich Problem-Management und Performance-Überprüfung, Konfigurations-Management, Berichtswesen und Kontrolle im Finanzbereich sowie Aus- und Weiterbildung der DV-Mitarbeiter inklusive Karriereplanung.

Ein mit vielen Abfragekriterien möglichst breit angelegter "Health Check" legt die Stärken und Schwächen der bestehenden IT-Landschaft offen. Er ist die Grundlage für Änderungen zur Effizienzsteigerung. Diese wiederum bilden die Basis für Kosteneinsparungen - und für einen besseren organisatorischen Ablauf.

So augenfällig die Vorteile der externen Hilfe sind - die Voraussetzung ist natürlich die Wahl des richtigen Partners. Die Entscheidung für eine Outsourcing-Gesellschaft fallt nicht leicht, zumal sie im allgemeinen recht weittragende Konsequenzen nach sich zieht.

Für immer mehr Anwender steht nicht die Anschaffung von Computern, Peripherie und Softwareprodukten im Mittelpunkt des Interesses, sondern der Aufbau einer unternehmensweiten IT-Infrastruktur. Aus Überlastungs- und Kostengründen wird hierzu oftmals die Hilfe eines externen Dienstleisters in Anspruch genommen - die Nachfrage nach Systemintegration und Systems Management wächst.

Diese Entwicklung hat zur Folge, daß es für reine Hard- und Softwarehersteller, die keine Integrations- und Management-Services anbieten, zunehmend schwieriger wird, ihre Produkte an den Anwender zu bringen. Aus dieser Erkenntnis firmieren viele Hardwarehersteller mittlerweile bereits als Systemhäuser.

Für den Kunden stellt die Einschaltung einer Outsourcing-Gesellschaft mit Hardware-Interessen in jedem Fall ein erhebliches Risiko dar. Hardware-Orientierung - gleichgültig in welche Richtung - steht dem Wunsch des Anwenders nach objektiver Beratung durch den Outsourcer diametral entgegen.

Ein ebenso wichtiges Kriterium ist die Palette der angebotenen Dienstleistungen. Eine reine FM-Gesellschaft mag zwar den Betrieb von Rechenzentren perfekt beherrschen, beim Aufbau einer firmenspezifischen informationstechnischen Infrastruktur wird sie vermutlich scheitern.

Man sollte daher darauf achten daß der Outsourcer über Erfahrungen im Bereich Systemintegration verfügt. Hierbei ist stets zu bedenken, daß die Außer-Haus-Vergabe von Dienstleistungen nur dann sinnvoll sein kann, wenn sie in ein entsprechendes Gesamtkonzept eingebettet ist.

Die Hauptkunden für extensives Facilities Management sind international operierenden Konzerne. Für sie stellt die Unternehmensgröße und die Ressourcenkapazität des Outsourcing-Partners ein wesentliches Qualitätsmerkmal dar. Die Durchführung von umfangreichen IT-Projekten, der Betrieb von Großrechenzentren und die finanziellen Dimensionen der Verantwortung erfordern Unternehmen, die über entsprechende weltweite Ressourcen verfügen.

Aus diesem Grund ist übrigens in den kommenden Jahren mit erheblichen Konzentrationsprozessen in der Outsourcing-Branche zu rechnen, und auch bei Facilities oder Systems Management. Anwender, die sich heute für einen Partner entscheiden, sollten darauf achten, daß jener künftig vermutlich übernimmt statt übernommen wird. Klammert man die Hardware-orientierten Anbieter aus, bleiben bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr viele Alternativen übrig.

Die Ressourcen eines Outsourcing-Anbieters messen sich natürlich nicht nur an der Finanzkraft und der Anzahl der international betriebenen Rechenzentren. Von hoher Bedeutung ist beispielsweise auch die Möglichkeit zur weltweiten Bildung von Projektteams. Nur wenn die Mitarbeiter eines Unternehmens in allen Ländern dieselbe Projektsprache sprechen, die gleichen Methoden anwenden und über einen klar definierten Ausbildungsstand verfügen, lassen sich in kurzer Zeit funktionsfähige Projektteams mit den international besten Experten aus den einzelnen Bereichen zusammenstellen. Genau dies entscheidet aber beispielsweise darüber, ob ein Systems-Management-Projekt von Beginn an in die richtigen Bahnen gebracht wird.

Für Anwender, die Systems Management oder andere Formen des Outsourcing erwägen, stellt sich oftmals die Frage, warum der externe Dienstleister effizienter und zielorientierter sein soll als die eigene DV-Abteilung. Hierfür gibt es eine Reihe von Gründen.

Für einen Outsourcer stellt Informationstechnologie das Kerngeschäft dar. Mit der Qualität des Services steht und fällt der Erfolg des gesamten Unternehmens. Anwender hingegen betreiben durchweg ein völlig anderes Kerngeschäft. Die Datenverarbeitung stellt hier nur einen Teilbereich dar, noch dazu einen von der Unternehmensleitung oftmals ungeliebten, weil teuren Bereich. Die Konzentration des Outsourcers auf IT als Kern der Geschäftstätigkeit verschafft Vorteile.

Hinzu kommt der Kostenaspekt. Technologie, Know-how, Produkte, Rechenzentren - all diese Ressourcen kann der Outsourcing-Anbieter auf eine Vielzahl von Kunden verteilen. Das hält die Kosten für Anbieter und Anwender gleichermaßen niedrig. Anders gedie Situation für Anwender mit eigener DV-Abteilung; hier werden die gesamten DV-Kosten von einem Unternehmen getragen. Was das im Einzelfall heißen mag, sei hier an einem typischen Beispiel dargestellt.

Der Spezialist für ein bestimmtes Softwareprodukt, das im Unternehmen eingesetzt wird, geht in Pension. Dabei steht fest, daß dieses Programm in etwa fünf Jahren durch ein moderneres System abgelöst werden soll. Was tun? Die Kosten für einen Spezialisten schlagen in diesen fünf Jahre enorm zu Buch. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein anderer Mitarbeiter zum Spezialisten ausgebildet wird oder ein Experte von außen angeworben wird. Zudem: Welcher Mitarbeiter läßt sich schon gerne für ein Produkt weiterbilden, das in fünf Jahren ohnehin ausgemustert wird? Und die Suche nach Experten auf dem Arbeitsmarkt ist bekanntlich mühselig.

Für die Outsourcing-Gesellschaft ist hingegen das Vorhalten des benötigten Know-hows weniger problematisch, da es auf mehrere Kunden verteilt und über einen längeren Zeitraum genutzt werden kann. Und schließlich: Wo hat ein talentierter Anwendungsprogrammierer wohl die besseren Karrierechancen, in der DV-Abteilung eines Reifenherstellers oder bei einem auf Outsourcing spezialisierten IT-Unternehmen? Mit anderen Worten: Die Outsourcer verfügen oftmals über die besseren Spezialisten, die DV-Anwender am Arbeitsmarkt nicht bekommen. Wollen sie sie dennoch engagieren, gibt I es nur einen Weg: den über die externe Dienstleistungsgesellschaft.