Personal-Management-Studie belegt, dass die Arbeitsbedingungen sich verändert haben

In der IT-Branche weht ein kühler Wind

07.11.2003
MÜNCHEN (hk) - IT-Software- und Beratungshäuser wollen künftig in ihrer Personalpolitik möglichst flexibel auf Konjunkturschwankungen reagieren. Dabei nutzen sie das ganze Repertoire - angefangen von variabler Vergütung über Sabbaticals bis hin zum Desk-Sharing. Das ergab eine aktuelle Umfrage von Towers Perrin, die der COMPUTERWOCHE exklusiv vorliegt.

Personalverantwortliche und Geschäftsführer der IT-Industrie sind sich einig: In Sachen Mitarbeiterrekrutierung haben sie aus der Vergangenheit gelernt und werden nie mehr in dem großen Stil einstellen, wie es vor drei oder vier Jahren passierte. Die Maxime lautet: Kosten flexibel halten und Leistungsträger fördern.

Vor allem beim Gehalt möchten die Firmen ihren Spielraum ausweiten. Der Trend geht eindeutig zu einer stärkeren Variabilisierung der Einkommen. Mittlerweile können etwa Vertriebler bei Neuverträgen nur noch mit 40 Prozent Grundgehalt rechnen. Doch auch für andere Mitarbeiter werden variable Komponenten eingeführt. "Es gibt mehr Chanchen, aber auch mehr Risiken, dass der variable Anteil auch null sein kann", warnt Towers-Perrin-Vergütungsexperte Dirk Ewert. Im vergangenen Jahr etwa seien die in der IT-Branche gezahlten Boni gegenüber 2001 deutlich gesunken, gleichzeitig seien den Mitarbeitern happige Ziele verordnet worden.

Die IT-Profis, die in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich abschnitten, müssen heute oft Nullrunden akzeptieren. "Wir schmelzen das Gehalt ab," berichtet die Personalchefin eines bayerischen Softwarehauses. Das Grundgehalt bleibe unverändert, "gedreht" werde aber an den leistungsbezogenen Komponenten.

Höhere Ziele für das gleiche Gehalt

Ein weiterer Trend ist laut Towers Perrin das Outplacement. Immer häufiger wird es als Möglichkeit akzeptiert, sich von Mitarbeitern zu verabschieden. Mittlerweile würden zwei Drittel der befragten Unternehmen auf dieses Instrument zurückgreifen. Das bedeutet, der Arbeitgeber holt sich einen Personaldienstleister ins Haus, der ihm den kompletten Entlassungsvorgang abnimmt. Mittlerweile wehren sich aber einige Berater vehement gegen den Begriff Outplacement und sprechen von Newplacement. Schließlich gehe es nicht nur darum, den Rauswurf abzuwickeln, man verhelfe den Beschäftigen auch zu einer neuen Stelle.

Das wichtigste für die Firmen ist laut Ewert, dass dieser Vorgang schnell und geräuschlos abläuft. Das gelte auch für die Abfindung der Mitarbeiter. Er habe die Erfahrung gemacht, dass viele Arbeitgeber über die üblichen Abfindung hinaus Geld drauflegten, wenn die Beschäftigten ihren Aufhebungsvertrag schnell unterschrieben. Die Angst vor einem Imageschaden und der Möglichkeit, dass der Ex-Mitarbeiter bei einem Kunden oder Partnerunternehmen von morgen anheuern könnte, habe bei den betroffenen Unternehmen eine gewisse Großzügigkeit zur Folge.

Rund ein Viertel aller von Towers Perrin Befragten arbeitet mit Frühpensionierungen. Die geringe Anzahl erklären die Frankfurter Vergütungsberater damit, dass die Mitarbeiter in der IT ähnlich wie die Branche selbst relativ seien. Wenn solche Regelungen angeboten werden, dann von Großunternehmen wie IBM oder Siemens, die noch vor nicht allzu langer Zeit über einen hohen Anteil an älteren Mitarbeitern verfügten.

Die Arbeitszeitreduzierung, in anderen Branchen längst an der Tagesordnung, hält jetzt auch in der IT Einzug. Bisher war man in der Branche gewöhnt, viel zu arbeiten und eine Menge Überstunden zu leisten. Das bestätigt auch die aktuelle COMPUTERWOCHE-Gehaltsstudie. Sie erbrachte nämlich, dass fast zwei Drittel der IT-Beschäftigten zwischen 41 und 50 Stunden arbeiten.

In der Towers-Perrin-Untersuchung gaben 44 Prozent der Befragten an, dass sie Modelle der Arbeitszeitreduzierung anwenden. Diese Programme dauern in der Regel drei bis zwölf Monate. Für Sachbearbeiter gibt es eine Verringerung von bis zu maximal zwei Tagen pro Woche. Nicht verkürzt wird in aller Regel die Arbeitszeit der Vertriebsmannschaft.

Kein fester Arbeitsplatz mehr

Die Gewerkschaften befürworten solche Modelle, wie Michael Jäkel, im Verdi-Vorstand zuständig für die IT-Branche, versichert. Jüngstes Beispiel sei die Telekom. Personalvorstand Heinz Klinkhammer verkündete kürzlich in Hamburg, dass er mit 10000 Mitarbeitern weniger gut auskommen würde. Als Alternative werde nun erwogen, dass 100000 Mitarbeiter ihre Arbeitszeit von 38 auf 34 Stunden reduzieren, allerdings ohne Lohnausgleich. Die Betriebsräte sind einverstanden, betont Jäkel. Sie befürworteten, dass die Arbeitgeber zunächst alle "weichen Maßnahmen" ausschöpfen, bevor es zu Entlassungen kommt.

Auch eine Form der Arbeitszeitverkürzung ist das Sabbatical - eine Auszeit über einen längeren Zeitraum. Immerhin rund 50 Prozent der Software- und Beratungshäuser bieten es an. Etwa bis zu 2,5 Prozent der Gesamtbelegschaft eines Unternehmens nimmt es in Anspruch, so Towers Perrin. In der Regel kommen nur Berater in größeren Unternehmen in den Genuß einer solchen freiwilligen Pause. Sie können sich in dieser Zeit - zumindest in einigen Fällen - weiter qualifizieren. Die Angebote umfassen beispielsweise die Finanzierung eines Master of Business Administration (MBA). Die Leistungsträger lassen sich so außerhalb des Unternehmens gezielt entwickeln und zugleich binden. Oft komme es aber auch vor, dass die Mitarbeiter einfach bis zu einem Jahr beurlaubt werden und nur die Garantie einer Wiedereinstellung erhalten.

Neben dem Sabbatical hat CSC Ploenzke beispielsweise ein "Auslastungs-Management" betrieben, wie es Sprecher Frank Schabel nennt. Dabei wurden Mitarbeiter aus Abteilungen mit Überkapazitäten in solche versetzt, in denen die Auftragslage besser aussah. Eine weitere beliebte Maßnahme ist der Abbau von Urlaub, von dem in den guten Jahren viele Tage angehäuft wurden.

Stark im Kommen sind auch das Desk-Sharing und Telearbeit. 45 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass sie ihre Büroflächen reduziert haben. "In vielen Abteilungen gibt es schon nicht mehr den eigenen Schreibtisch", berichtet Ewert. Viele große Beratungshäuser wie Accenture oder CSC Ploenzke, aber auch kleinere wie Avinci sprechen schon lange vom mobilen Arbeitsplatz. Die Mitarbeiter sind mit Notebook und Mobiltelefon ausgestattet und können von überall arbeiten - im eigenen Unternehmen haben sie allerdings keinen festen Arbeitsplatz mehr.

Einstellungsstopp?

Die Vergütungsberater von Towers Perrin befragten Beratungs- und Softwarehäuser, ob sie beabsichtigen, Mitarbeiter zu rekrutieren. 40 Prozent der Betriebe haben einen Einstellungsstopp verkündet. Dies sei allerdings nur die halbe Wahrheit, meinen sowohl die Consultants von Towers Perrin als auch Personalberater, die sich in der IT-Szene gut auskennen. Unternehmen würden nach wie vor gezielt gute Leute suchen und den einen oder anderen zu schnell Aufgestiegenen ohne entsprechende Leistung austauschen. Aus firmenpolitischen Gründen müsse man nach außen mitteilen, keine Mitarbeiter mehr an Bord nehmen zu können.