Immer noch die Einzelleistung im Vordergrund, doch Loesungskompetenz muss auch im Vertrieb bewiesen werden

14.10.1994

Von Hans Ulrich Bachert*

Viele Anbieter sehen im Loesungsgeschaeft die Chance, sich zu differenzieren und eine hoehere Kundenbindung zu erreichen. Mit einer blossen Kombination bestehender Produkte und Dienstleistungen ist es jedoch nicht getan. Loesungskompetenz beginnt im Vertrieb - die Steuerungsinstrumente spielen dabei eine entscheidende Rolle.

Bestehende Steuerungsinstrumente sind traditionell auf den Vertrieb von Einzelleistungen ausgerichtet. Ein erfolgreicher Loesungsvertrieb zeichnet sich jedoch durch Instrumente aus, die den einzelnen Vertriebsmitarbeiter zu einer Leistungsbuendelung an der Kunden-Schnittstelle motivieren - so das Ergebnis der Studie "Software-Branche im Umbruch - neue Anforderungen an Marketing und Vertrieb", die durch die Baumgartner & Partner Unternehmensberatung auf Basis einer Befragung von 123 Software- und Systemhaeusern, Rechenzentren und Hardwareherstellern erstellt wurde.

Das kurzfristige Umsatzdenken dominiert

Loesungen verkaufen heisst langfristig denken. Im Vergleich zum klassischen Produktgeschaeft groessere Auftragsvolumina, hoehere Entscheider-Ebenen und damit verbunden laengere Entscheidungszyklen sind typische Kennzeichen des Loesungsgeschaefts. Der Loesungsanbieter wandelt sich in seiner Rolle dabei vom reinen Lieferanten zu einem langfristigen, haeufig sogar strategischen Partner des Kunden.

Betrachtet man die vertrieblichen Steuerungsinstrumente der untersuchten Unternehmen, so wird deutlich, dass diese eher auf schnelle Umsatzerfolge als auf den langfristigen Aufbau einer stabilen Kundenbeziehung abzielen. Provisionsregelungen, Praemien oder immaterielle Incentives wurden zwar von ueber drei Vierteln der befragten Unternehmen eingesetzt - eine Differenzierung hinsichtlich der strategischen Bedeutung einzelner Geschaeftssegmente erfolgt dabei jedoch in den wenigsten Faellen. Die Folge: Produktgruppen ohne direkten Erfolgsbeitrag werden vernachlaessigt; unattraktive oder schwierige Kundengruppen bleiben aussen vor.

Eine Ursache fuer die eher kurzfristige Vorgehensweise ist die haeufig anzutreffende Luecke zwischen strategischer Unternehmens- und operativer Absatzplanung. Wie die Erfahrung zeigt, beruhen Vertriebsziele meist auf Umsatzdaten aus den Vorjahren anstatt auf fundierten Abschaetzungen des Kundenpotentials. Marktanalysen, die im Rahmen der strategischen Unternehmensplanung durchgefuehrt werden, finden nur selten Eingang in die Vorgaben fuer den einzelnen Vertriebsmitarbeiter. Umgekehrt fliessen Vertriebsdaten nur in grober Form - oftmals nicht nach Loesungskomponenten aufgeschluesselt - an die Entscheidungstraeger zurueck. Zwar verfuegen laut Baumgartner-Umfrage ueber 50 Prozent der Unternehmen ueber ein DV-gestuetztes Vertriebsinformationssystem, dieses wird jedoch in den meisten Faellen isoliert von angrenzenden Funktionsbereichen gefuehrt und besitzt somit eher operativen als strategischen Charakter.

Erhebliche Umsetzungsprobleme

Loesungen zu verkaufen heisst, auch zu kooperieren - nicht nur in Form von Vertriebspartnerschaften oder Lizenzabkommen, sondern auch innerhalb der Firma selbst. Um Einzelleistungen aus verschiedenen Unternehmensteilen zu einer Gesamtloesung zu verbinden, bedarf es bereits in der Pre-sales-Phase einer umfassenden Mitarbeit des Managements sowie aller an der spaeteren Implementierung beteiligten Bereiche. Teamselling, das gemeinsame Verkaufen ueber Geschaeftsbereiche und Hierarchie-Ebenen hinweg, wird somit zu einem stets wichtigeren Erfolgsfaktor.

Was in der Theorie so einfach klingt, birgt in der Praxis erhebliche Umsetzungsprobleme. Fragen zum Beispiel nach der Zuordnung von Umsaetzen zu einzelnen Profitcentern oder nach der Rollenverteilung im Akquisitionsprozess sind vielfach ungeklaert. Die Ursachen liegen ausser einem ausgepraegten Bereichsdenken und starren Hierarchien vor allem in fehlenden Steuerungsinstrumenten, die zum gemeinschaftlichen Verkaufen motivieren. So gaben lediglich acht Prozent der Befragten an, ueber institutionalisierte, Team-orientierte Steuerungsinstrumente zu verfuegen. Die meisten Unternehmen bauen nach wie vor auf eine informelle Zusammenarbeit im Vertrieb, die sich, gerade in Zeiten eines haerteren Wettbewerbs, zunehmend schwieriger gestaltet.

Die besonderen Anforderungen an einen Loesungsvertrieb - strategische Orientierung und interne Kooperation - werden derzeit von den meisten Firmen nicht erfuellt. Gerade in mittelstaendischen Software- und Systemhaeusern fehlt der Geschaeftsfuehrung haeufig die Zeit, sich grundsaetzlich mit solchen umstrittenen und schwierigen Themen wie Entlohnungssystemen oder Teamselling zu beschaeftigen.

Doch jede Vertriebsorganisation muss sich immer wieder den Veraenderungen im Markt anpassen, um erkannte Chancen im Loesungsgeschaeft nutzen zu koennen. Dazu gibt es kein Patentrezept. Bei der Konzeption und Implementierung von komplexen Steuerungssystemen sind stets die firmenindividuellen Umstaende sowie die Besonderheiten des Umfelds zu beruecksichtigen. Nur ein umfassendes Change Management, das alle relevanten Prozesse und Strukturen mit einbezieht, kann gewaehrleisten, dass neue Steuerungsinstrumente nicht nur aufgesetzt, sondern tatsaechlich in die Organisation integriert werden.

Verwendungshaeufigkeit ausgewaehlter Vertriebssteuerungsinstrumente (Angaben in Prozent)

Umsatzziele 74;

Provisionen und Praemien 73;

Systematische Projektverfolgung in der Akquisitionsphase 64;

DV-basierte Informationssysteme 50;

Incentives 26;

Anreize zum Teamselling 8;